Das weit über die Grenzen der Friedensstadt bekannte Spieltriebe-Festival des Theaters Osnabrück feiert in diesem Jahr seine zehnte Ausgabe und präsentiert sich nach 20 Jahren in völlig neuer Form. Weniger Spielstätten, mehr Exklusivität und ein neuer Festivalzeitraum sollen für eine frische Dynamik sorgen.
Vier statt fünf Routen
Statt bisher fünf gibt es nun nur noch vier Routen sowie vier statt zehn auswärtige Spielstätten. Zudem wird das Festival erstmals nicht im Herbst, sondern im Mai und Juni veranstaltet – die besseren Wetteraussichten sollen die Festival-Atmosphäre unterstützen. Intendant Ulrich Mokrusch betonte beim Pressetermin am Mittwoch (29. Januar) außerdem, dass die Stücke ausschließlich während des Festivals zu sehen sind und nicht, wie in den vergangenen Jahren, später in den regulären Spielplan übernommen werden. Dies ermögliche es den Kreativteams, ihre Produktionen gezielt auf die jeweiligen Spielorte auszurichten. „Es ist alles exklusiv, was uns auch die Planung und Disposition erleichtert“, so der Intendant. Erstmals sind zudem Gastspiele eingeladen.
Mit Shuttlebus durch die Stadt
Das Festival findet an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden statt, am 30. und 31. Mai sowie am 7. und 8. Juni. Zum Auftakt wird im Theater am Domhof das interdisziplinäre Stück „Balkan Express“ präsentiert, bei dem Schauspiel, Oper, Ballett, Orchester und eine Rockband mitwirken. Danach geht es per Shuttlebus weiter zu den anderen Spielstätten: das Sharehaus Friedenskirche, die Baracke 35 im Landwehrviertel, die Werkstätten des Theaters und der Club Holy Poly. Im Ticketpreis enthalten sind sowohl der Transfer als auch ein Snack zwischendurch. Das Programm beginnt um 17:00 Uhr und endet um 22:00 Uhr mit einer Party im Innenhof des Theaters. Thematisch widmet sich das Festival in diesem Jahr dem Balkan.
Zusätzlich gibt es erstmals das Rahmenprogramm „Spieltriebe Plus“, das zwischen den beiden Festivalwochenenden stattfindet. Geplant sind unter anderem Lesungen im Garten des Café Felka sowie im emma-theater.
So sieht das Programm aus
Balkan Express
Spartenübergreifendes Musiktheater-Projekt
Spielort: Theater am Domhof
Das Theater Osnabrück setzt sich in den Balkan Express und begibt sich auf eine Zeitreise ins ehemalige Jugoslawien: von den Utopien und Mythen der Gründung als blockfreier Staat zwischen Ost und West bis zum Zerfall in einzelne Nationalstaaten und der vierjährigen Belagerung von Sarajevo. Der Bogen wird gespannt mit Schlagern, Balkan Brass Bands, Rockmusik, großer Oper, sinfonischer Musik und nicht zuletzt mit Gedichten des bosnischen Dichters Faruk Šehić.
Was bleibt, ist ein sehnsüchtiges Erinnern an einen gemeinsamen Traum, der den Umbrüchen der Weltgeschichte und inneren Widersprüchen nicht standhalten konnte. Ein musikalischer und literarischer Streifzug, der gemeinsam mit Tanz, Oper, Orchester, Band und Schauspieler:innen in ein vergangenes Land reist, dass für viele noch als Mythos weiterlebt.
ROT: Route 1 und 2
Balkan Ballerinas
PLATFORM 13
Tanzperformance aus Rumänien
Spielort: Sharehaus Friedenskirche
Balkan und Ballerina – beide Begriffe assoziieren wir mit bestimmten Bildern. Wir glauben zu wissen, was dahintersteckt und verallgemeinern für eine ganze Region/Berufsgruppe. Diese Klischees und westlichen Identitätsstereotypen inspirieren die Balkan Ballerinas. Sie durchbrechen geografische, politische und kulturelle Grenzen und verorten den Körper als Übergangszone zwischen der osteuropäischen Identität und dem Blick darauf. Stolz trifft auf Scham, Vergangenheit auf Gegenwart, Folklore auf Rave und Ballett auf Manele. Ein rhythmischer Melting Pot entsteht, der humorvoll in die Tiefen geht.
Baracke 35
DEMJAN DURAN
Deutsch-serbisches Rechercheprojekt
Spielort: Baracke 35
Im Osnabrücker Landwehrviertel steht ein Gedenkort, der an eine recht unbekannte Gruppe der Opfer der NS-Zeit erinnert. 1941 wurden hier bis zu 5.000 Offiziere in 22 Baracken aus dem gesamten südosteuropäischen Raum, aber vor allem aus Serbien interniert. Nach ihrer Freilassung 1945 sind etliche von ihnen in Osnabrück geblieben und haben hier die ser bische Gemeinde aufgebaut. In einem dokumentarischen Theaterprojekt begibt sich der Regisseur Demjan Duran auf Spurensuche. Wie haben die Menschen dort gelebt? Welche Verknüpfungen gibt es in die Gegenwart? Das Projekt ist in Zusammenarbeit mit dem Verein der Baracke 35 und den Nachfahren der Gefangenen entstanden.
BLAU: Route 3 und 4
Sex Education II: Fight
SLOVENSKO MLADINSKO THEATER
Lecture-Performance aus Slowenien, in slowenischer Sprache mit deutschen Untertiteln.
Spielort: Dekorationswerkstätten des Theater Osnabrück
Sex Education II: Fight rekonstruiert den Kampf der Frauen, über Sexualität und Fortpflanzung in Jugoslawien, frei zu entscheiden. Anhand von privaten Biografien und
politischen Dokumenten wird eine Geschichte der jugoslawischen Frauenbewegung erzählt: von der Möglichkeit eines sicheren Schwangerschaftsabbruchs bis hin zur Legalisierung und Verbreitung von Verhütungsmitteln. Sex Education II: Fight erinnert daran, wie das beharrliche Engagement früherer Generationen für körperliche Selbstbestimmung und sexuelle Rechte den Weg für progressive Vorstellungen von Liebe, Lust und Sexualität ebnete.
Ausgehen
BARBI MARKOVIĆ
Serbisch-ddeutsche Theater-Tanzproduktion
Spielort: Holy Poly
2006 veröffentlichte Barbi Marković einen Remix von Thomas Bernhards Gehen (1970). Marković folgt Bernhards Duktus Wort für Wort und überträgt diesen in ein eigenständiges und rhythmisches Porträt der Belgrader Clubkultur in den 2000ern. Exklusiv für die Spieltriebe inszeniert die serbische Regisseurin Tara Manić eine deutsche Rückübersetzung mit der Dance Company sowie dem Schauspiel Ensemble. Im Osnabrücker Technoclub Holy Poly trifft der Text auf elektronische Beats – denn gefeiert wird überall.