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„Wir begleiten die Kinder so lange wie nötig“: Osnabrücks ambulanter Kinderhospizdienst

Der ambulante Kinderhospizdienst betreut lebensverkürzend erkrankte Kinder. / Foto Anja Hanke

Seit 2009 betreut der Ambulante Kinderhospizdienst Osnabrück (AKO) Familien mit lebensbedrohend oder -verkürzend erkrankten Kindern. Im Gespräch mit der HASEPOST erzählt Koordinatorin Sonja Humpohl aus dem Alltag der ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer. Anke Sparenberg, Mutter einer pflegebedürftigen Tochter, gewährt einen privaten Einblick in ihr Familienleben.

Dass in Osnabrück überhaupt ambulante Kinderhospizdienste angeboten werden, entstammt dem Wunsch von Eltern pflegebedürftiger Kinder, erzählt Humpohl: „Zunächst gab es in Deutschland stationäre Kinderhospize. Die Eltern haben dann mitgeteilt, dass sie die Dienste auch zuhause benötigen und so sind ambulante Kinderhospizdienste entstanden.“ Der AKO betreut aktuell circa 30 Familien, deren Situationen sich stark voneinander unterscheiden.

Begleitung „so lange wie nötig“

„Unsere Arbeit startet dann, wenn eine lebensbedrohende oder -verkürzende Erkrankung bekannt wird. Manche Familien begleiten wir nur in einem gewissen Zeitraum, andere wiederum auch sehr lange“, erklärt die Koordinatorin. Wenn sich der gesundheitliche Zustand verbessere, könne es auch vorkommen, dass die Dienste ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr nötig seien. „Wir stehen ab der Diagnose zur Verfügung und begleiten die Familien dann so lange wie nötig.“

Der Kontakt zu einem Kinderhospizdienst fällt vielen Eltern schwer, berichtet neben Humpohl auch Anke Sparenberg. Ihre Tochter Emily ist bereits mit einer schweren Hirnschädigung zur Welt gekommen. Von Anfang an war klar, dass Emily schwerbehindert sein würde. Auf den AKO sei die Familie durch die Betreuer im Christlichen Kinderhospital Osnabrück aufmerksam gemacht worden.

„Meine erste Reaktion als ich ‚Kinderhospiz‘ gehört habe war: ‚Mein Kind stirbt doch nicht‘, erinnert sich Sparenberg zurück. In der Folge seien sie und die Familie immer wieder auf die Dienste des AKO angesprochen worden. „Irgendwann haben wir dann gedacht: ‚Okay, wenn die da sind, um einen zu unterstützen, dann machen wir doch mal ein Treffen aus‘. Mittlerweile ist Emily zehn Jahre alt, sitzt im Rollstuhl und kann nicht sprechen. Mutter Anke beschreibt die langjährige Hilfe des AKO als „große Entlastung“.

Unterstützung für die ganze Familie

Wie verschieden die Dienste des AKO ausfallen können, zeigt sich bereits in der Familie Sparenberg: Zwei Ehrenamtliche, die sich wöchentlich abwechseln, unterstützen die Familie, indem sie Emily mehrere Stunden in der Woche mit Rasseln oder Klingobjekten beschäftigen oder sich um das kleine Mädchen kümmern. „Das sind Dinge, auf die Emily positiv reagiert und über die sie sich freut. Es funktioniert so wunderbar und unsere Mädels kennen Emily inzwischen in- und auswendig“, schwärmt Sparenberg von den beiden Betreuerinnen. Von den Diensten profitiere nicht nur ihre Tochter, sondern auch sie selber: „Für mich ist toll, dass die Mädels Emily so gut kennen. Dann kann ich gehen und habe ein paar Stunden in der Woche, in denen ich abschalten kann. Und wenn was ist, dann werde ich angerufen.“

Auch Emilys großer Bruder Nick (17 Jahre) habe über die Jahre verschiedene Dienste des AKO in Anspruch genommen. Eine Zeit lang hätten die Ehrenamtlichen auch mit ihm alleine etwas unternommen, berichtet Sparenberg. Und nicht zuletzt stünden auch stets Ansprechpartner zur Verfügung: „Mir ist klar, dass Emily noch einige Jahre leben, aber auch definitiv eines Tages sterben wird. Ich habe dafür Ehrenamtliche beim Kinderhospizdienst, mit denen ich mich über dieses Thema austauschen kann.“

Lange Vorbereitung auf Ehrenamt

Damit die Ehrenamtlichen des AKO gut auf die Situationen vorbereitet sind, besuchen sie vorab einen Qualifizierungskurs. „Wir bieten regelmäßig Infoabende an. Mit denjenigen, die sich danach weiter interessieren, gehen wir einzeln ins Gespräch. Es geht dabei viel um Menschlichkeit, Haltung und die Bereitschaft, sich auf schwierige Situationen einzulassen. Wer dann überzeugt ist, kann einen Qualifizierungskurs über ein halbes Jahr ablegen“, erklärt Humpohl den Ablauf. In dem Kurs ginge es um eigene Abschiedserfahrungen, Fragen der Kommunikation und wie Kind und gegebenfalls Eltern und Familie sinnvoll unterstützt werden können, so Humpohl weiter. „Erst am Ende des Kurses fragen wir dann, ob sich die Interessierten vorstellen könnten, das Ehrenamt zu übernehmen.“

