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Wie der Spiegel eine drohende Pleite der Osnabrücker Stadtwerke konstruierte

Nach der Relotius-Affäre erklärte der Spiegel (u.a. hier), dass Ressortleiter und Dokumentare jeden Text des wöchentlichen Magazins überprüfen, bevor er publiziert wird. Doch hat das Nachrichtenmagazin im Fall der Osnabrücker Stadtwerke – trotz behaupteter Qualitätssicherung – womöglich die Unwahrheit geschrieben?

Hasepost hatte am Sonntagmorgen exklusiv über einen Spiegel-Artikel aus der Printausgabe berichtet. Zwischenzeitlich wurde der Artikel vom Spiegel auch online veröffentlicht, allerdings in abgewandelter Form.

Und auch die Stadtwerke meldeten sich am Wochenende mit einigen peinlichen Details über die Recherchepraxis des Nachrichtenmagazins aus Hamburg.

Spiegel-Titel wurde nach Printveröffentlichung nochmals umgeschrieben

Auffällig ist an dem Spiegel-Artikel, der unter dem Titel „Kommunale Kernschmelze“ in der Printausgabe am vergangenen Samstag (15.10.2022) erschien, dass die später nachgereichte Onlineversion einen deutlich abgeschwächten Titel bekam: „Strom und Erdgas sind aktuell ausverkauft“, von einer „Kernschmelze“ (aka GAU) war nichts mehr zu lesen.

Auch der weitere Introtext wirkt kurz nach Auslieferung der Printausgabe deutlich milder. So heißt es in der auf Papier gedruckten Variante für die Abonnenten und Kiosk-Einzelkäufer noch „Weil sie zu viel zockten, droht den Stadtwerken Osnabrück die Pleite […]“. Online wurde daraus „Den Stadtwerken Osnabrück droht die Pleite, weil sie sich an den Energiemärkten verzockt haben“.

Hinsichtlich einer möglichen „Pleite“ bleibt der Spiegel zwar bei seiner Aussage, allerdings scheint es eine spätere Einsicht gegeben zu haben, dass dieses Risiko einzig aus den Problemen im Energieeinkauf herrührt, die derzeit ja so ziemlich alle Unternehmen im Energiesektor betreffen.

15 Fragen des Spiegel wurden auf dreieinhalb Seiten umfangreich beantwortet

Inzwischen liegt unserer Redaktion ein 15-seitiger Fragenkatalog vor, der den Stadtwerken nach Auskunft von Pressesprecher Marco Hörmeyer am 23. September (einem Freitag) mit Fristsetzung geschickt wurde. Bereits am Dienstag dem 27. September antworteten die Stadtwerke ausführlich auf dreieinhalb A4-Seiten. Mehr als zwei Wochen reifte der Artikel dann beim Spiegel bis zur Veröffentlichung am vergangenen Samstag.

Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, alle zumeist detaillierten Antworten der Stadtwerke auf den umfangreichen Fragenkatalog hier wiederzugeben, das Wort „Pleite“ oder auch nur eine Andeutung eines möglichen Zahlungsausfalls der Stadtwerke, kommen darin tatsächlich allerdings nicht vor.
Stadtwerke-Sprecher Hörmeyer findet daher auch klare Worte in seiner Stellungnahme an unsere Redaktion „Aus unseren Ausführungen lässt sich nicht herauslesen, dass uns „die Pleite drohe“ oder wir „um unsere Existenz ringen“. Auf welcher Basis der SPIEGEL diese Behauptungen aufstellt, erschließt sich uns nicht. Wir weisen diese unwahren und zum Teil rufschädigenden Behauptungen ausdrücklich zurück.“

Wie der Spiegel eine umfangreiche Erläuterung zur „knappen Erklärung“ machte

Beispielhaft für das erstaunliche Handwerk, das von den Journalisten aus Hamburg (gleich drei Namen stehen unter dem Artikel) geleistet wurde, darf eine Aussage stehen, die keinerlei Bezug hat zu den umfangreichen Erläuterungen der Stadtwerke und zudem aus dem Kontext gerissen wurde.
Der Spiegel schreibt: „Man sei im »Energiehandel nicht adäquat aufgestellt gewesen für die Herausforderungen«, so die knappe Erklärung der SWO“.

Doch wie „knapp“ war die Erklärung der Stadtwerke (SWO) wirklich?
Hier der volle Wortlaut zur wirtschaftlichen Lage aus der unserer Redaktion vorliegenden Antwort der Stadtwerke, aus dem sich die drei Autoren des Spiegel lediglich elf (dann tatsächlich knappe) Wörter heraussuchten (hier gelb hervorgehoben):

„Die Gründe für das hohe Defizit im zurückliegenden Geschäftsjahr 2021 sind vielschichtig und sind im Wesentlichen auf die Entwicklungen auf den Energiemärkten zurückzuführen. So belastet uns einerseits unsere Beteiligung am Steinkohlekraftwerk Lünen, bei der wider Erwarten eine weitere Risikovorsorge (Bildung entsprechender Rückstellungen) notwendig wurde. Grund hierfür war die die geplante Laufzeit der Kohlekraftwerke. Darüber hinaus sind wir im Bereich des sog. Portfoliomanagements im Energiehandel nicht adäquat aufgestellt gewesen für die Herausforderungen der bereits in 2021 begonnenen Energiepreiskrise.

Konkret hat dies zu unprofitablen Aktivitäten sowohl in der Energiebeschaffung als auch in der Direktvermarktung von EEG-Kapazitäten anderer Erzeuger geführt. Wir haben insbesondere auf die identifizierten Schwachstellen im Portfoliomanagement reagiert und werden die Vermarktung unserer Kraftwerksbeteiligung künftig extern durchführen und das Geschäft mit der Vermarktung von EEG-Anlagen auslaufen lassen.
Zum Ergebnis des Geschäftsjahres 2022 lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt – insbesondere angesichts der aktuellen, sehr volatilen Entwicklungen im Energiebereich – noch keine verlässliche Aussage treffen.“

Unsere Redaktion hat auch die Autoren des Spiegel-Artikels um Stellungnahme gebeten, wie sie zu der im Printartikel getroffenen Aussage „Weil sie zuviel zockten, droht den Stadtwerken Osnabrück die Pleite“ gekommen sind und wie Sie zu der Reaktion der Stadtwerke „unwahr“ und „zum Teil rufschädigend“ stehen. Eine Antwort von Seiten des Spiegel liegt zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels noch nicht vor.

Titelbild basierend auf einer von der künstlichen Intelligenz DALL-E gestalteten Grafik


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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

  

   

 

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