Mit einem Facebook-Posting hat der Linke Kreisverband Osnabrück-Land nahezu deutschlandweit für Aufsehen gesorgt. „Wir haben Antisemitismus importiert“, schreibt der Verband in einem Beitrag, von dem sich die Linke Niedersachsen ausdrücklich distanziert.
Die sozialistisch ausgerichtete Linke Partei steht in Deutschland für Antirassismus und soziale Gleichberechtigung. In dem aktuellen Parteiprogramm der Linken ist das deutlich formuliert: „Wir gehen aus von den Traditionen der Demokratie und des Sozialismus, der Kämpfe für Menschenrechte und Emanzipation, gegen Faschismus und Rassismus, Imperialismus und Militarismus. Wir wollen alle gesellschaftlichen Verhältnisse überwinden, in denen Menschen ausgebeutet, entrechtet und entmündigt werden und in denen ihre sozialen und natürlichen Lebensgrundlagen zerstört werden.“ Der Linke Kreisverband Osnabrück-Land bricht in einem Facebook-Posting mit der Parteilinie.
„Importierter Antisemitismus“?
„Mit der faktischen #Zuwanderung aus islamischen Ländern wurden auch die kulturellen Prägungen aus diesen Ländern importiert. Wie wir während des aktuellen #Nahost-Konfliktes sehen haben wir in #Deutschland zu wenig getan um den radikalen Islam und mitgebrachten #Antisemitismus zu bekämpfen“, lautet der erste Teil des Postings im Wortlaut. Hier wird suggeriert, dass die Einwanderung von Menschen aus islamischen Ländern für eine Ausbreitung des Antisemitismus in Deutschland gesorgt hätte. „Wir müssen viel deutlicher klar machen, dass Judenhass und das Verbrennen von israelischen Flaggen mit berechtigter Kritik nichts zu tun hat. Deutschland muss alles dafür tun, dass jüdisches Leben in Deutschland sicher ist. Zugewanderte, die das nicht akzeptieren wollen, haben hier keinen Platz und müssen wieder gehen“, schreibt der Kreisverband weiter.
Kritischen Kommentaren entgegnete der Kreisverband: „Wer die Gefahren des radikalen Islam in Bezug auf Staatsfeindlichkeit und Antisemitismus nicht anerkennt bekommt bald französische Zustände wie in den Pariser Vororten.“
Von dieser Position distanziert sich die Linke Niedersachsen ausdrücklich, vor allem von der Annahme, dass Antisemitismus „importiert“ worden wäre: „In einem Land, von dem der Holocaust ausging, den Antisemitismus als Importware darzustellen, ist geschichtsvergessen, eine Verharmlosung des Hasses gegen Juden sowie ein schwerer Angriff auf Menschen muslimischen Glaubens. Diese Position ist in keiner Weise von unser Parteiprogrammatik gedeckt. Wir entschuldigen uns bei allen muslimischen und jüdischen Menschen. DIE LINKE. Niedersachsen steht gegen jede Form von Rassismus, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus“, kommentieren Heidi Reichinnek (Landesvorsitzende der Linken und Ratsfrau in Osnabrück), Lars Leopold (Landesvorsitzender) und Thorben Peters (stellvertretender Vorsitzender) im Namen der Linken Niedersachsen unter den Beitrag.
