Die Osnabrücker Zoogesellschaft hat ein neues Präsidium gewählt – doch die Krise, in der sich der Osnabrücker Zoo seit diesem Sommer befindet, ist damit nur unter Vorbehalt abgewendet – was tatsächlich zu dem Zerwürfnis zwischen Präsidium und Geschäftsführer führte, erfuhren die Mitglieder der Zoogesellschaft nur am Rande.
Unterschiedliche Rechtsgutachten kursierten schon Tage vor der Mitgliederversammlung, ob in der Hauptversammlung im August überhaupt Beschlüsse gefasst werden durften und ob diese überhaupt Gültigkeit erlangt haben.
Nachdem Zoopräsident Reinhard Sliwka in der Versammlung am 21. August überraschend das Vertrauen entzogen worden war, sprang bekanntlich Dr. Fritz Brickwedde ein und wurde für vier Jahre gewählt. Der CDU-Politiker will nach eigenem Bekunden das Amt aber nur so lange ausführen, bis wieder Ruhe im Zoo eingekehrt ist, an dem erst kürzlich die Stadt Osnabrück ihren Anteil von 5% auf 25% erhöht hat und in den sie in den kommenden Jahren einen Millionenbetrag zuschießen will.
Gericht könnte alle getroffenen Entscheidungen für nichtig erklären
Eine von bislang öffentlich nicht bekannten Klägern angestrengte Klage könnte dazu führen, dass wegen formeller Mängel sowohl die im August getroffenen Beschlüsse, darunter die Übernahme der Zoopräsidentschaft durch Fritz Brickwedde, aber auch alle am Mittwochabend getroffenen Mitgliedsentscheidungen nichtig sind.
Eindringlich warnte das langjährige Mitglied der Zoogesellschaft, der Osnabrücker Anwalt Moritz Gallenkamp, vor diesem Damoklesschwert und forderte Brickwedde dazu auf, den Abend stattdessen für ein reinigendes Gewitter zu nutzen und von potentiell unwirksamen Beschlüssen abzusehen.
Unter Einbeziehung des bisherigen Präsidiums hätte, so der Vorschlag des Anwalts Gallenkamp, binnen weniger Wochen eine juristisch dann nicht anfechtbare Versammlung einberufen werden können, um eine über jeden Zweifel erhabene Beschlusslage zu erhalten.
Der vom neuen – womöglich nicht rechtssicher gewählten – Zoopräsidenten Brickwedde als Gutachter beauftragte Rechtsanwalt Tjark Symalla erklärte, dass er keine Zweifel an der korrekten Wahl im August habe. Sollte jedoch ein Gericht zu einer anderen Entscheidung kommen, sei die Sachlage dann aber tatsächlich so wie von seinem Anwaltskollegen Gallenkamp beschrieben.
Fritz Brickwedde wollte allerdings seine vorbereitete Agenda durchgesetzt wissen und verfolgte hartnäckig das Ziel, (s)ein neues Präsidium gewählt zu bekommen. Nach der Abwahl Sliwkas im August hatten auch die weiteren Präsidiumsmitglieder ihren Rücktritt erklärt – diese Lücke sollte geschlossen werden.
Dass der damalige Zoopräsident Reinhard Sliwka im August keine Mehrheit bekommen hatte, stand außer Frage, aber war auch das restliche Präsidium nicht mehr im Amt? Auch hierzu wurden vor mehr als 400 Mitgliedern unterschiedliche Rechtsauffassungen diskutiert. Da es in der Satzung eine Übergangsklausel bis zur Neuwahl gibt, wähnten sich die Präsidiumsmitglieder nach wie vor im Amt.
Für Brickwedde schien die Sache nach der turbulenten August-Sitzung anders zu sein und auch für diese Ansicht hatte er ein juristisches Gutachten parat. Versuche des Altpräsidiums, sich noch im August mit Brickwedde im Rahmen einer offiziellen Präsidiumssitzung zu treffen, wurden mit Verweis auf die andere Rechtsauffassung bis zur Versammlung am Dienstagabend abgelehnt.
