Ein Osnabrücker, männlich und vom Kanzler gelobt: Boris Pistorius gehörte nicht zum Favoritenkreis und wird es nun doch – der 62-Jährige übernimmt den Posten des Verteidigungsministers. Gelingt es ihm, endlich Ruhe in das vakante Ministerium, dessen Chefsessel zuletzt eher als Schleudersitz diente, einkehren zu lassen?
Eine Meinung von Maurice Guss
In Osnabrück ist Pistorius natürlich kein Unbekannter, dennoch ein kurzes Porträt: Der 62-Jährige absolvierte eine Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann, leistete von 1980 bis 1981 seinen Wehrdienst, studierte anschließend Rechtswissenschaften in Osnabrück und Münster. Von 2006 bis 2013 war er Oberbürgermeister von Osnabrück, ehe es ihn ins Chefbüro des Innenministeriums des Landes Niedersachsen zog, vor wenigen Monaten begann seine dritte Amtszeit. Sein Direktmandat verteidigte er mit sicherem Vorsprung. Pistorius ist verwitwet und hat zwei Töchter.
Auf Kommunal- und Landesebene folgt nun also der Bundesposten – ein logischer Schritt? Pistorius wurden immer wieder Ambitionen auf ein Bundesamt nachgesagt, so gab es etwa Spekulationen, er könnte Bundesinnenminister werden, sofern die jetzige Amtsinhaberin Nancy Faeser bei der Landtagswahl im Herbst in Hessen als Spitzenkandidatin für die SPD antritt. Der Schritt ins Kabinett folgt nun schon deutlich früher, wenn auch auf anderem Posten.
Vier (fünf) Argumente für Pistorius
Ob es Pistorius wirklich gelingt, Ruhe in das Verteidigungsministerium einkehren zu lassen, wird sich noch zeigen müssen, aber: Argumente, dass er der Richtige sein könnte, gibt es einige.
1. Politische Konstanz
Sahen sich seine Vorgängerinnen im Verteidigungsministerium noch permanent berechtigten Vorwürfen gegenüber und standen quasi allzeit kurz vor dem Rücktritt, verspricht Pistorius Karriere mehr Beständigkeit: sechs Jahre Oberbürgermeister in Osnabrück, dann der direkte Sprung ins Niedersächsische Innenministerium. Neun Jahre Innenminister, dann der direkte Sprung ins Bundeskabinett. Nicht nur gemessen an der Dauer seiner Amtszeiten hält sich der Osnabrücker stabil, auch die Bürgerinnen und Bürger hielten konstant zu ihm und wählten ihn wieder und wieder. Ab jetzt wird der Fokus auf Pistorius noch stärker werden und die kritischen Nachfragen sich nochmals mehren – die Grundlage für mehr Konstanz im vakanten Amt ist aber gegeben.
2. Gute Vernetzung innerhalb seiner Partei
Pistorius gehört dem SPD-Parteivorstand an, gilt zudem als erfahrener Polit-Manager. Er ist gut vernetzt innerhalb seiner Partei – und auch innerhalb der zerstrittenen Ampel-Regierung. Zwar blieb Pistorius gemessen an seinen Ämtern stets in Niedersachsen, dennoch war er an der innenpolitischen Positionierung der Bundes-SPD und an den Koalitionsverhandlungen beteiligt.
3. Beliebtheit
Auf gleich zwei Ebenen lässt sich Pistorius Beliebtheit verdeutlichen: Zahlenmäßig an den stets guten und konstanten Wählerstimmen, die er in seinem Wahlbezirk in der Stadt Osnabrück erreichte, verbal an den Aussagen anderer Politiker. So bezeichnete Kanzler Olaf Scholz sein neues Kabinettsmitglied als einen „herausragenden Politiker unseres Landes“ und als „äußerst erfahrenen Politiker, der verwaltungserprobt ist, sich seit Jahren mit Sicherheitspolitik beschäftigt und mit seiner Kompetenz, seiner Durchsetzungsfähigkeit und seinem großen Herz genau die richtige Person ist, um die Bundeswehr durch diese Zeitenwende zu führen“. Osnabrücker halten eben zusammen! Im Kreise der Landesinnenminister hat sich Pistorius zudem den Ruf als kenntnisreicher Politiker erworben, der als schlagfertig, aber stets respektvoll gilt.
4. Alter
Muss es eine Frau sein oder darf es doch auch ein “alter weißer Mann“ werden, solange er Kompetenzen mitbringt? Natürlich darf bei der Besetzung eines vakanten Postens in Deutschland eine Quoten-Diskussion nicht fehlen. Und siehe da: Die Geschlechterparität im Kabinett ist gebrochen, es wurde der Mann im fortgeschrittenen Alter. Verbunden ist das nicht nur mit Erfahrung, sondern einem weiteren Vorteil für Pistorius. Mit 62 Jahren kann man schon mal in ein Chefbüro auf Bundesebene ziehen, das als Schleudersitz und somit auch als Karrierkiller gilt. Der Routinier wird sich dessen bewusst sein – und (siehe die weiteren Gründe für ihn) es besser machen als seine Vorgänger.
5. Schlimmer geht nimmer
Apropros schlechter machen: Um das mit Klammer versehene fünfte Argument für Pistorius zu erklären, braucht es nur einen Satz und ein Augenzwinkern. Mit Boris kann’s nur besser werden, schlechter als unter seinen Vorgängerinnen geht’s nicht mehr. Immerhin hat er seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr geleistet.
Die stärkste Stadt im Kabinett: Osnabrück
Boris Pistorius wird neuer Verteidigungsminister – und auch wenn es ein schwieriger Posten ist, gibt es gute Argumente, warum es der Osnabrücker besser machen wird. Seine Ernennung, die am Donnerstag (19. Januar) ansteht – Pistorius wird dann seine Ernennungsurkunde vom Bundespräsidenten erhalten und im Deutschen Bundestag seinen Amtseid leisten – hat noch eine weitere Folge: Keine Stadt ist dann so stark im Bundeskabinett vertreten wie Osnabrück – neben Pistroius wurde auch Kanzler Olaf Scholz in der Hase- und Friedensstadt geboren.
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