Was passiert, wenn zwei Haushaltsexperten – einer aus der bisherigen Regierungskoalition und einer aus der Opposition der letzten Jahre – im Wahlkampf aufeinandertreffen? Dr. Mathias Middelberg (CDU) und Otto Fricke (FDP) nahmen in Osnabrück die Herausforderung an, nicht gegeneinander, sondern miteinander zu sprechen und für eine neue Politik nach der Bundestagswahl zu werben – möglicherweise auch in einer gemeinsamen Koalition.
Dabei war der Termin nicht als ‚Wahlkampfauftakt‘ geplant, wie die CDU-Kreisvorsitzende Verena Kämmerling und ihr FDP-Kollege Torsten Berding zu Beginn des „Kamingesprächs“ am Mittwochabend in der ‚Turnhalle‘ der MUUUH! Group mehrfach betonten. Im Sommer, als der Termin festgelegt wurde, war der Wahltermin am 23. Februar noch nicht abzusehen.
Der Zeitpunkt erwies sich jedoch als günstig, auch wenn es ungewöhnlich erscheint, dass knapp anderthalb Monate vor der vorgezogenen Bundestagswahl ein Vertreter der bisherigen Regierungskoalition und einer der eventuell künftigen Mehrheitsfraktion auf Augenhöhe diskutieren – und nicht in einer konfrontativen Debatte.
Ein Dialog auf Augenhöhe zwischen CDU und FDP
Es war tatsächlich ein Dialog auf Augenhöhe, bei dem die Hintergründe der vergangenen Ampeljahre und die zukünftigen Herausforderungen Deutschlands im Fokus standen. Beide Politiker gelten in ihren Fraktionen als profilierte Haushaltspolitiker. Otto Fricke, seit 2002 im Bundestag, blickt auf mehr als drei Jahre in der Ampelkoalition zurück, die ihm nach eigener Aussage zunehmend Unbehagen bereitete. Mathias Middelberg, seit 2009 für Osnabrück in Berlin, hingegen nutzte die Gelegenheit, um mehrfach kritisch auf Entscheidungen der Ampel hinzuweisen und Fricke dabei humorvoll „Salz in die Wunden“ zu streuen.
Kernkraft-Aus hätte spätestens mit dem Ukraine-Krieg gestoppt werden müssen
Für Unterhaltung war gesorgt, insbesondere bei Themen, die Fricke zufolge oft für „Tischkantenbisse“ sorgten: der Kernkraft-Ausstieg, die Schuldenbremse, die Tendenz des Bundes, in Bildungsfragen in die Länder hineinzuagieren, und andere Entscheidungen, die von beiden Politikern mehr oder weniger direkt als von „Inkompetenz und Ideologie geprägt“ kritisiert wurden.
Im Gespräch wurde zahlreiche Gemeinsamkeiten deutlich, etwa beim gegenseitigen Respekt und der Einschätzung, dass Deutschland nach der Wahl harte Reformen und Kraftanstrengungen benötigt. Der Ausstieg aus der Kernkraft hätte angesichts der Energiekrise durch den Ukraine-Krieg gestoppt werden müssen, so die beiden Politiker. Fricke erklärte, er habe sich der Mehrheit in der Ampel fügen müssen, während Middelberg eingestehen musste, dass eine mögliche Bundestagsmehrheit gegen den Kernkraft-Ausstieg an der starren Haltung seiner Fraktion gegen Mehrheiten mit der AfD scheiterte.
Viel Respekt für die Agenda-Reformen von Gerhard Schröder
Einigkeit herrschte auch darüber, dass die Agendareformen unter Gerhard Schröder (SPD) mit der Rentenreform und den Hartz-Gesetzen die Basis für den späteren Erfolg der Merkel-Regierung legten. Dem damaligen Prinzip „Mehr Eigenverantwortung, weniger Staat“ stehe heute ein wachsender Verwaltungsapparat entgegen, begünstigt durch zahlreiche kurzfristige Verbeamtungen der gescheiterten Ampel.
Auch bei der Wahlrechtsreform stimmten beide überein: Die Verkleinerung des Bundestags sei grundsätzlich richtig, doch die Umsetzung habe Schwächen. Middelberg kritisierte, dass es kaum vermittelbar sei, wenn ein Kandidat sein Direktmandat gewinnt, aber wegen der Deckelung der Abgeordnetenzahl am Montag nach der Wahl erfährt, dass er nicht in den Bundestag einziehen kann.
Die rund zweistündige Veranstaltung, souverän moderiert vom FDP-Bundestagskandidaten Daniel Jutzi, endete mit einer Fragerunde. Der Titel „Kamingespräch“ wurde schließlich bei einem gemütlichen Ausklang an der hauseigenen Bar, zu dem MUUUH!-Chef Jens Bormann einlud, wörtlich genommen.