Der “Flockdown“ hat Osnabrück fest im Griff und verdrängt seinen großen Bruder, den “Lockdown“, für kurze Zeit mal in den Hintergrund. Vielleicht tut uns das mal ganz gut.
Ein Kommentar von Maurice Guss
Mal kurz zu mir: Ich bin 20 Jahre alt und komme aus Osnabrück – eine denkbar schlechte Kombination, um über Schnee und Schneestürme mitreden zu können, besonders, wenn man lieber Urlaub im Warmen macht. Schneesturm Tristan dürfte einer der ersten stärkeren Wintereinbrüche sein, die ich aktiv und bei vollem Bewusstsein mitbekomme. Und so konnte ich am Sonntagmorgen gar nicht anders als rauszugehen und ein wenig Kind in mir wiederzuentdecken.
Als ein Leser unsere Redaktion Mitte der Vorwoche mit dem Neologismus “Flockdown“ bekannt machte, musste ich vorfreudig schmunzeln: Vielleicht bringt Sturm Tristan ein wenig gute Laune mit nach Osnabrück – mitten in einer sonst so tristen Zeit. Als Student geht es mir nicht groß anders als den meisten – in den vergangenen fünf Monaten habe ich meine Uni nicht einmal von innen gesehen. Hilft da ein “Flockdown“?
Mit dem Aufstehen am Sonntagmorgen waren die üblichen Gedanken jedenfalls kurz vergessen. Dazu hatte ich Glück: Vor meiner heimischen Wohnung war der Bürgersteig schon frei – der Wind hatte den Schnee auf die andere Seite geweht. So blieb mir ein wenig Arbeit erspart und gegen Mittag zog es mich gemeinsam mit meiner Freundin in den Schnee.
Mit unserer Idee eines längeren Spaziergangs waren wir nicht alleine: Viele jüngere und ältere Menschen, oft mit Kindern oder Haustieren, nicht selten mit Schlitten, zog es auf die Straßen des winterlichen Osnabrücks. Als Fußweg dienten die verschneiten Straßen, mit den noch verschneiteren Bürgersteigen hatten einige Anwohner zu kämpfen. Und doch entstand bei mir der Eindruck, dass dieser Wintereinbruch nicht für schlechte Laune sorgte. Im Gegenteil: Fast allen, denen wir begegneten, glitt ein fröhliches “Hallo“ oder “Moin“ über die Lippen. Sogar ein Skifahrer kam uns entgegen, ein Blick in die Social Media-Kanäle oder in die HASEPOST verriet mir, dass es kein Einzelfall war. Als mir kurze Zeit später ein Mann auffiel, der seinem Nachbarn eine Tasse Glühwein in die Garage stellte, musste ich an mein Schmunzeln über “Flockdown“ denken.
Vielleicht tut uns dieser “Flockdown“ mal ganz gut. In so entspannte und zufriedene Gesichter hintereinander habe ich lange nicht mehr geblickt. Mit dem notwendigen Abstand und oft dick vermummt räumten viele Personen die Gehwege und schienen sich über jeden Fußgänger zu freuen. Ob sich die Menschen fremd waren oder nicht: Ein wenig Entspannung und Ruhe war in stürmischen Zeiten in die Straßen eingekehrt. Zuhause hatte ich ein lang nicht mehr gespürtes Gefühl der Zufriedenheit. Diese Stunde im Schnee mit auffällig vielen freudigen Begrüßungen aus der Distanz tat wirklich gut.
Dieser “Flockdown“ wird keine Probleme lösen und auch seine Schattenseiten haben, das ist mir bewusst. Doch diese kleinen Glücksmomente kamen gerade recht. Und auch wenn der große Bruder “Lockdown“ wohl wesentlich länger bleiben wird, vielleicht kann der ein oder andere aus dem kurzen “Flockdown“ etwas mitnehmen. Und wenn es nur eine kurze Erinnerung an eine freudige Begegnung mit Distanz ist.