Es ist ein leidiges Thema für nahezu jeden Verein und deren Verantwortliche unterhalb der 1. und 2. Bundesliga: Zweitvertretungen. Als Drittligist “darf“ sich seit dieser Saison auch der VfL Osnabrück wieder mit der Debatte um die Reservemannschaften befassen. Am Samstag kommt es zum ersten von insgesamt sechs Duellen gegen eine Reserve.
„Man weiß nie, welche Spieler kommen auf einen zu. Das ist auch für uns schwer auszurechnen“, fasste schon in der letzten Aufstiegssaison der Osnabrücker der damalige VfL-Trainer Tobias Schweinsteiger eine der vielen Problematiken rund um die Zweitvertretungen zusammen. Die Debatte um die Reservemannschaften läuft seit Jahren – stets mit den gleichen Pro- und Contra-Argumenten: Ambitionslose Zweitvertretungen vs. ein besseres Heranführen von Talenten an den Profifußball, U23-Teams nehmen anderen Vereine die Plätze weg vs. mehr Fernsehgeld für Drittligisten, und vieles mehr.
Bei den meisten Fans anderer Vereine haben die Pro-Argumente allerdings einen schweren Stand, die Reserveteams sind ihnen entsprechend unlieb. „Amateure raus aus Liga 3“, hallt es regelmäßig durch die Stadien – so sicherlich auch am Samstagnachmittag im Dortmunder Stadion „Rote Erde“ aus dem Fanblock des VfL. Den Anhängern geht es dabei vor allem um infrastrukturelle Vorteile, die Zweitvertretungen dank ihrer höher spielenden ersten Garde oft genießen – und die dazu führen, dass einst erfolgreichen anderen Traditionsvereinen der Weg zurück in den Profifußball erschwert wird.
VfB Stuttgart II entreißt Stuttgarter Kickers den Aufstieg
Jüngstes Beispiel: In der vergangenen Saison standen die Stuttgarter Kickers lange vor der Rückkehr in die 3. Liga. Am letzten Spieltag kam es zum direkten Duell mit den letzten verbliebenen Kontrahenten, dem VfB Stuttgart II. Die Reserve des Champions League-Teilnehmers gewann und stieg auf, der Traditionsverein aus dem Stadtteil Degerloch muss hingegen auch in dieser Saison in der Regionalliga ran.
Wie es anders gehen könnte, zeigt ein Blick nach England, wo Zweitvertretungen der Premier League-Vereine in einer eigenen Premier League 2 antreten – getrennt von anderen ersten Mannschaften. Aber: Eine solche Liga gab es ab 1994 auch mal in Deutschland. Sie wurde nach drei Jahren eingestellt, da keine Fans kamen, die Reservisten völlig ambitionslos spielten und ihre auch im nationalen Interesse stehende Entwicklung nachhaltig stockte.
VfL Osnabrück steigt auf – weil Freiburg II auf Platz 2 steht
Seitdem dürften die Zweitvertretungen wieder im „echten“ Geschäft ran – bis hoch in Liga 3. Aktuell ist das bei Dortmund, Stuttgart und Hannover der Fall. Was passiert, wenn sich eine der zweiten Mannschaften am Ende der Saison auf einen der Aufstiegsränge wiederfindet, offenbarte sich in der letzten Aufstiegssaison des VfL Osnabrück. Damals belegte nach dem 38. Spieltag der mittlerweile in die Regionalliga abgestiegene SC Freiburg II in der Tabelle Platz zwei, war jedoch nicht aufstiegsberechtigt und verzerrte so das Tableau stark. Zur Nicht-Aufstiegsberechtigung heißt es in der DFB-Spielordnung übrigens: „Das Recht zum Aufstieg in die 2. Bundesliga entfällt für den Verein, der bereits mit einer Mannschaft am Spielbetrieb der Lizenzligen (Bundesliga, 2. Bundesliga; Anm. d. Red.) des kommenden Spieljahres teilnimmt.“
Der VfL als Tabellendritter profitierte in der Saison 2022/23 davon, stieg direkt auf. Der SV Wehen Wiesbaden profitierte ebenfalls und durfte als Vierter in der Relegation ran – mit Erfolg.
