Mutmaßliche Opfer pro-türkischer Milizen im Norden Syriens haben beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe Anzeige gegen vermeintliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit erstattet, berichtet der „Spiegel“. Die Anzeigenden hoffen, dass die Bundesanwaltschaft gegen die mutmaßlichen Täter ermittelt und sie zur Rechenschaft zieht.
Anschuldigungen gegen Pro-Türkische Milizen
Die mutmaßlichen Opfer werfen den von der Türkei finanzierten arabischen Milizen in der Region Afrin vor, die kurdische Bevölkerung systematisch zu schikanieren. Den Anzeigeerstattern zufolge kommt es in der Region zu Plünderungen, Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, Schutzgelderpressung und willkürlichen Verhaftungen. In den Gefängnissen der Milizen würden, laut Anzeige, Insassen mit Schlägen gefoltert, gedemütigt und vergewaltigt und ihnen werde systematisch Nahrung vorenthalten.
In Deutschland wurden bereits zwei Angehörige des Regimes des syrischen Machthabers Baschar al-Assad verurteilt. Haftbefehle gegen weitere Mitglieder des Regimes liegen vor. Auch Mitglieder der Terrormiliz IS wurden in Deutschland wegen der Teilnahme am Genozid gegen die Jesiden verurteilt.
Unabhängige Recherchen bestätigen Vorwürfe
Unabhängige Recherchen des „Spiegel“ decken sich mit den Angaben der Anzeigenden. Demzufolge hätte das türkische Militär die Möglichkeit, die marodierenden Truppen zu stoppen, tue dies jedoch nicht. Auch arabische Einwohner der Provinz Afrin vermuten, dass die Schikanen gegen die Zivilbevölkerung im Sinne der Türkei gehandhabt werden.
Die syrisch-kurdische Aktivistin Sabiha Khalil berichtete dem „Spiegel“, dass Kurden gezielt aus ihren Gebieten vertrieben würden. Zudem würden syrische Flüchtlinge, Araber und Turkmenen aus anderen Teilen gezielt angesiedelt. „Die Türkei ist heute klüger als zu den Zeiten, in denen sie Massaker an Kurden und anderen Ethnien beging“, sagte Khalil. „Die heutigen Massaker sind weniger blutig: ethnische Säuberungen und Eingriffe in die Demografie.“
Aufruf zu konsequenter Anwendung des Völkerstrafrechts
Der Jurist Patrick Kroker vom European Centre for Constitutional and Human Rights (ECCHR), welches die Strafanzeige gemeinsam mit den kurdischen Opfern eingereicht hat, äußerte sich ebenfalls dazu: „Die Urteile gegen staatliche Folterer des Assad-Regimes in Deutschland zeigen, dass die Aufarbeitung der Straftaten in Syrien vorankommt“, sagte er. Kroker pocht auf eine „unterschiedslose“ Anwendung des Völkerstrafrechts, „auch gegenüber Tätergruppen, die mit alliierten Ländern wie der Türkei verbunden sind.“
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