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Vor genau 80 Jahren: Anne Frank, ihre Familie und die Familie van Pels aus Osnabrück fliegen auf

Am 4. August 1944 wurden Anne Frank, ihre Familie, die Familie van Pels und Fritz Pfeffer in ihrem Versteck in der Prinsengracht 263 in Amsterdam entdeckt. Die von den Nationalsozialisten verfolgten Juden hatten sich dort 761 Tage aufgehalten, ehe sie von der Gestapo verhaftet wurden.

Verstecken um zu überleben

Am 6. Juli 1942 war es soweit gekommen: Die Familie Frank musste untertauchen, denn einen Tag zuvor erhielt Annes Schwester Margot Frank einen Brief, der sie aufforderte in einem deutschen Lager zu arbeiten. Wenn sie sich nicht meldet, würde ihre ganze Familie verhaftet werden. Da die Niederlande zu dem Zeitpunkt von den Nationalsozialisten kontrolliert wurde, waren Juden hier nicht mehr sicher. Die Familie Frank dachte, dass sie durch ihren Umzug von Frankfurt nach Amsterdam nach der Machtübernahme Hitlers sicher seien, doch nun musste das Hinterhaus von Otto Franks ehemaliger Firma als Versteck dienen.

Ähnlich wie die Familie Frank fürchteten auch Hermann und Auguste van Pels sowie ihr Sohn Peter vor Einberufungen in die Zwangsarbeit. Die Familie, die im Jahr 1937 wegen der ansteigenden Gefahr für Juden aus Osnabrück auszogen und ihren Wohnsitz nach Amsterdam verlegte, folgte den Franks eine Woche später und versteckte sich im zweiten und dritten Stock des Hinterhauses, welches nur durch einen geheimen Eingang, der durch einen schwenkbaren Bücherschrank verdeckt wurde, zugänglich war.

Das Wohnhaus
Das Wohnhaus der Familie van Pels in Osnabrück in der Martinistraße 67a heute / Foto: Maximilian Kahle

Mehr als zwei Jahre im Versteck

Von da an lebten acht Menschen im 50 m² großen Hinterhaus: Anne Frank und Margot Frank, ihre Eltern Otto Frank und Edith Frank-Holländer, Hermann, Auguste und Peter van Pels sowie der Zahnarzt Fritz Pfeffer, der als letztes im November 1942 das Versteck aufsuchte. Anne teilte sich mit Fritz, der so alt wie ihr Vater ist, ein Zimmer. Des Weiteren lebten Otto, Edith und Margot in einem Zimmer, welches tagsüber ein Wohnzimmer war und nachts als Schlafzimmer fungierte. Auch Hermann und Auguste hatten ein eigenes Zimmer, wo die Bewohner tagsüber kochten, aßen und Radio hörten. Der einzige, der alleine lebte war Peter. Darüber hinaus gab es einen Waschraum und einen Dachboden, den die Versteckten benutzten. Am Tag mussten sie sich ruhig verhalten, damit in der Firma, die sich direkt unter ihnen befand, kein Verdacht geschöpft wird.

Das Tagebuch von Anne Frank

In dieser Zeit schrieb Anne Frank ihr Tagebuch, welches später weltberühmt sein wird. Darin berichtet sie unter anderem darüber, was im Hinterhaus passiert. So gab es beispielsweise Konflikte mit ihrem Zimmergenossen Fritz darum wann wer den Schreibtisch im Zimmer nutzt. Auch Gefühle und Gedanken wie ihre Liebe zu Peter van Pels, mit dem sie ihren ersten Kuss hat, schrieb sie im Tagebuch mit dem Titel „Het Achterhuis“ (niederländisch für „Das Hinterhaus“) nieder. Sie hatte oft Angst, dass sie entdeckt werden und hoffte auf ein schnelles Kriegsende.