Als der FC Bayern München II Meister wurde
Noch kurioser wurde es in der Saison 2019/20 als der FC Bayern II Meister wurde, die Meisterschale entgegen nahm, ansonsten aber aus der Wertung fiel. An der Stelle lohnt sich erneut ein Blick ins Ausland: Beispielsweise in Spanien dürfen Zweitvertretungen bis in Liga zwei aufsteigen, so lange bei zwei Dauerrivalen des FCB in der Champions League, Real Madrid und Barcelona, der Fall.
Hertha BSC II im Pokal-Halbfinale – heute nicht mehr möglich
Um die möglichen Verzerrungen der Endtabelle zu komplettieren, lohnt sich abschließend noch ein Blick auf folgendes Szenario: eine der Zweitvertretungen belegt am Ende der Saison den vierten Platz, der theoretisch zur Teilnahme am DFB-Pokal berechtigt. Auch hier gilt: Tatsächlich teilnehmen am Pokalwettbewerb dürften die Reserveteams nicht, denn seit der Saison 2008/09 gilt die Regelung, dass nur noch eine Mannschaft pro Verein im DFB-Pokal mitspielen darf. In den Jahren und Jahrzehnten zuvor hatte es ebenfalls teils kuriose Szenarien gegeben: So spielte im Jahr 1977 etwa Bayern München gegen seine eigene Zweitvertretung (5:3), 1993 schaffte es Hertha BSC Berlin II gar ins Pokalfinale, wo der Reserve-Hauptstadtverein allerdings den Kürzeren zog. Für Liga 3 bedeutet die Regelung, dass im Falle des Falles der Tabellenfünfte in den Pokal einziehen würde.
Spielt der BVB II mit Bundesliga-Profis?
So sehr die Verantwortlichen der Vereine über jene Themen diskutieren und so laut auch am Samstag in Dortmund die Proteste der VfL-Fans ausfallen mögen, wird all das die Akteure der Lila-Weißen im Rahmen der „Mission Zweiter Saisonsieg“ vermutlich nicht sonderlich interessieren. Ohnehin dürfte der BVB II am Wochenende kaum erfahrene Profi-Akteure aufbieten. Mit Torhüter Marcel Lottka und Mittelfeld-Talent Kjell Wätjen ist aber zumindest mit zwei Bundesliga-erfarenen Spielern zu rechnen.
Gyamfi wieder eine Option?
Beim Blick auf das Personal des VfL Osnabrück wird es derweil allen voran in der Innenverteidigung spannend. Diese bildeten gegen Unterhaching zuletzt Kapitän Timo Beermann und Youngster Yigit Karademir, der einerseits mit scharfen Offensivpässen wie vor dem 1:0 auf Lion Semic bestach, andererseits aber noch defensive Schwächen offenbarte. Beermann hingegen wurde nach 45 Minuten durch Niklas Wiemann ersetzt – wegen schmerzhaften Rippenbeschwerden. Ein Einsatz des Kapitäns gegen Dortmund scheint allerdings im Bereich des Möglichen zu sein.
Als weitere Option tat sich in dieser Trainingswoche auch wieder Maxwell Gyamfi auf. Der 24-Jährige gilt auch wenige Tage vor Transferschluss noch als Wechselkandidat, bekam vor diesem Hintergrund zuletzt auch eine Pause. Wirklich konkret wurde es bei Gyamfi allerdings mit keinem Verein und so trainierte der Verteidiger in dieser Woche auch wieder voll beim VfL mit.
Simakala bringt Hoffnung und Tore
In der Offensive ruhen die Hoffnung derweil allen voran auf Rückkehrer „Chance“ Simakala, der bei seinem Startelf-Comeback nur wenige Minuten für seinen ersten Treffer brauchte – zugleich das erste Ligator des VfL in der neuen Spielzeit. Drei weitere ließen die Osnabrücker beim 4:2-Erfolg über Unterhaching folgen – ein gutes Zeichen für das Duell gegen die Zweitvertretung von Borussia Dortmund am Samstagnachmittag?