„Billige Stimmungsmache gegen Muslime“
Auch aus der Region hagelt es inzwischen Kritik am Social-Media-Post des Kreisverbandes. „Antisemitismus ist ein Problem, das tief in der Gesellschaft verwurzelt ist und in keiner Weise durch die Zuwanderung muslimischer Mitbürger aufgetreten ist. Selbstverständlich unterstützen nicht alle Menschen die Politik Israels. Man muss jedoch zwischen Antisemitismus und berechtigter Kritik an der Politik Israels unterscheiden. Die Aussage, Geflüchtete oder Zugewanderte seien für Antisemitismus in Deutschland verantwortlich, können wir als Fraktion DIE LINKE. Bramsche nicht teilen. Der Komplexität des Nahost-Konfliktes wird eine derart einfache Darstellung nicht gerecht“, so die Linke-Fraktion aus der Gemeinde Bramsche in einer Mitteilung an die Presse: Dort heißt es weiter: „Forderungen nach Abschiebung aus Deutschland verstößt gegen das Grunddenken der Partei DIE LINKE. und kann nicht toleriert werden. Wir versuchen in Bramsche geflüchteten Menschen oder Organisationen, die sich für diese einsetzten wie z.B. den Verein Amal e.V., mit allen Möglichkeiten, die wir haben, zu unterstützen. Dies interpretieren wir als zentralen Gedanken unserer politischen Haltung. Wir stellen uns Menschenfeindlichkeit jeglicher Art entschieden entgegen und setzen uns gegen Rassismus, Antisemitismus und jegliche Art von Diskriminierung ein. Die aktuellen Konflikte können nur gemeinsam gelöst werden, eine Spaltung der Gesellschaft ist kontraproduktiv. Als Linke sprechen wir uns ausdrücklich für Gerechtigkeit und Frieden für alle Menschen aus.“
Yannik Moormann, Vorsitzender der Jusos Osnabrück-Land schließt sich dem an. „Natürlich lehnen wir alle antisemitischen Attacken, egal ob Sprechchöre auf Demos oder Angriffe auf Synagogen wie in Münster oder Gelsenkirchen ab. Der Beitrag des Kreisverbandes der Linken im Osnabrücker Land ist jedoch billige Stimmungsmache gegen Muslime und stellt Tatsachen falsch dar“, so Moormann mit Verweis auf eine kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Petra Pau aus dem Bundestag, wonach mit großem Abstand ein rechtsextremistischer Hintergrund bei antisemitischen Straftaten als Motivation gesehen wurde. „Diese Pauschaläußerungen des Kreisverbandes auf Social Media gegen
Muslime und insbesondere gegen Geflüchtete aus islamisch geprägten Ländern sind nicht links, sondern einfach rassistisch“, ergänzt Besian Krasniq, stellvertretender Vorsitzender der Kreisjusos. „Wir hoffen, dass es sich bei den Veröffentlichungen nicht um die Meinung des gesamten Kreisverbandes handelt, sondern um einen fehlgeleiteten Alleingang einer einzelnen Person. Wir fordern aber eine deutliche Distanzierung des Kreisverbandes von derartigen Veröffentlichungen.“
Zuspruch von der AfD
Zuspruch für das Facebook-Posting erhielt der Linken-Kreisverband Osnabrück-Land von der anderen politische Extreme: Die Alternative für Deutschland (AfD) begrüßte das Facebook-Posting: „erfrischend ehrlich, liebe #Linke“, twittert die AfD.
Kreisvorstand DIE LINKE. Osnabrück-Land schießt zurück
Der Kreisvorstand DIE LINKE. Osnabrück-Land äußerte sich angesichts der massiven Kritik auch aus dem eigenen politischen Lager in einem weiteren Statement – wies darin jegliche Kritik zurück, schoss scharf gegen die Landesführung und stärkte den Kreisvorsitzenden. Im Wortlaut heißt es im Statement: „Der Kreisvorstand DIE LINKE. Osnabrück-Land steht hinter dem Beitrag zum islamischen Antisemitismus in den sozialen Medien und weist die Kritik und Anfeindungen, vonseiten der Landesebene gegen den Kreisverband und einzelne Mitglieder, entschieden zurück. Der Beitrag war, entgegen der wissentlich falschen Behauptungen der Landesvorsitzenden, mit den Mitgliedern des Kreisvorstandes abgestimmt und spricht ein wichtiges gesellschaftliches Problem an. Anderslautende Behauptungen, es ginge um eine Einzelmeinung, entsprechen nicht der Realität und werden bewusst eingesetzt um einzelne Mitglieder zu diffamieren.“
