„Mensch Stephan, wir kommen hier nicht vom Flughafen weg, kannst Du uns nicht abholen?“
Solche oder ähnliche Anrufe gibt es rund um den Osnabrücker Flughafen FMO sicher häufiger. Meist nach einem Kurztrip nach Mallorca oder einer Geschäftsreise nach München, Rio oder Tokio.
Ende Mai rief Osnabrücks Stadtbaurat den Mobilitätsvorstand der Stadtwerke an, denn auch Frank Otte glaubte, er sei am FMO gestrandet – war er aber nicht, wie sich inzwischen herausstellte.
Eine erste Bestandsaufnahme zum „Bus-Gate“ von Heiko Pohlmann
Ob es am 23. Mai den fiktiven obigen Wortlaut gegeben hat, oder Stadtbaurat Frank Otte vielleicht auch etwas fordernder gegenüber Stadtwerke-Vorstand Dr. Stephan Rolfes wurde, ist nicht bekannt. Allerdings gilt inzwischen als sicher, dass Rolfes nach telefonischer Aufforderung durch den Stadtbaurat – obwohl zu diesem Zeitpunkt bei den Stadtwerken Osnabrück nur noch die für die Aufrechterhaltung des fahrplanmäßigen Fahrbetriebs notwendigen Kapazitäten verfügbar waren – einen Linienbus samt Fahrer aus dem regulären Fahrbetrieb herausnahm und an den 35 Kilometer entfernten Flughafen FMO beorderte.
Wie kam es zu der ungewöhnlichen Bus-Bestellung? Nach umfangreichen Recherchen der Lokalzeitung NOZ waren am Montag, den 23. Mai, mehrere Dutzend hochrangige städtische Führungskräfte zu einem halbtägigen internen Meeting zum Osnabrücker Heimatflughafen FMO gefahren.
Dafür wurde im Vorfeld ein Reisebus bei einem privaten Unternehmen gechartert, der bis zur für den Abend geplanten Abholung auf einem nahegelegenen Parkplatz auf die Leistungsträger der Verwaltung und der städtischen Eigenbetriebe wartete.
Bus wartete nicht direkt am Terminal, wurde jedoch bald gefunden
Gegen 20:30 Uhr, so die Recherchen der NOZ, strömten die Verwaltungsfachleute aus dem Terminal, in dem auch die Seminarräume untergebracht sind, und wollten in den Bus steigen, der jedoch nicht in der nur für das Ein- und Aussteigen zugelassenen Abholzone gewartet hatte, sondern – und das soll vorher so vereinbart gewesen – auf oben bereits erwähntem Flughafenparkplatz wartete.
Schließlich muss wohl ein Teilnehmer der Verwaltungstruppe auf die Idee gekommen sein, doch mal im überaus überschaubaren FMO-Umfeld nach dem Bus zu schauen. Mit rund einstündiger Verspätung ging es dann für die meisten Verwaltungsmitarbeiter im genau für diesen Zweck bestellten Charter-Reisebus zurück nach Osnabrück.
Otte organisierte zwischenzeitlich eine Extratour bei den Stadtwerken
Statt im Flughafenumfeld zu suchen oder telefonisch sich beim privaten Busunternehmen nach der Abholung zu erkundigen, soll aber Stadtbaurat Frank Otte seine ganz eigene Problemlösung vorangetrieben haben.
Frank Otte, das gilt inzwischen als gesichert, rief trotz später Stunde Stadtwerke-Mobilitätsvorstand Dr. Stephan Rolfes an und löste das aus, was über das Wochenende bereits in den Sozialen Medien als „Bus- oder FMO-Gate“ bezeichnet wurde.
Kunden der Stadtwerke wurden im Regen stehen gelassen
Trotz bekannt knapper Personalkapazitäten und dem Umstand, dass die Stadtwerke Osnabrück nach 20:00 Uhr lediglich noch den Abendverkehr abwickeln um dann erst wieder in den frühen Morgenstunden auch personell wieder voll verfügbar zu sein, organisierte Dr. Rolfes einen Flughafentransfer, indem er kurzerhand einen Bus samt Fahrer aus der Metrobuslinie 1 (Haste – Düstrup) abkommandierte und auf die Autobahn gen Greven schickte.
Für mehr als zwei Stunden (von 21.22 bis 23.46 Uhr) wurden die Fahrgäste nicht nur sprichwörtlich im Regen stehen gelassen – laut der Wetteraufzeichnung des Portals timeanddate regnete es an diesem Abend im Mai tatsächlich.
Die meisten der städtischen Führungskräfte waren schon weg
Als schließlich der aus dem Linienverkehr abgezogene Stadtbus nach seiner Überlandfahrt endlich am FMO ankam, soll nur noch ein versprengtes Häuflein auf die Sonderfahrt gewartet haben. Die meisten Kollegen von Frank Otte waren da bereits mit dem eigens gecharterten Reisebus – so wie geplant –unterwegs nach Osnabrück, denn irgendwann hatte wohl jemand aus der Riege der Führungskräfte den Bus auf dem überschaubaren Gelände des FMO ausgemacht.
Hintergrund: Wie arbeiten Stadtbaurat und Mobilitätsvorstand zusammen?
Was ist das eigentlich für ein Verhältnis zwischen Stadtbaurat und Mobilitätsvorstand der Stadtwerke?
