Niedersachsens Innenminister und ehemaliger Osnabrücker Oberbürgermeister Boris Pistorius (SPD) versucht sich aktuell als harter „Abschieber“ politisch neu zu positionieren.
Wir haben uns einmal angeschaut, wie die Praxis seiner nach außen harten Linie in seiner Heimatstadt bislang aussieht.
In einer Pressemitteilung des Innenministeriums, die unserer Redaktion am Donnerstag zugeschickt wurde, lässt sich Boris Pistorius von seinem Pressesprecher wie folgt zitieren: „Wer in Deutschland kein Recht auf Asyl hat und auch sonst keine Bleibeperspektive hat, muss das Land wieder verlassen, daran führt leider kein Weg vorbei.“
Wenn da nicht das Wörtchen „wenn“ wäre, und die tatsächliche Abschiebepraxis in Niedersachsen, zum Beispiel in Osnabrück.
Bereits in seiner aktuellen Pressemitteilung schränkt der Ex-Oberbürgermeister sein scheinbar hartes Zitat sofort wieder ein, denn „Härtefallregelungen“ und „Neuberatungen alter Fälle“ schließt der Innenminister auch weiterhin nicht aus. Wie die Antwort der Stadtverwaltung auf eine Anfrage aus dem Stadtrat zeigt – mehr dazu unten – werden abgelehnte Asylbewerber, trotz bereits gültiger Ablehnung, noch mehrfach darauf hingewiesen, dass sie eine „Härtefalleingabe“ machen können.
Zahlen für Osnabrück liegen vor
Die Osnabrücker Stadtverwaltung antwortete in diesem Monat auf eine Anfrage aus der CDU Ratsfraktion. Demnach ergibt sich folgendes Bild für Osnabrück (Stand 02.02.2016):
171 in Asylbewerber leben trotz Ablehnungsbescheid in Osnabrück
nur 74 der abgelehnten Asylbewerber leben in städtischen Wohnungen bzw. Unterkünften
2014 wurden 50 Abschiebungen „versucht“, nur fünf davon (= 10%) waren erfolgreich
2015 wurden überhaupt nur noch 24 Abschiebeversuche unternommen, von denen lediglich zwei (8,4%) erfolgreich waren
Rundet man das bisherige Volumen erfolgreicher Abschiebungen aus der Stadt Osnabrück großzügig auf 10% auf – unter der unrealistischen Annahme, dass kein neuer Fall hinzu kommt – wird es Jahrzehnte dauern, bis auch der letzte (bereits) abgelehnte Asylbewerber die Stadt tatsächlich verlassen hat.
Wie kommt es dazu, dass so viele Abschiebeversuche erfolglos bleiben?
Auch auf diese Frage gibt die Verwaltung Antwort: Die Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern in ihr Heimatland setzt zum einen voraus, dass die Staatsangehörigkeit des Betroffenen geklärt ist, und ist darüber hinaus nur möglich und durchführbar, sofern der Betroffene über ein entsprechendes Identitätsdokument verfügt.
Oft verschleiern Flüchtlinge ihre Identität
In den überwiegenden Fällen ist der Betroffene entweder tatsächlich nicht im Besitz von Identitätsdokumenten oder aber er händigt die entsprechenden Unterlagen den Behörden nicht aus, so die Stadtverwaltung, und weiter: Sofern dieses der Fall ist, wird er von der Ausländerbehörde darauf hingewiesen, dass er zur Identitätsklärung und Passbeschaffung eine Mitwirkungspflicht hat. Seine selbst durchgeführten Bemühungen (z.B. Passbeantragung bei der zuständigen Botschaft) hat er der Ausländerbehörde schriftlich nachzuweisen.
Sollte der Betroffene seiner Mitwirkungspflicht nachweislich nicht nachgekommen sein, kann eine Identitätsfeststellung nur über eine sog. Botschaftsvorführung erfolgen. D.h., dass die Ausländerbehörde eine Verfügung erlassen und unter Beteiligung der Landesaufnahmebehördeeine Botschaftsvorführung organisieren muss. Vom Ausgang der Vorführung ist es abhängig, ob dem Betroffenen ein Identitätsdokument ausgestellt werden kann oder nicht. Unter Umständen muss diese wiederholt werden, sofern die Botschaft dieses fordert.
Vor der Abschiebung wird der abgelehnte Asylantragsteller mehrfach darauf hingewiesen, dass er einen Härtefallantrag stellen kann
Wenn die Identität über eine Botschaftsvorführung nicht geklärt werden kann, so die Verwaltung, erschwert dies eine durchzuführende Abschiebung , oder sie wird dadurch auch unmöglich.
Darüber hinaus ist vor Einleitung einer Abschiebung der Betroffenen wiederholt über die Möglichkeit einer Härtefalleingabe zu informieren, welches eine gebotene Aufenthaltsbeendigung ebenfalls erheblich verzögert.