Rund 160 Inhaftierte werden die Weihnachtstage in diesem Jahr in der Justizvollzugsanstalt Lingen verbringen. Wie diese eigentlich so feierlichen Tage hinter hohen Mauern und Stacheldraht aussehen werden, verrät JVA-Seelsorger Frank Kribber im Gespräch mit der HASEPOST.
Als einer von zwei katholischen Seelsorgenden arbeitet Frank Kribber mittlerweile seit neun Jahren u. a. in der JVA Lingen. Zwei weitere evangelische Seelsorgende komplettieren das Team, welches sich um genehmigte Einkäufe für die Inhaftierten kümmert und zuständig für alle Menschen ist, die im “System Gefängnis“ arbeiten und leben. „Wir reden mit den Mitarbeitern und Inhaftierten, die uns um ein Gespräch bitten. Auf den Gängen im Gefängnis gibt es für die Gefangenen keine Freunde, alles was dort erzählt wird, kann zurückkommen. Also kommen die Leute zu uns, denn wir haben eine Schweigepflicht“, erzählt Kribber aus seinem Alltag. Ein Großteil der Aufgaben von ihm und seinen Kollegen beschränke sich auf das Zuhören: „Es sind völlig unterschiedliche Gespräche, aber auch wiederkehrende Themen zum Beispiel über das Gefängnisessen.“ Teilweise gehe es auch um private Anliegen, die Kontaktzeiten zu Angehörigen seien schließlich nicht sonderlich lang.
Weihnachten die „schlimmsten Tagen des Jahres“
Die allgemeine Stimmung in den Gefängnisgängen beschreibt Kribber als ruhig, auch während Corona habe sich wenig daran geändert – und das trotz weniger Besuchszeiten. „Hier will keiner Corona und die damit verbundene Einzelisolierung“, so der Seelsorger. Mit Blick auf die anstehenden Feiertage spricht Kribber von den „schlimmsten Tagen des Jahres für die Inhaftierten.“ Viele Werksbetriebe seien zwischen Weihnachten und Silvester geschlossen, das Leben stehe in dieser Zeit vollständig still. „Normalerweise strukturiert die Arbeit den Alltag der Inhaftierten, die an diesen Tagen viel Zeit auf den Stationen verbringen und nur wenig zu tun haben“, erzählt Kribber.
Viel weihnachtliche Stimmung komme dabei nicht auf. Dass kein Kontakt zu Angehörigen möglich sei, weil das zuständige Personal frei habe, stimme insbesondere die Inhaftierten mit Familie nachdenklich. „Vielleicht lernen die Gefangenen in der Zeit etwas zu schätzen, was sie nicht haben. Aber ob es das Gefühl der “heilen Welt“ außerhalb der JVA für die Inhaftierten überhaupt gibt, sei mal dahingestellt“, meint der Seelsorger.
Weihnachtsfeier hinter Mauer und Stacheldrahtzaun
Innerhalb der JVA bietet die Seelsorge in der Vorweihnachtszeit Advents- und Weihnachtsfeiern im kleinen Rahmen an – auch in diesem Jahr und trotz Corona. Pro Feier sind 20 Inhaftierte eingeladen im Gruppenraum gemeinsam zu singen oder Kekse und Stollen zu essen. „Wir versuchen so, möglichst vielen Inhaftierten eine Weihnachtsfeier zu ermöglichen, wenn sie es denn wollen.“ Optisch deuten in den Tagen vor dem Weihnachtsfest beleuchtete Tannen und eine geschmückte Kapelle, der größte Raum der gesamte JVA, auf eine besondere Zeit hin. Auf jeder Station stünde zudem ein Weihnachtsbaum – wohlgemerkt aus Gründen des Brandschutzes ein künstlicher.
In jener Kapelle, in der das Jahr über regelmäßig und abwechselnd evangelische und katholische Gottesdienste stattfinden, praktizieren die Seelsorgenden am heiligen Abend um 17 Uhr einen Gottesdienst. „Üblicherweise besuchen rund zehn bis fünfzehn Prozent der Inhaftierten unsere Gottesdienst. An Weihnachten sind es schon immer etwas mehr, wenngleich Corona die Plätze in diesem Jahr erneut begrenzt“, berichtet Kribber. Es sei der „komischste Gottesdienst des Jahres“, da die inhaftierten Besucher nur eine Stunde nach Ende wieder in ihre Zellen eingesperrt würden. „Am Ende des Gottesdienstes singen wir gemeinsam ‚Stille Nacht, heilige Nacht‘. Dabei entwickelt sich doch eine sentimentale Stimmung“, erzählt Kribber, der sich inhaltlich an Vorgaben des Bistums Osnabrück hält, aber eigentlich als Beamter beim Land Niedersachsen angestellt ist.
Kartoffelsalat & Bockwurst gibt’s auch im Gefängnis
Vor Einschluss werde an den Weihnachtstagen eine besondere warme Mahlzeit aufgetischt. „An Heiligabend gibt es für gewöhnlich Kartoffelsalat und Bockwurst. Der Koch hat mir bereits verraten, dass es in diesem Jahr auch Sauerbraten und Fisch an den Festtagen geben wird“, so Kribber. Gegessen werde einzeln in den Zimmer. Bis 19 Uhr seien auch Treffen zu zweit oder dritt innerhalb der Stationen möglich. „So ist es auch außerhalb der Weihnachtstage. Jede Station hat eine eigene Küche, die Inhaftierten sind außerdem Meister des Kochens mit dem Wasserkocher“, weiß der Seelsorger. Für besonders Bedürftige gebe es zu Weihnachten außerdem eine Weihnachtstüte. Allgemein seien aber alle Inhaftierten froh, wenn die „schlimmsten Tage des Jahres“ für sie vorüber sei und der Alltag wieder losgehe, verrät Kribber abschließend.