Beide, Frank Otte wie Dr. Rolfes haben einen Vorstandsposten inne. Bei beiden Personalien gehörte das Parteibuch bzw. die Nähe zu einer Partei mit zu den informellen Einstellungskriterien. Während Otte der Mann der Osnabrücker Grünen ist, gilt Dr. Rolfes als SPD-Mann. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass die Reaktionen der Kommunalpolitik auf diesen Vorfall stark parteipolitisch geprägt sein werden. Unsere Redaktion hat bereits am Samstag um Stellungnahmen bei den Ratsfraktionen nachgefragt, doch die großen Parteien verhielten sich am Wochenende noch ruhig.
Für eine formaljuristische Betrachtung dürfte interessant sein, dass die Stadtwerke ein im Eigentum der Stadtverwaltung befindliches Unternehmen sind, mithin ist Dr. Rolfes so etwas wie der Chef eines Tochterunternehmens der Stadt Osnabrück, wo wiederum Frank Otte einen Chef- und Vorstandsposten hat.
Ohne Zustimmung von Frank Otte kann Dr. Rolfes nichts machen
Nahezu alle Projekte, die der Stadtwerke-Mobilitätsvorstand realisieren will, stehen in direkter Abhängigkeit des Stadtbaurats.
Als oberster Hüter über alle Bau- und Verkehrs-Aktivitäten der Stadt Osnabrück kann Frank Otte jeden Bauantrag – sei es für eine neue Werkstatthalle auf dem Stadtwerkegelände, die für die Elektrifizierung notwendigen Ladestationen oder für den Umbau des Busbahnhofs auf dem Neumarkt – nach eigenem Gutdünken befördern oder auch ausbremsen.
Auch bei der Mittelbeschaffung, insbesondere bei den für die Stadtwerke-Busflotte wichtigen Fördergeldanträgen, zum Beispiel für die Busbeschleunigung, kommt Dr. Rolfes nicht am Stadtbaurat vorbei – kein Wunder, dass es im Fotoarchiv der HASEPOST mehr als ein Dutzend Fotos gibt, bei dem der städtische Vorstand Otte neben dem Vorstand des Tochterunternehmens Stadtwerke steht.
Ein Wunsch, den Rolfes nicht ablehnen konnte?
Hatte Rolfes also den Anruf von Otte, von dem er auf so vielen Ebenen abhängig ist, als Auftrag verstanden, den er nicht ablehnen durfte?
Dass das, was er da an diesem Abend initierte auf so vielen Ebenen falsch war, hätte dem promovierten Juristen Rolfes allerdings klar sein müssen. Nicht allein, dass durch die Herausnahme von Bus und Fahrer aus dem Planbetrieb zahlreiche Fahrgäste buchstäblich „im Regen“ stehengelassen wurden, es war auch ein Verstoß gegen die Beförderungspflicht des Unternehmens, dass sich selbst als „Unternehmen Lebensqualität“ sieht. Wegen dieser Pflichtverletzung könnte von der Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG), die als Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde für den Linienverkehr in Niedersachsen zuständig ist, noch ein Bußgeld drohen.
Flughafenbus oder Taxi standen als Alternative bereit
Als oberster Nahverkehrs-Spezialist der Region hätte Dr. Rolfes im Telefonat mit Otte auch auf die Option der durchaus vorhandenen regulären Anbindung des FMO an den ÖPNV hinweisen können. Auch am 23. Mai wäre der Flughafenbus X52 bis 00:45 Uhr im Zweistundentakt verfügbar gewesen. Das sind zwar unbequeme Taktzeiten, aber Fluggäste des FMO haben es auch nicht besser.
Man darf jedoch davon ausgehen, dass Frank Otte diese Option auch schon selbst registriert hatte – die Haltestelle für den Flughafenbus und der Taxiplatz sind gut ausgeschildert. Womöglich war ihm die Wartezeit und die Aussicht auf bis zu sieben Unterwegshalte zwischen FMO und der Haltestelle Arndplatz, direkt vor Ottes Stadtwohnung, schlicht zu unbequem?
Und auch der Taxistand des FMO ist in der Regel gut bestückt, aber sicher schwieriger mit der Stadtkasse abzurechen, während die Stadtwerke nach NOZ-Recherchen lediglich 390 Euro für die rund 75 Kilometer lange Ad-Hoc-Sonderfahrt in Rechnung gestellt haben sollen.
Warum „mit alle Mann“ raus zum FMO?
Warum aber eigentlich wurde das Führungskräftetreffen am FMO abgehalten? Schließlich ist die Stadt mit nur wenig mehr als 17% an der Betreibergesellschaft beteiligt, also lediglich Juniorpartner des FMO. Besprechungsräume für gut drei Dutzend Teilnehmer gibt es im Stadthaus, im Rathaus und in zahlreichen anderen städtischen Gebäuden, zum Beispiel auch in der stadteigenen OsnabrückHalle und natürlich auch bei den Stadtwerken reichlich. Die Teilnehmer hätten dorthin sogar zu Fuß oder mit dem Fahrrad „anreisen“ können.
Der FMO berechnet für einen Tagungsraum bis 60 Personen 368,90 Euro.
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Titelfoto/Montage: Pohlmann; Dr. Stephan Rolfes (links) und Stadtbaurat Frank Otte