Neues Präsidium ist deutlich „bunter“
Im Kontrast zum bisherigen Präsidium mit dem Juristen Reinhard Sliwka, der Tierärztin Karin Bruchhausen, der Finanzfachfrau Dr. Claudia Haarmann und dem Unternehmer Wolfgang Schenk wurde im weiteren Verlauf des Abends ein deutlich bunteres Gremium gewählt, dem neben dem Politiker und ehemaligen DBU-Chef Dr. Fritz Brickwedde und dem als Schatzmeister bereits im August gewählten Unternehmer Michael Wendt nun auch der Anwalt Dr. Marco Athen, der als Charity-Langläufer bekannte John McGurk und die Konditorin Diana Coppenrath als Vizepräsidentin angehören.
Wendt, Athen und McGurk sind allesamt erst seit wenigen Wochen Mitglied der Zoogesellschaft.
Keine Gegenkandidaten aus den Reihen der Kritiker
Weder ehemalige noch zuvor durch kritische Wortbeiträge aufgefallene Vereinsmitglieder wollten, trotz Wahlvorschlag aus dem Publikum, gegen die zuvor ausgesuchten Kandidaten und unter einem Präsidenten Fritz Brickwedde zur Wahl antreten – so fand die Präsidiumswahl und die anschließende Wahl von zwei Kassenprüfern und zwei Beiratsmitgliedern ohne Gegenkandidaten statt.
Keine Aussprache über Gründe des Zerwürfnisses mir Alt-Präsidium
Wer gemeint hatte im Verlauf der bis weit nach 22 Uhr dauernden Versammlung Hintergründe zu dem Zerwürfnis zwischen dem alten Präsidium und dem Zoo-Geschäftsführer Andreas Busemann zu hören, wurde enttäuscht. Nicht zuletzt die von Fritz Brickwedde vorgelegte Tagesordnung ließ keinen Raum für eine ins Detail gehende Aussprache – obgleich Brickwedde in seinem Eingangsstatement dazu aufgefordert hatte, im Interesse des Zoos wieder zueinander zu finden.
Fast schon am Rande der in weiten Teilen um juristische Fragestellungen kreisenden Wortbeiträge aus dem Publikum, konnte Ex-Präsident Reinhard Sliwka seine menschliche Enttäuschung über Geschäftsführer Andreas Busemann zum Ausdruck bringen.
Busemann rekapitulierte seinerseits die über die vergangenen zwei Jahre immer mehr von Misstrauen geprägte Arbeit des Aufsichtsrats und dass er zur Problemlösung auch seinen eigenen Rücktritt angeboten habe, um so auch die Präsidentschaft Sliwkas zu retten – jedoch ohne dass dieses Angebot vom Präsidium aufgenommen worden sei.
Mehr als 50 Neumitglieder binnen 48 Stunden vor Versammlung im August
Immer wieder flammte in einzelnen Redebeiträgen das Unbehagen auf, dass die Abwahl Sliwkas durch den massenhaften Eintritt von Neumitgliedern begleitet und befördert wurde.
Anders als bislang bekannt, hatte der damalige Zoopräsident Sliwka noch am 15. August von der zuständigen Zoomitarbeiterin die Auskunft erhalten, es habe keine Neueintritte gegeben.
Erst am 19. August, und dann wegen einiger Familienmitgliedschaften auch mit mehr als 70 Stimmrechten, kam es zu der „Eintrittswelle“.
Die weniger als 48 Stunden vor der Jahreshauptversammlung eingetretenen Neumitglieder stammen überwiegend aus der Familie, der Firma und dem Umfeld des Dienstleisters, der am Zoo-Eingang die Besucher fotografiert. Auf die Aufforderung von Rainer Sliwka, dass der Chef des Unternehmens sich doch öffentlich erklären solle, warum er die Mitgliedschaften verschenkt habe, schwieg dieser jedoch.
Nach unserer Redaktion vorliegenden Informationen soll der Fotodienstleister dem Aufsichtsrat zuvor wegen seiner schlechten Zahlungsmoral aufgefallen sein. Nachdem die ausstehende Pachtschulden beglichen waren, erwarb dieser für rund 5.000 Euro (so die Rechnung eines Mitglieds der Zoogesellschaft, die in ihrem Redebeitrag die Verwunderung über den Vorgang auf den Punkt brachte) die Mitgliedschaften für sein Umfeld.
Wurde der Pachtvertrag mit dem Fotodienstleister dem Aufsichtsrat nicht vorgelegt?
