Die Alternative für Deutschland (AfD) ist in Osnabrück schwach wie kaum woanders in Deutschland – und wird dennoch zukünftig im Stadtrat vertreten sein. Was erwartet die Stadt mit einem Rechtspopulisten im Rathaus?
Bundesweit hat sich die AfD nach ihrer Gründung 2013 schnell etabliert. Nachdem sie in ihrem Gründungsjahr noch knapp an der 5%-Hürde scheiterte, wurde die AfD in der nun endenden Legislaturperiode gleich zur stärksten Oppositionspartei im deutschen Parlament. Obwohl die Partei bei der jüngsten Wahl wieder Prozente verlor, scheinen sich die Rechtspopulisten bundesweit zu etablieren – besonders im Osten Deutschlands, wo die Partei viele Direktmandate gewinnen konnte und teilweise zur neuen stärksten Kraft wurde.
In der Stadt Osnabrück ist die Geschichte der AfD hingegen weitgehend erfolglos und eher von Rücktritten und Streitigkeiten im Vorstand geprägt. Doch: Nachdem 2017 noch die nötigen Unterstützerunterschriften fehlten, konnte die AfD 2021 aufgrund ihrer Präsenz im Bundestag erstmals in der Stadt zur Kommunalwahl antreten – und erhielt 1,92 Prozent aller Stimmen.
AfD vergisst die Jugend und unterschätzt BOB
„Der Kreisvorstand hat in Anbetracht der immer wieder fallenden Umfragewerte in der Stadt Osnabrück mit ein bis zwei Mandatsträgern gerechnet“, sagt Adrian Maxhuni, stellvertretender Vorsitzender des AfD-Kreisverbandes Osnabrück und Mitglied im Bundesvorstand der Jungen Alternative für Deutschland. Ergattern konnten die Rechtspopulisten am Ende einen Platz im Stadtrat, für eine eigene Fraktion ist das nicht ausreichend.
So ganz zufrieden scheint man damit nicht zu sein, oder wie es Maxhuni formuliert: „Die AfD Osnabrück hat vernachlässigt, dass auch Jugendliche ab einem Alter von 16 Jahren an der Wahl teilnehmen durften und entsprechende Positionen im Wahlprogramm zu kurz kommen lassen. Wir müssen eingestehen, eine Erstwählerkampagne nicht durchgeführt zu haben.“ Gleichzeitig habe man die Konkurrenz durch Unabhängige, zum Beispiel der Wählergruppe Bund Osnabrücker Bürger (BOB), zu sehr unterschätzt. Die Folge: Da nicht erkennbar ist, dass andere Mandatsträger mit der AfD eine Gruppe bilden wollen, bleibt den Populisten die Bildung einer Koalition im Stadtrat verwehrt.
Wer ist der neue Mann im Rathaus?
Dennoch will die Partei im Stadtrat Präsenz zeigen. Zentrale Figur der städtischen AfD dürfte in Zukunft ihr Vertreter im Stadtrat, Viktor Jersch, werden. Jersch ist politisch bisher kaum in Erscheinung getreten, auch bei Social Media findet sich nur wenig zum neuen Gesicht im Rathaus. Geboren wurde der als selbstständiger Kaufmann tätige Jersch 1968, mit seiner Frau hat er ein Kind. Er gehört der evangelisch-lutherischen Kirche an und geht in seiner Freizeit dem Sport nach. Nach eigenen Angaben strebt der erst seit diesem Jahr in der AfD tätige Jersch keine weiteren Ämter innerhalb der Partei an.
