Eine gescheiterte Regierungsbeteiligung, ein Papier voller martialischer Begriffe und nun der Rücktritt des Generalsekretärs – der Freien Demokratischen Partei (FDP) fällt ihr Verhalten der letzten Monate endgültig auf die Füße. Endlich!
Ein Kommentar von Maurice Guss
In den letzten Tagen hat die FDP den Bogen endgültig überspannt. Wochenlang wurde geleugnet, dass man auf einen „D-Day“ hinarbeite, nur um dann unter öffentlichem Druck ein internes Strategiepapier zu präsentieren (hier das Original), das keinen Zweifel daran lässt: Der Koalitionsbruch war von langer Hand geplant. Eine solch krude Mischung aus Zynismus und Selbstzerstörung lässt einen nur noch mit dem Kopf schütteln. Aber wen wundert es noch bei einer Partei, die schon in den Monaten zuvor durch politische Spielchen und Blockaden auffiel – und dabei ganz nebenbei ihren eigenen liberalen Markenkern längst in die Tonne getreten hat?
Die Veröffentlichung des „D-Day“-Papiers liest sich wie eine Anleitung zum politischen Selbstmord. Statt mit Sachpolitik und Prinzipientreue zu überzeugen, inszeniert sich die FDP als Opfer eines Bündnisses, das sie selbst mutwillig sabotiert hat. Wie soll man einer Partei noch vertrauen, die in diesem Zustand ist?
Die Verantwortung dafür trägt die Parteispitze – und zwar kollektiv. Der Rücktritt von Generalsekretär Bijan Djir-Sarai war unausweichlich und unwürdig. In 45 Sekunden beteuerte der gefallene General einmal mehr sein Unwissen zum „D-Day“, ehe er sich dann doch dazu durchrang, sich für das Verbreiten von Falschinformationen zu entschuldigen und zurückzutreten, um Schaden von der Partei abzuwenden.
Zu glauben, dass diese Entschuldigung – mag man sie ihm abkaufen oder auch nicht – und der folgende Rücktritt das Problem lösen könnten, wäre eine Farce. Denn wer soll den Scherbenhaufen jetzt aufräumen? Die gleichen alten Gesichter wie Marco Buschmann, die treu an der Seite von Christian Lindner den Karren mit Vollgas gegen die Wand gefahren haben? Eine mögliche Erneuerung mit dieser Riege gleicht einem schlechter Witz – ein Szenario, das sich übrigens auch auf die SPD und ihre neuen alten Zugpferde Scholz, Esken und Co. übertragen lässt. Der Plan, ohne große personelle Konsequenzen ins Wahlkampfrennen zu gehen, wird in beiden Fällen krachend scheitern.
Doch leider leidet nicht nur die FDP (und die SPD) unter diesem Desaster, sondern auch das Vertrauen in die Regierungsfähigkeit einiger demokratischer Parteien Deutschlands. Die im „D-Day“-Papier beschriebene Strategie der gezielten Eskalation zeigt: Es ging der FDP nie darum, die Herausforderungen dieser Koalition gemeinsam zu meistern. Stattdessen wollte sie sich mit Intrigen und Inszenierungen retten – auf Kosten der eigenen Wählerinnen und Wähler, auf Kosten der Glaubwürdigkeit und letztlich auf Kosten der politischen Kultur.
Insofern: Liebe FDP, nicht nur, dass ihr euch als unfähig erwiesen habt, eine Regierung tragfähig mitzugestalten – nein, ihr habt auch euer eigenes liberales Erbe mit Füßen getreten. Wer jetzt glaubt, mit einem Wechsel an der Spitze sei alles wieder gut, der täuscht sich gewaltig. Es braucht einen radikalen Schnitt, eine echte Neuorientierung – ohne die bekannten Köpfe, ohne die kruden Machttaktiken, ohne den ständigen Blick auf Umfragen und Machtspiele. Andernfalls bleibt die FDP das, was sie sich selbst geschaffen hat: eine Freie Demolierte Partei.
[Gruß vom Herausgeber] Liebe Leserin, lieber Leser, schön, dass Sie es bis hier ganz unten geschafft haben. Ein paar Zeilen weiter finden Sie noch den obligatorischen Hinweis, dass gekennzeichnete Meinungsbeiträge stets ausschließlich die Meinung des Autors wiedergeben. Aber ich möchte diesem förmlichen Disclaimer noch etwas hinzufügen. Natürlich haben Sie, wie auch ich und jeder andere Leser, eine eigene Meinung. Vielleicht weicht Ihre Meinung fundamental von diesem oder einem anderen bei uns veröffentlichten Kommentar ab, vielleicht stimmen Sie aber auch vollkommen zu oder aber Ihre Meinung ist „irgendwo dazwischen“. Vielleicht kann ein Kommentar in der Hasepost dabei helfen, neue Gedanken zu denken oder bestehende An- und Einsichten nochmals zu überdenken, dann haben wir und unsere Autoren etwas richtig gemacht und ganz generell zum Denken angeregt. „Denken ist schwer, darum urteilen die meisten.“ (C. G. Jung)
Bitte denken Sie mehr. Ihr Heiko Pohlmann
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