Einem Teil der Vereinsmitglieder dürfte ein Dialog entgangen sein, der sich zwischen dem Alt-Präsidium und Andreas Busemann entwickelte und in dem diesem vorgeworfen wurde, dass der Geschäftsführer den Pachtvertrag zwischen der Firma Foto VIP und dem Zoo Osnabrück ohne Einbeziehung des Präsidiums geschlossen habe, weil derartige langlaufenden Verträge nicht ohne Einbeziehung des Aufsichtsrats beschlossen werden dürften.
Kritische Themen wurden nicht angesprochen
Weitere Reizthemen, wie das geplante Sabbatical einer leitenden Mitarbeiterin und die beiden Beraterverträge der Lebensgefährtin des Zoogeschäftsführers mit dem Zoo blieben außen vor und sollen wohl auch nicht mehr öffentlich diskutiert werden.
Die Information der Mitglieder über das weitere Vorgehen bei der anstehenden Neubesetzung der Stelle des Zoodirektors wurde wegen des fortgeschrittenen Abends auf eine zukünftige Mitgliederversammlung verschoben. Zoopräsident Fritz Brickwedde versprach, hier in keinem der kleineren Gremien eine Vorabentscheidung zu treffen, ohne die Mitgliedschaft über die Optionen informiert zu haben und die Möglichkeit zur Diskussion zu geben.
Kommentar des Redakteurs
„Vermutlich ist es besser, dass an diesem Abend keine schmutzige Wäsche gewaschen wurde.“ Ein Großteil der Mitglieder der Zoogesellschaft mag so gedacht haben und vielleicht haben sie recht. Allerdings hätte ein klärendes Gewitter durchaus auch helfen können einen sauberen Neuanfang zu starten, dafür fehlte Fritz Brickwedde leider der Mut.
In mehreren Hintergrundgesprächen hat unsere Redaktion mit den Betroffenen über die im Raum stehenden Vorwürfe und Streitpunkte gesprochen. Tatsächlich halten viele, wenn nicht sogar alle hinter vorgehaltener Hand als Skandal gewertete Angriffspunkte einer genaueren Prüfung nicht stand und haben sich in den vergangenen Monaten nur deshalb zu Streitpunkten entwickelt, weil Präsidium und Geschäftsführung einfach nicht gut miteinander kommuniziert haben. Manch eine Entscheidung des Zoogeschäftsführers war auch vielleicht unglücklich, aber mit Alpha-Männchen sollte man sich im Zoo auskennen.
Nur ein wirklicher Skandal bleibt bestehen: Der Angriff auf die Mitgliederversammlung im August durch die überaus kurzfristige Anmeldung von mehr als 50 Neumitgliedern – soweit bekannt fast vollständig aus dem Dunstkreis eines vom Zoo abhängigen Unternehmers.
Fritz Brickwedde hat angekündigt, dass mit einer Satzungsänderung in Zukunft eine Karrenszeit eingeführt werden soll, während der zukünftige Neumitglieder kein Stimmrecht haben werden; das ist gut so!
Allerdings sollte das neue Präsidium und das Rechnungsprüfungsamt der Stadt nun auch einen genauen Blick auf das bisherige und zukünftige Geschäftsgebaren des Unternehmers werfen, der womöglich zum Ziel hatte mit Neumitgliedschaften ein für ihn als besser erwartetes wirtschaftliches Umfeld zu erzwingen – dieser Vorwurf steht jedenfalls im Raum.
Der Unternehmer wurde von Reinhard Sliwka gebeten, sich öffentlich zu erklären, er zog es vor, dazu zu schweigen. Nun ist es an der Zeit, dass die dafür zuständigen Rechnungsprüfer und der Aufsichtsrat erkunden, was der Hintergrund dieser Aktion war.
Den Mitgliedern des neuen Präsidiums kann man nur viel Glück und vor allem eine bessere Kommunikation mit Verwaltung und Geschäftsleitung des Zoos wünschen – letztlich geht es um die Tiere, aber auch um die ohne jeden Zweifel Tag für Tag eine gute Arbeit leistenden Mitarbeiter des Zoos und um die größte touristische Attraktion der Stadt!
Reinhard Sliwka und die anderen Mitglieder des ehemaligen Präsidiums haben einen Abgang bekommen, den sie nicht verdient haben.
Es wird sich zeigen, ob das neue Präsidium auch derart engagiert und vor allem auch genauso fachkundig agieren kann.