Tempo 30 abgelehnt
Zum künftigen Profil der AfD in der Stadt Osnabrück verrät Maxhuni: „Der Vertreter der AfD wird vorrangig die Beschlüsse des Rates kritisch begleiten und den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Osnabrück zugänglich machen. Wichtige Themen, die in die Öffentlichkeit getragen und diskutiert werden sollen, ist die Causa rund um den Neumarkt, etwaige Ausweitung der Tempo 30-Zonen und die Bebauung des „Grünen Fingers“. Diese Vorhaben lehnt die AfD strikt ab. Rund um den Neumarkt wird der Einzelvertreter sich dafür einsetzen, dass es nicht zur weiteren Verschwendung von Steuergeldern kommt. Auch wird eine autofreie Zone in diesem Bereich abgelehnt.“
„Zugleich unterstützt die AfD Vorhaben, die den Erhalt des dreigliedrigen Schulsystems in Osnabrück, also die Haupt- und Realschulen sowie die Gymnasien, erhalten. Investitionsmittel zur Ausweitung der Kulturförderung, wie es beispielsweise in der Vergangenheit zwischen der Stadt und der Hochschule Osnabrück stattgefunden hat, werden ebenfalls ausdrücklich begrüßt und unterstützt“, fährt Maxhuni fort.
Wo genau Viktor Jersch im künftigen Stadtrat platziert wird, ist übrigens noch unklar. Im vergangenen Stadtrat war von der aus dem Bundestag bekannten Links-Rechts-Ordnung abgewichen worden, ganz links saßen beispielsweise die Grünen anstelle der Linken.
Klappt es diesmal mit einem Ortsverband?
Derweil plant der AfD-Kreisverband Osnabrück nach wie vor die Gründung des Ortsverbandes Osnabrück-Stadt, um die Präsenz vor Ort nachhaltig zu steigern. Bisherige Versuche waren gescheitert. „Eine Kampagne ist bereits jetzt geplant, um den Bürgern der Stadt Osnabrück zu zeigen, wofür wir als AfD vor Ort stehen. Für junge Wählerinnen und Wähler soll zudem ein attraktives politisches Angebot gemacht werden. Hierzu berät derzeit unsere Jungendorganisation, die Junge Alternative Niedersachsen“, ergänzt Maxhuni.
Landesweiter Abwärtstrend kann nicht gebrochen werden
Bei der Bundestagswahl am 26.09.2021 trat die AfD erstmals mit einem Direktkandidaten an. Florian Meyer konnte sich jedoch nicht gegen teils namhafte Konkurrenz aus verschiedenen Parteien durchsetzen und auch die AfD selber blieb auch bei der Zweitstimme unter der 5%-Hürde. Trotz Unterstützung des Wahlkampfes im Stadtgebiet, unter anderem mit 27 Großflächenplakaten, konnte der in ganz Niedersachsen zu beobachtende Abwärtstrend nicht gebrochen werden. Der Kreisvorstand habe mit einem Ergebnis von rund fünf Prozent gerechnet, so Maxhuni, am Ende wurden es 4,6.
In der Gesamtauswertung sei nach Ansicht des Vorstandes klar: „Streit und mangelnde Geschlossenheit, die durch einzelne fabriziert worden waren, haben uns in der Wählergunst Verluste beschert. Wir als Kreisvorstand konnten beobachten, dass wir als AfD überall dort erfolgreich waren, wo wir Geschlossenheit, Entschlossenheit und ein ausgefeiltes Wahlprogramm präsentiert haben. So können wir neben dem Kreistag Osnabrück auch in der Samtgemeinde Bersenbrück eine neue AfD-Fraktion gründen. Diesen Erfolg ins Stadtgebiet zu übertragen, wird für uns als Kreisvorstand in den kommenden Monaten und Jahren eine wichtige Rolle spielen“, sagt Maxhuni abschließend.
Hinweis/Korrektur: In einer ersten Fassung dieses Artikels wurde fälschlich behauptet, dass die AfD gleich in der ersten Bundestagswahl nach ihrer Gründung zur stärksten Oppoisitionspartei im Bundestag wurde, tatsächlich scheiterte sie 2013 noch an der 5%-Hürde. Die AfD hat – obwohl sie wohl keinen Partner im Rat finden wird – mit ihrem einen Ratsmitglied eine Stimme bei allen Abstimmungen im Stadtrat, auch das wurde nicht korrekt dargestellt. Wir bitten unsere Leser für diese Fehler um Entschuldigung