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„Wir können nicht einfach Uber erfinden für Osnabrück“ – neue Stadtwerke-Chefs setzen auf „Team-Stadtwerke“

Seit 129 Tagen und einer Betriebsversammlung (am Donnerstag) sind die beiden neuen Chefs der Stadtwerke Osnabrück im Amt – jetzt stellten sie sich erstmals den Fragen der Presse.

Ausgerechnet nur knapp zwei Stunden bevor der „Notfahrplan light“ angekündigt wurde, gehörte das Thema Busverkehr selbstverständlich zu den Themen, die das Gespräch dominierten.
Aber auch zu den Finanzen, zum Generationenthema Klimaneutralität, zur Servicequalität und zu Kunden, die seit Monaten auf die Jahresabrechnung 2022 warten, standen die beiden neuen Vorstände Rede und Antwort.

Neuer Vorstand erwartet mehr als nur eine schwarze Null für 2023

Die gute Nachricht gab es gleich vorab: Zumindest finanziell haben es die Stadtwerke geschafft in diesem Jahr wieder in ruhigeres Fahrwasser zu gelangen. Vorstandssprecher Daniel Waschow und sein für die Finanzen zuständiger Vorstandskollege Dirk Eichholz erwarten für das bald endende Jahr sogar einen kleinen Gewinn.
Vorausgegangen war das turbulente Jahr 2021, in dem das zu 100% städtische Unternehmen einen Rekordverlust von 16,9 Millionen Euro verbuchte. Und auch das Jahr 2022, in dem nochmals 4,5 Millionen Verlust aufliefen, steckt den Stadtwerken noch in den Knochen. Fehler wurden damals vor allem beim Einkauf der Energie gemacht. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel verbreitete vor gut einem Jahr schließlich die letztlich falsche Nachricht, die Stadtwerke Osnabrück stünden sogar kurz vor der Insolvenz.

Beteiligung an Kohlekraftwerk sorgt für Gewinn bei den Stadtwerken

Dass es in diesem Jahr besser läuft, haben die Stadtwerke sicherlich auch Interims-Manager Stefan Grützmacher zu verdanken, der jedoch noch einige Baustellen für das neue Vorstandsteam hinterlassen hat. Aber auch die Energiepolitik der Ampel-Regierung spielt den Osnabrücker Stadtwerken in die Hände und spült Geld in die Kassen. Während der Ausbau erneuerbarer Energien stockt und moderne Kernkraftwerke inzwischen abgeschaltet wurden, ist die Beteiligung der Stadtwerke am Kohlekraftwerk im westfälischen Lünen plötzlich wieder bares Geld wert. Die Stadtwerke haben als Anteilseigner (5,28 Prozent) die Option günstig auf den dort produzierten Strom zuzugreifen, und diese Option wird jetzt genutzt.

Stadtwerke müssen wieder Personalreserven bei den Busfahrern aufbauen

Aber zurück zum für viele Osnabrückerinnen und Osnabrücker zum Reizthema gewordenen Busverkehr in Osnabrück. An der Technik liegt es jedenfalls nicht. „Andere Stadtwerke blicken neidisch auf Osnabrück, angesichts der bereits weit fortgeschrittenen Umstellung auf Elektrobusse“, berichtet Dirk Eichholz. Die Herausforderung sitzt hinter dem Lenkrad – beziehungsweise sitzt dort häufig nicht. Die Personaldecke ist zu dünn. Angesichts der aktuell wieder hohen Krankenstände rächt es sich, dass an Personalreserven gespart wurde und man jetzt vor einer Grippewelle kapitulieren muss.
Wenn ab Montag mit dem Notfallfahrplan der Takt ausgedünnt wird, soll aber dennoch niemand fürchten nicht vom Weihnachtsmarkt nach Hause zu kommen, und auch der Schülertransport sei sichergestellt, versprechen die Vorstände.

