Die Niederlage in Braunschweig war zu viel, der VfL Osnabrück entlässt Tobias Schweinsteiger. VfL-Reporter Maurice Guss hat dafür wenig Verständnis – und hätte lieber das Aus eines anderen Verantwortlichen gesehen.
Ein Kommentar von Maurice Guss
Das war es also für Tobias Schweinsteiger beim VfL Osnabrück. Am Dienstagmittag (14. November) verkündeten die Lila-Weißen das Aus des einstigen Erfolgscoachs – und senden damit auf gleich mehreren Ebenen ein fatales Zeichen.
Schweinsteiger wird Osnabrück fehlen
Denn mit Tobias Schweinsteiger verlässt den VfL Osnabrück in erster Linie eine Person, die sich mit Verein und Stadt identifiziert hat – und zumindest die Stadt auch mit ihm. Die Kommunikation, das Auftreten, der Austausch mit den Fans – all das passte bei dem 41-Jährigen. Ein echter Sympathieträger also, der noch dazu und anders als einige seiner Vorgänger nicht beim ersten besseren Angebot weg von der Bremer Brücke zog. Die Fans tolerierten das trotz einer bislang schwachen Punkteausbeute in der neuen Saison bis zuletzt und jagten den Trainer anders als es in anderen Vereinen der Fall gewesen wäre nicht umgehend vom Hof. Entsprechend groß ist nun die Enttäuschung, wie zahlreiche Reaktionen auf die Verkündigung des Aus zeigen.
Die Enttäuschung dürfte allerdings nicht alleine am Schweinsteiger-Aus liegen, sondern auch am Vorgehen des Vereins. Mit starken Worten über ein langfristiges Projekt verzierte man im März noch die Vertragsverlängerung von Schweinsteiger, der das Vertrauen mit dem überraschenden Aufstieg zurückzahlte – und wiederum auch intern hochgejubelt wurde. Nun zieht der Verein all das beim ersten stärkeren Gegenwind offenbar zurück.
Aus sportlicher Sicht fragwürdig
Mag die menschliche Komponente im heutigen Fußball hinten anstehen – auch sportlich könnte sich der VfL mit der Entscheidung langfristig ins eigene Bein schießen. Anstatt mit einem Trainer, der seine Fußballkompetenz mehr als unter Beweis gestellt hat, indem er den Verein binnen eines knappen Jahres vom Abstieg in Liga 4 bewahrt und stattdessen in Liga 2 geführt hat, das viel besagte langfristige Projekt auch bei Rückschlägen konsequent weiterzuführen – wie das klappen kann zeigen Freiburg und Heidenheim – , stehen die Lila-Weißen nun ohne Coach da. Angesichts eines langfristigen Vertrages will der Ex zudem weiter bezahlt werden. Die Alternativen sind darüber hinaus nicht nur aufgrund der klammen Kasse rar gesät.
Doch nicht nur deshalb ist die Entscheidung aus sportlicher Sicht fraglich. Denn die Probleme, die sich in dieser Saison offenbaren, sind tiefergehend. Der Aufstieg im Sommer kam vor der eigentlich benötigten sportlichen Entwicklung nach vorne. Unter anderem aufgrund mangelnden Geldes konnte der Verein den eher unerwarteten Aufstieg personell nicht „reparieren“ – und auch der bereits zuvor nicht überall in Osnabrück hoch angesehene Sportdirektor
Amir Shapourzadeh ließ Kreativität, die es an seiner Stelle gebraucht hätte, vermissen. Wenn man also unbedingt personell ein Zeichen setzen musste, dann wäre er die bessere Adresse gewesen.
Welling hätte ein Statement setzen können
Eine Chance verpasst hat außerdem Geschäftsführer Dr. Michael Welling. Mit einem Statement pro Schweinsteiger hätte er nicht nur einem Sympathieträger und Fußballfachmann den Rücken stärken, sondern auch den Zusammenhalt im Verein fördern können. Damit hätte er auch über die Stadtgrenzen hinaus ein Zeichen setzen können: „Hier in Osnabrück feiern wir nicht nur zusammen, sondern glauben auch dann gemeinsam an uns, wenn es mal nicht läuft!“ Die Stimmung im Verein, zumindest unter den Fans, hätte ein solches Statement zugelassen, wirkte sie bis zuletzt für die Verhältnisse stabil. Jetzt ist sie genau das nicht mehr. Wie der VfL das umbiegen will, ist mir völlig unklar.
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