Die Osnabrücker Zeitreise katapultiert uns fast auf den Tag genau 29 Jahre in die Vergangenheit. Rund um den Ossensamstag 1988 (das war der 20. Februar) hatte die Stadt ein Zelt auf dem Gelände der jetzigen Kamp-Promenade aufstellen lassen.
Vorausgegangen war über viele Jahre etwas, das man mit dem Abstand von ein paar Jahrzehnten durchaus als „anarchisches Besäufnis“ bezeichnen kann, und den Osnabrücker Karneval in den Augen vieler Osnabrücker bis in die Gegenwart belastet.
Es war in den 80er Jahren Brauch unter den Schülern, auch kleinste Anlässe mit einem gepflegten Alkoholexzess zu würdigen. Regelmäßig wurde dazu die Brachfläche auf dem inzwischen als Adolf-Reichwein-Platz firmierenden Grundstück vor dem Grünen Jäger genutzt – der jetzige Koggen-Spielplatz. Typische Anlässe waren Ferienbeginn (egal welche), Zeugnisvergabe oder auch der Osnabrücker Karneval. Dabei wurde sowohl am Ossensamstag als auch am Rosenmontag „gefeiert“. Der Ossensamstag bot sich an, da seinerzeit der Samstagsunterricht (i.d.R. 4 Stunden) noch üblich war. Quasi mit dem Schulschluss zog der Karnevalszug durch die Stadt. Und auch der Rosenmontag war eine gute Gelegenheit, wenn man schon in der Stadt war… und es war ja Karneval.
Auch die Weiberfastnacht war ein willkommener Anlass, aber dazu vielleicht morgen mehr bei HASEPOST.de.
Kaufhalle geplündert, Allfrisch geräumt
Für Nachschub sorgte seinerzeit der Allfrisch-Supermarkt in der Krahnstraße und die Kaufhalle, die im Erdgeschoss über einen Supermarkt verfügte und einen praktischen Durchgang zur Großen Straße bot. Heute ist in der ehemaligen Kaufhalle der Schuhhändler Reno.
Zu den „Legenden“ jener Zeit zählt, wie irgendwann die Anarchie überhand nahm und die Kaufhalle geplündert wurde – und auch beim Allfrisch wurde kollektiv das Bezahlen vergessen. Einmal straffällig geworden und ordentlich betrunken, nahm die Altglasentsorgung dann auch keinen großen Stellenwert mehr ein. Recycling war noch ein Fremdwort und Dosenpfand undenkbar.
Leere Flaschen wurden einfach auf dem Asphalt zertrümmert, Dosen plattgetreten und weggekickt. Es war die Zeit des Punks, und war das nicht unglaublich anarchisch?
Zelt auf dem Kamp und Karnevalsmarkt in der Lortzingstraße
Um die scheinbar „wildgewordenen Jungendlichen“ wieder „einzufangen“ organisierte die Stadt in jenen Jahren allerlei Ablenkungen. Dazu gehörte ein zeitweise an der Lortzingstraße (hinter der damaligen Stadtbibliothek) stattfindender „Karnevalsmarkt“ und das Zelt auf dem Kamp.
Dort wo heute die Kamp-Promenade zum Shopping lockt, war eine riesige Baulücke, die erst spät in den „Nullerjahren“ bebaut werden sollte. Sonst als Parkplatz genutzt, stellte man dort ein Festzelt auf und bot allerlei Livemusik. Was genau gespielt wurde? Vielleicht kann sich einer unser Leser erinnern?
Verkleiden galt – wenn man das Bild so sieht – als wenig cool. Lange Mäntel waren ganz offensichtluch angesagt. Das Bier wurde noch oft in gelben „Herforder-Koffern“ gekauft. Einen sieht man etwas rechts von der (typischen) Kugellampe auf dem Boden stehen. Statt heute nur acht, enthielten die Herforder-Koffer damals übrigens noch zehn „Handgranaten“.
Im Hintergrund gut zu erkennen: Die Unibibliothek an der Alten Münze, sie wurde zwei Jahre zuvor fertiggestellt.
Ganz rechts im Bild sieht man einen alten Ford Transit als Krankenwagen – er wird an diesem Tag noch zu tun gehabt haben.
Eine Erinnerung an „JP“ Hoffmeister
Der Fotostandpunkt unseres Zeitreisenden Jens-Peter „JP“ Hoffmeister† dürfte übrigens das sehr kleine Parkdeck des alten Geschäftshauses gewesen sein, durch das eine Passage die Große Straße verband. Im Keller dieses Hauses: Das Universum Kino. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.
Unser Fotograf hat es leider nicht über die 90er Jahre geschafft. Wir freuen uns mit diesem Foto – und einigen zukünftigen Schätzen aus seinem Archiv – an „JP“ erinnern zu können.
Vielen Dank an Frank Eilermann, der den Blick in das Archiv von „JP“ ermöglichte.
Hier die anderen bislang erschienenen Folgen unserer Osnabrücker Zeitreise.
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