Fahrplan ist der Maßstab: „Busfahrgäste erwarten Verlässlichkeit“

Von disruptiven Ansätzen im Busverkehr wollen die beiden neuen an der Stadtwerkespitze aber vorerst nichts wissen. Aussagen des inzwischen ausgeschiedenen Mobilitätsvorstands Dr. Stephan Rolfes, der auch schon mal laut darüber nachdachte, dass man eigentlich keinen fixen Fahrplan mehr bräuchte, sondern nur dafür sorgen müsse, dass einfach regelmäßig ein Bus vorbeikommt, sieht der neue Vorstandschef kritisch. „Die Busfahrgäste erwarten Verlässlichkeit“, betont Daniel Waschow.
Und sein auch für die Mobilität verantwortlich zeichnende Kollege Dirk Eichholz ergänzt, dass allzu disruptive Ansätze – zum Beispiel eine Abkehr von einem fixen Fahrplan auch rechtlich nicht zulässig wären.
Und ohne neue Busfahrer, um die jetzt massiv geworben wird, wird es auch nicht gehen: „Wir können nicht einfach Uber erfinden für Osnabrück“, sagt Waschow und meint damit die sich in einer noch nicht genauer definierten Zukunft abzeichnende Möglichkeit, dass fahrerlose Taxis einmal den Nahverkehr übernehmen könnten.

Neue Vorstände wollen zukünftig besseren Service bieten

Das bedeutet jedoch nicht, dass das neue Team nicht dafür offen ist alte Zöpfe abzuschneiden und neue Wege zu gehen. „Digitalisierung hat eine hohe Priorität“, erklärt Waschow und beklagt einen aktuell noch nicht optimalen Kundenservice. Gleichzeitig stellt sich der neue Vorstand vor seine Mitarbeiter im Service. Die Fehler sieht er beim alten Management, dem für Servicethemen das Gespür gefehlt habe.
Er selbst, so Waschow, habe einen halben Tag im Service verbracht, um vor Ort zu erleben, welche Themen den Kundinnen und Kunden unter den Nägeln brennen. Und wenn ihm eine Beschwerde auf den Tisch flattert, greift der Stadtwerke-Chef auch schon mal selbst zum Hörer, um sichvom Kunden das Problem schildern zu lassen.

Klimaneutralität wird die Stadtwerke zukünftig massiv herausfordern

Zu den ganz großen Themen bei den Stadtwerken gehört auch das gesellschaftliche Thema „Klimaneutralität“. Hier sehen die beiden Vorstände die Stadtwerke in einer besonderen Dreiecksbeziehung zwischen der Bundes- und Kommunalpolitik und dem, was technisch vor Ort machbar ist.
Die Vorgaben zu diesem Transformationsprozess müsse die Politik liefern. Dass es gerade bei der Bundespolitik an Verlässlichkeit mangele wird klar, als es um die Nahwärmenetze geht. Diese Technologie wird auch von den Stadtwerken für den innerstädtischen Bereich präferiert. Erst kürzlich sorgte eine erste Installation einer Nahwärmeverbindung an der Natruper Straße für eine Dauerbaustelle – zukünftig könnte der Ausbaue dieser Infrastruktur für weitere Baustellen sorgen.
Nach den neuesten Berliner Haushaltsturbulenzen ist es aber wieder völlig offen, wie zukünftige Projekte auch gefördert werden können. Dass die Aufgabe Klimaneutralität angegangen werden muss, daran gibt es für das Vorstands-Duo keinen Zweifel. Waschow bezeichnete den Umfang der Aufgabe aus der Sicht eines Stadtwerks als größte Infrastrukturaufgabe der Nachkriegszeit.

Fehlende Energieabrechnungen, Lohnverzicht und Nettedrom …

Wie geht es auf kurze Sicht weiter? Wer als Stadtwerke-Kunde noch auf fehlende Energieabrechnungen wartet, soll bald Post erhalten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit einem Lohnverzicht ihren Anteil an der Gesundung des Unternehmens beigetragen haben, können ebenfalls hoffen – wobei die beiden Vorstandsmitglieder hierzu nicht konkret werden wollten.
Und auch für die Elektrokartbahn soll es möglichst vor Jahresende eine Lösung geben, wobei ein Verkauf des „Nettedrom“ nicht zur Diskussion steht, sondern ein Betreiberwechsel angestrebt wird.

Dass bei allen Herausforderungen für das neue Vorstandsduo vor allem die Mitarbeiter der Schlüssel zum weiteren Erfolg sind, wurde in dem von großer Offenheit geprägten Gespräch sehr deutlich. Der neue Führungsstil scheint zumindest dem ersten Eindruck nach nicht bei den offenen Hemdkragen in der Chefetage haltzumachen.


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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

  

   

 

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