Aktuell sind rund 60 Personen ehrenamtlich für den Kinderhospizdienst tätig. Darunter sind Menschen, die kurz vor der Rente stehen, aber auch viele junge Menschen, die studieren oder jobben. Sich ganz auf das Hier und Jetzt in der Begleitung zu konzentrieren, könne eine Auszeit vom hektischen Alltag bringen, so Humpohl. Sie freue sich auch darüber, dass die Zahl der Männer in den Ehrenämtern zuletzt gestiegen sei.

Die insgesamt vier Koordinatorinnen suchen passende Ehrenamtliche für die jeweilige Familie aus. „Wir schauen danach, welche Familie eigentlich was braucht: Entlastung durch Betreuung für das Kind, Gesprächspartner für die Eltern oder Geschwisterbegleitung. Die Situation in den Familien kann sich jederzeit ändern. Die Ehrenamtlichen müssen sich dann daran anpassen. Nicht jeder Ehrenamtliche passt in jede Familie, daher ist es immer gut, wenn wir viele Ehrenamtliche haben“, sagt Humpohl. Die Helfenden können sich untereinander austauschen, zudem stehen auch für sie Ansprechpartner zur Verfügung.

Menschen in der Weihnachtszeit „sensibler“

„Die Familien sind finanziell ganz unterschiedlich aufgestellt. Einer unserer Aufträge ist es, zu schauen, wen wir wie finanziell durch unsere Spenden unterstützen können.“ Die sogenannten „Wünsch-dir-was-Angebote“ werden bis an die Haustür geliefert. Finanziert werden die Angebote durch Spendengelder, die sich üblicherweise zur Weihnachtszeit etwas mehren, merkt Humpohl an. Allerdings: „In diesem Jahr fallen viele Aktionen und Feiern, wo sonst für uns Geld gesammelt wurde, coronabedingt aus.“

Auch vom Finanziellen abgesehen sind die betroffenen Familien zu Weihnachten auf ganz unterschiedliche Hilfen angewiesen. „Nicht in jedem Jahr ist eine Familie in der Krise. Wenn Familien rund um Weihnachten mit dem Tod konfrontiert werden, ist dies eine besondere Herausforderung. Da machen wir dann Angebote, um in der Nähe der Familien zu sein. Sind die Familien besonders gefordert, dann sind wir da“, berichtet Humpohl.

Sparenberg erzählt von ihren Erfahrungen aus der Weihnachtszeit: „Grundsätzlich ist es in der Zeit um Weihnachten schon so, dass die Menschen sensibler sind. Man merkt das auch im Alltag. Wenn man draußen unterwegs ist, reagieren die Menschen sensibler auf Emily. Es kommen häufiger Situationen vor, dass man beispielsweise auf dem Parkplatz steht und jemand ankommt und fragt, ob er helfen könne. Die Leute sind offener für ihre Emotionen.“

Ganz besonders fehlen würden die vielen Angebote vom AKO wie gemeinsame Backaktionen mit den Kindern und Familien. „Solche Events, an denen wir Familien mit beeinträchtigen Kindern zusammen kommen, sind ein toller Austausch, der sehr fehlt.“ Das gelte auch für die außerhalb von Corona regelmäßig stattfindenden Frühstückstreffen. „Wir vermissen das sehr, gerade zu solch einer Zeit“, sagt Sparenberg. Zudem stelle sich generell momentan wieder die Frage, ob man Emily am Leben teilhaben lasse oder sie als bislang Ungeimpfte isolieren müsse.

Podcast & Co.

Wer weiteres über den Dienst des Ambulanten Kinderhospizes lernen möchte, kann sich den jederzeit verfügbaren Podcast mit Koordinatorin Sonja Humpohl anhören. Diesen findet man unter dem Namen „Macht das schön?! #37: Helfen macht glücklich“ auf der Homepage des Osnabrücker Hospizvereins. Dort gibt es auch viele weitere Informationen, unter anderem zu Spendenmöglichkeiten.


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Maurice Guss
Maurice Guss
Maurice Guss absolvierte im Herbst 2019 ein Praktikum bei der HASEPOST. Im Anschluss berichtete er zunächst als freier Mitarbeiter über spannende Themen in Osnabrück. Seit 2021 arbeitet er fest im Redaktionsteam und absolviert ein Fernstudium in Medien- und Kommunikationsmanagement. Nicht nur weil er selbst mehrfach in der Woche auf dem Fußballfeld steht, berichtet er besonders gerne über den VfL Osnabrück.

  

   

 

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