Glaubt man der offiziellen Geschichte, die Frank Henning am Freitag assistiert vom Osnabrücker SPD Vorsitzende Manuel Gava präsentierte, dann war es ein monatelanges Ringen und Diskutieren in schier unzähligen Sitzungen, bis man sich schließlich auf Frank Henning, als “den” geeigneten Kandidaten geeinigt hatte, der für die SPD auch “OB kann”.
Auf den Fluren des Rathauses zwitscherte man allerdings schon lange vorher, dass Frank Henning auf jeden Fall OB werden will, als logische Fortsetzung einer erfolgreichen Parteikarriere, die auf dem Zwischenzeugnis immerhin elf Jahre Fraktionsvorsitz und zwei direkt gewonnene Tickets in den Landtag nach Hannover verzeichnet.
Mit Wahlergebnissen von 29,8% bei der Kommunalwahl 2011 und 24,9% im Jahr 2016, fallen allerdings auch die schlechtesten Zustimmungswerte nach 1949 in die Ära Frank Henning. Eine Folge des seinerzeitigen Bundestrends, wie SPD-Chef und Bundestagskandidat Manuel Gava es sieht.
Auch in diesem Jahr wird der Bundestrend vermutlich wieder eine deutliche Einflußgröße sein, folgt doch die Bundestagswahl am 26. September mit nur zwei Wochen Abstand auf die gemeinsam OB- und Kommunalwahl am 12. September.
Diesmal ein profilierter Kandidat statt eine Quotenfrau
Nochmals wollte die Osnabrücker SPD wohl nicht mit einer Kandidatin ins Feld ziehen, die als einziges herausragendes Merkmal “Frau” anführen kann. Das Experiment misslang 2013 mit Birgit Bornemann, die in Rekordzeit wieder in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwand, es aber immerhin geschafft hatte Wolfgang Griesert in eine Stichwahl zu zwingen, die sie dann allerdings mit nur 45,2 Prozent verloren geben musste.
“Ein Osnabrücker oder eine Osnabrückerin” sollte es werden, beschreibt Manuel Garva ein Prämisse, auf die man sich bei der Kandidatenauswahl geeinigt hatte. Selbstverständlich niemand, der an den Grundfesten bisheriger SPD-Politik rüttelt, also auch dem Neumarkt-Desaster etwas Gutes abgewinnen kann und der entstehenden Wohnungsgesellschaft positiv gegenüber eingestellt ist.
Mehr wohnen auch am Neumarkt – Shoppingcenter kein Thema mehr
So gesehen verwundert es dann auch nicht, dass Frank Henning beim Pressetermin am Freitagvormittag zur Wohnungsgesellschaft erklärt, dass er sie zum Erfolgsprojekt machen und mehr bezahlbare Wohnungen “für alle” schaffen wolle.
Und zum Neumarkt, dessen Zukunft die SPD-Ratsfraktion lange bei einer international agierenden Shoppingcenter-Heuschrecke wähnte, gelte es nun den Stillstand zu beenden, das Stadtzentrum aufzuwerten und dem Wohnen in der Stadt, gepaart mit kulturellen Angeboten, wieder mehr Raum zu geben. Kein Wort mehr von den einstigen Shoppingcenter-Träumen, die von der SPD gemeinsam mit der bunten Regenbogenkoalition geträumt wurden.
Henning: OB soll auch oberster Wirtschaftsförderer sein
Neben einigen sozialdemokratischen Standards, wie der Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit, die durch die Abschaffung der Krippenbeiträge gefördert werden solle, sowie der pflichtschuldigen Erwähnung der Bedeutung von “Frauenerwerbsarbeit”, überrascht Henning allerdings auch mit einer klaren Positionierung als Wirtschaftsförderer, die seiner Meinung nach OB-Aufgabe sein solle, weit über das Aufsichtsratsmandat in der Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt.
