Das neuartige Coronavirus hat unseren Alltag dramatisch verändert. Viele Menschen erleben eine Krise, die sie sich zuvor kaum vorstellen konnten und bangen um ihre Zukunft und ihre Gesundheit. Was macht das mit unserer Psyche? Unsere Redaktion hat darüber mit Dr. Claudia Schulz, leitende Psychologin am Ameos Klinikum Osnabrück, gesprochen.
Die Corona-Krise verlangt den Osnabrückern Einiges ab. Sie sollen so gut es geht zu Hause bleiben, ihre sozialen Kontakte auf ein Minimum beschränken und müssen auf viele Freizeitaktivitäten verzichten. Darunter leidet auch die menschliche Psyche: „Natürlich ist das für uns alle eine unangenehme Situation. Wir sind soziale Wesen, eigentlich sind Kontakte zu anderen Menschen gerade in Krisenzeiten wichtig, um Stress abzubauen und gemeinsam Probleme zu lösen“, sagt Dr. Claudia Schulz vom Osnabrücker Ameos Klinikum. „Den Begriff social distancing sehe ich allerdings kritisch, da es nicht so sehr um soziale, sondern um räumliche Distanzierung geht. Kontakte können und sollten weiterhin mit technischen Hilfsmitteln, zum Beispiel über Skype, gepflegt werden.“
Besondere Belastung für Menschen mit psychischen Vorerkrankungen
Die aktuelle Situation ist für Menschen, die bereits mit psychischen Problemen zu kämpfen haben, besonders schwierig. Ihre Vorerkrankungen sind ohnehin eine große Belastung für sie, die Corona-Krise sorgt für weiteren Stress. Außerdem wurden viele ambulante Hilfseinrichtungen geschlossen, psychisch Kranke erhalten also trotz erhöhtem Bedarf weniger Unterstützung. „Wir sehen in unserer Arbeit, dass die Patienten sehr von Gruppen und sozialen Kontakten profitieren. Es hilft ihnen Stress zu reduzieren und ihren Alltag zu bewältigen. Die Schließungen bedeuten große Unsicherheit für sie, durch ihre Erkrankungen fällt ihnen der Umgang mit der neuen Situation zusätzlich schwer,“ sagt Dr. Claudia Schulz. „Wir versuchen aber weiter für die Kranken da zu sein, viele von ihnen werden ambulant behandelt, leben also zu Hause und kommen gelegentlich in die Klinik, um über ihre Situation zu sprechen. Diese Gespräche finden jetzt telefonisch oder per Video-Chat statt. In der Psychotherapie merken wir, dass sich die Themen verändert haben. Viele Patienten fragen sich, wie sie nach ihrer Entlassung soziale Kontakte pflegen und finanziell überleben können.“ Die Krise ist für alle Menschen belastend, vor allem für die, die bereits Probleme haben. Die Psychologin hält einen künftigen Anstieg der Patientenzahlen für wahrscheinlich, auch wenn eine genaue Einschätzung schwierig sei, da es keine entsprechenden Studien gibt.
Was hilft der Psyche durch die Krise?
Dr. Claudia Schulz hat einige Ratschläge für Menschen, die jetzt an der Unsicherheit, der Isolation und den Einschränkungen des Alltags leiden: „Die wahrgenommene Gefahr wird stark durch den Medienkonsum beeinflusst, gefühlt lauert Corona an jeder Ecke. Ich empfehle daher, sich nur ein oder zweimal am Tag mit den Nachrichten zu befassen, damit die Lage nicht schlimmer wirkt, als sie es ohnehin schon ist. Außerdem sollten Sie weiterhin Ihre sozialen Kontakte, zum Beispiel über Skype, pflegen und körperlich aktiv bleiben. Viele Menschen können zum Beispiel nicht ins Fitnessstudio, im Internet gibt es aber viele Kurse, die oft sogar kostenlos sind. Behalten Sie ihre Tagesstruktur bei, auch wenn Sie zu Hause bleiben müssen. Stehen Sie pünktlich auf, essen Sie zu regelmäßigen Zeiten und schauen Sie was Ihnen gut tut. Fragen Sie sich, was Sie schon immer machen wollten, aber wozu Sie nie die nötige Zeit hatten. Sie können zum Beispiel eine neue Sprache lernen oder anfangen Tagebuch zu schreiben. Bewältigen Sie die Krise, indem Sie darauf schauen was Sie noch machen können, und nicht darauf, was Sie jetzt nicht mehr dürfen.“
Ameos Klinikum bietet psychologische Corona-Hotline
Ab Freitag (27. März) bietet das Ameos Klinikum eine psychologische Corona-Hotline an. Sie ist für Menschen gedacht, die sich durch die aktuelle Situation belastet fühlen und unter ihr leiden. Hier bieten die Mitarbeitenden des psychologischen Dienstes offenen Rat, Hilfe und Tipps zum Umgang mit den Beschränkungen, denen wir zurzeit unterworfen sind. Sprechzeiten sind montags bis freitags von 10 bis 11 Uhr, die Telefonnummer ist 0541 313 196. Ab dem 27. März wird es unter www.ameos.eu/psych-corona zusätzliche Hinweise zur Bewältigung der Krise geben.