Kreisverband prangert mangelnde demokratische Verfasstheit der LINKE Niedersachsen an
„Wir stellen außerdem mit großem Bedauern fest, dass Rassismusvorwürfe die übliche innerparteiliche und von der Landesführung maßgeblich gesteuerte Vorgehensweise sind, eine Auseinandersetzung mit politisch unbequemen Problemen in „die rechte Ecke“ zu stellen. Derartige Vorwürfe von Rassismus entbehren jedoch jeglicher Grundlage und werden sowohl vom Kreisvorsitzenden Lars Büttner, wie auch vom Kreisvorstand, auf das Schärfste zurückgewiesen und verurteilt. Diese offenen Kampagnen, in denen vom Landesvorstand jedes Mittel genutzt wird, um die innerparteiliche Gesinnungshoheit zu erhalten, sind ein Ausdruck der mangelnden demokratischen Verfasstheit der LINKEN Niedersachsen.“
Dem Kreisvorsitzenden Lars Büttner spricht der Kreisvorstand sein Vertrauen mit Verweis auf die „seit vielen Jahren und in verantwortungsvoller Weise ausgeführte Arbeit für DIE LINKE“ aus. „Wir freuen uns darauf die gemeinsame transparente und vertrauensvolle Zusammenarbeit fortzusetzen. Das vonseiten der Landesführung geforderte und diskutierte Parteiausschlussverfahren gegen den Genossen Büttner ist in den Augen des Kreisvorstandes ebenso sach- und gegenstandslos, wie schon die vorausgegangenen erfolglosen Bestrebungen einer antidemokratischen Gruppe in der LINKEN, die in Niedersachsen mittlerweile zu einer nicht unbedeutenden Größe angewachsen ist.“
Von der Landesführung der LINKEN hingegen distanziert sich der Kreisvorstand deutlich: „Wir distanzieren uns ausdrücklich von der Landesvorsitzenden und ihren Wahrheitsbeugungen. Diese Landesvorsitzende (Heidi Reichinnek; Anm. d. Red.) zeigt erneut, dass sie statt zu versöhnen zu spalten versucht. Beispielsweise indem geheime Videokonferenzen stattfinden, aus denen unerwünschte Mitglieder entfernt werden (Ausschnitte liegen uns vor) und auf denen Pläne gemacht werden, um demokratisch gewählte Genossinnen und Genossen durch „linientreue“ Anhänger zu ersetzen. Dieses Verhalten der Landesvorsitzenden Heidi Reichinnek und Ihres Stellvertreters Thorben Peters nimmt der Kreisvorstand abermals konsterniert zur Kenntnis.“
Kreisvorstand: Augen vor Antisemitismus aus islamisch geprägten Kulturkreisen verschlossen
In dem Statement des Kreisvorstandes der LINKEN Osnabrück-Land heißt es abschließend: „Mit großem Entsetzen müssen wir außerdem feststellen, dass Teile der LINKEN vor dem Antisemitismus aus islamisch geprägten Kulturkreisen die Augen verschließen wollen. Wir fordern den Landesvorstand dazu auf, die mit allen Mitteln der politischen Anstandslosigkeit geführten Angriffe auf Genossen umgehend zu beenden und den realen Antisemitismus zur Kenntnis zu nehmen. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte haben die Jüdinnen und Juden das Recht, nicht nur vor der Gefahr des rechtsextremen Antisemitismus, sondern vor jeder Art des Antisemitismus geschützt zu werden. Eine linke Führung, die Antisemitismus von Zuwanderern aus islamischen geprägten Kulturkreisen in Ihrem faktischen Handeln so offen toleriert, macht sich zum Mittäter und schadet dem demokratischen Miteinander, sowie der überwiegenden Anzahl von Musliminnen und Muslimen in Deutschland. Mitglieder eines Landesvorstandes, die so offen antidemokratisch vorgehen und mit Ihrem Handeln, entgegen anderslautender Bekundungen, dem Antisemitismus in diesem Land Vorschub leisten, sind für jede demokratische Partei untragbar.“
Zu dem Zuspruch aus den Reihen der AfD reagierte der Kreisvorstand der LINKEN auf Nachfrage der HASEPOST nicht.
Titelbild: Facebook-Post des Linke-Kreisverbandes Osnabrück-Land.