Wohl als Seitenhieb gegen die Grünen ist der Begriff “Zeitgeist” zu verstehen, unter dem Henning die Themen der Ökopartei subsummiert, denen er aber die Sicherung des allgemeinen Wohlstands, vor allem auch der arbeitenden Bevölkerung, entgegen stellt.
Mit einer klaren Befürwortung des A33-Lückenschlusses und dem Ausbau der A30 durch Henning, dürfte es denn Grünen schwerfallen, sollte es erneut zu einer Stichwahl mit einem Kandidaten der CDU (wieder Griesert?) kommen, eine Wahlempfehlung für den SPD-Kandidaten abzugeben.
Teure Themen: Theatersanierung und Bremer Brücke
Auch vor Reizthemen, wie der anstehenden Theatersanierung und der – zumindest vom VfL-Präsidium gewünschten – Verlegung des Stadions an der Bremer Brücke, zum Beispiel an die Gartlage, schreckt Henning nicht zurück. Die vor Jahren auf 80 Millionen Euro geschätzte Theatersanierung, um die es seit Monaten erstaunlich still geworden ist, macht Henning von einer 2/3-Co-Finanzierung durch Sponsoren und Fördergelder abhängig – entsprechend eines Ratsbeschlusses; aber Frank Henning scheint auch auf Nachfrage nicht gewillt zu sein über diesen Ratsbeschluss hinausgehend millionenschwere Wahlverprechen für das Theater machen zu wollen.
Kultur und Sport dürfe man nicht gegeneinander aufrechnen, sagt der OB-Kandidat zum ebenfalls deutlich im zweistelligen Millionenbereich liegenden VfL-Wunsch, die Bremer Brücke an anderer Stelle neu aufzubauen. Aber angesichts der Corona-Lage sieht Frank Henning eine solche Idee als frühestens in 10 Jahren wieder realisierbar an.
Und für ihn als gebürtiger Junge aus dem Schinkel, gehöre die Bremer Brücke dahin, wo sie jetzt steht. Man müsse, wenn überhaupt, über einen Ausbau nachdenken, wenn es denn die Richtlinien der DFL verlangen.
Das geplante Trainings- und Leistungszentrum des VfL soll allerdings nach den Vorstellungen von Frank Henning an der Gartlage, auf einem bislang von KME genutzten Gelände entstehen.
Alternativpläne, das Trainingszentrum auf dem Limberg zu installieren, erteilte Henning eine Abfuhr: Der Standort sei einerseits zu weit von der Bremer Brücke entfernt, und man sollte den Limberg vielmehr dafür nutzen um junge Unternehmen anzusiedeln und Arbeitsplätze zu schaffen.
Den VfL bezeichnet der SPD-Kandidat als “größter Image- und Werbeträger der Stadt”, der weit über die Grenzen der Hasestadt bekannt sei und nicht nur das Image von Osnabrück verbessert, sondern auch bei jedem Heimspiel für Umsätze durch die Gästefans sorge.
Wer wird neuer SPD-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat?
Kurz vor seiner Nominierung als SPD Oberbürgermeisterkandidat trat Frank Henning als Vorsitzender der SPD Ratsfraktion zurück. Dazu erklärt Frank Henning selbst: „Mit dem gestrigen Rücktritt als SPD Fraktionsvorsitzender möchte ich deutlich machen, dass ich Oberbürgermeister für alle Osnabrückerinnen und Osnabrücker werden möchte. Ich trete an, um zu gewinnen! Es gibt kein zurück auf den Posten des SPD Fraktionschefs!
Wer Nachfolger oder Nachfolgerin von Frank Henning an der Fraktionsspitze wird, soll in etwa zwei Wochen bekanntgegeben werden. Die OB-Kandidatur, die bislang einstimmig vom Unterbezirksvorstand Osnabrück beschlossen wurde, bedarf noch einer Bestätigung durch einen Aufstellungsparteitag im März.