Nach zwei Jahren aufgeflogen

Am 4. August 1944 zwischen halb elf und elf Uhr kamen Polizeibeamte unter Führung des SS-Hauptscharführers Karl Silberbauer in das Haus an der Prinsengracht 263. Sie sprachen den Arbeiter Willem van Maaren an, welcher sie nach oben zu den Büros schickte. Dort sieht Miep Gies, Helferin der Versteckten, wie Victor Kugler, Direktor der Firma, von den Polizisten verhört wurde und sie ins Haus zur Durchsuchung begleiten musste. „Die Polizei ging nach oben in den Lagerraum im Vorderhaus und sie wollten wissen, was in den ganzen Kisten, Säcken und Ballen war. Ich musste alles aufmachen. Ich dachte bei mir, wenn es nur eine Hausdurchsuchung ist, ist es hoffentlich schnell vorbei“, berichtete Kugler. Völlig entsetzt müssen die Hinterhausbewohner mit ansehen, wie die Gestapo die Treppe nach oben stürmt und die Juden entdeckt. Hermann und Auguste van Pels sowie Anne, Margot und Edith Frank hoben die Hände. In Peters Zimmer lernt Otto gerade Englisch mit dem Jugendlichen als ein Gestapobeamter nach oben rennt und ihn mit einer Pistole bedroht. Sie gingen mit nach unten zu den anderen, wo schließlich auch Fritz Pfeffer dazugestellt wird. Die Polizisten konfiszierten die Wertsachen der acht Juden und bereiteten diese für den Abtransport vor. Auch die Helfer Victor Kugler und Johannes Kleiman werden verhaftet. Gegen 13 Uhr verlassen sie die Prinsengracht 263.

Wer oder was verriet Anne Frank und die anderen?

Wer oder was Anne Frank und Co. verriet, kann bis heute nicht vollständig geklärt werden. Es gibt viele Theorien. Die meisten gehen von Verrat aus, denn es gab im Vorhinein einen Anruf bei der Gestapo, während eine andere Theorie von Zufall spricht. Bei den Theorien, in der eine Person die versteckten Juden verraten habe soll, kommen viele Verdächtige in Frage:

1. Der Lagerarbeiter Willem Gerard von Maaren. Er fand eine Geldbörse von Hermann van Pels und hatte Verdacht geschöpft. Doch er war kein Antisemit und es gibt zu wenig Indizien, um ihn als Schuldigen zu benennen. Von Maaren bestritt bis zu seinem Tod 1971 den Verrat begangen zu haben.

2. Die Putzfrau Lena van Bladeren-Hartog. Sie hat bereits 1942 wegen einer hohen Lieferung an Milch und Brot Verdacht geschöpft. Außerdem soll die Stimme am Telefon, die die Juden verraten hatte, weiblich gewesen sein. Doch auch ihr konnte man die Tat nicht nachweisen.

3. Der Juden-Kopfgeldjäger Anton Ahlers. Es gab viele Kopfgeldjäger, die mit Verhaftungsprämien Geld verdienten. Ahlers prahlte mit dem Verrat des Verstecks, doch letztendlich konnte ihm dieser nicht nachgewiesen werden.

4. Die Jüdin Ans van Dijk. Sie verriet ab 1943 Juden, indem sie die Verfolgten mit einem sicheren Unterschlupf lockte. Insgesamt verpfiff sie mehr als 145 jüdische Menschen darunter auch Familienmitglieder ihres eigenen Bruders. Nach Kriegsende wurde sie wegen Landesverrats hingerichtet. Otto Frank soll laut dem Journalisten Sytze van der Zee gewusst haben, dass es sich bei dem Verräter um eine jüdische Frau handelt, es jedoch verheimlicht habe. Bewiesen werden konnte diese Theorie auch nicht.

5. Laut dem Sohn von der Mithelferin Bep Voskujl soll seine Tante Hendrika Petronella Anne Frank und Co. verraten haben, da sie mit den deutschen Besatzern kollaborierte.

6. Der Notar des Judenrats Amsterdam Arnold van den Bergh. Um seine Familie zu retten soll er den Nazis eine Liste von Juden Verstecken gegeben haben. Sein Name wird 1946 in einem anonymen Brief an Otto Frank genannt. Diese Theorie ist ebenfalls umstritten.

7. Es war reiner Zufall, dass die Juden entdeckt wurden. So soll die Kontrolle wegen gefälschter Essensmarken durchgeführt worden sein, also aus wirtschaftlichen Gründen. Bei der Kontrolle sei man dann zufällig auf das Versteck der Juden gestoßen. Dafür spricht, dass Anne Frank in ihrem Tagebuch von solchen Untersuchungen in der Nachbarschaft berichtet sowie die geringe Anzahl an Polizisten und der ungeregelte Ablauf der Aktion.

Otto Frank: Der einzige Überlebende – und die Ermordung der anderen

Nur einer der acht versteckten Juden überlebte: Otto Frank. Er überlebte das KZ in Auschwitz. Als sowjetische Soldaten das Lager befreien, lag er in der Krankenbaracke und sah es als Wunder an, dass er noch lebt. Doch nach dem Ende des Kriegs muss er feststellen, dass kein anderer Hinterhausbewohner überlebte. Seine Frau starb drei Wochen vor der Befreiung von Auschwitz am 6. Januar 1945. Seine Tochter Margot starb Anfang März 1945 an Fleckfieber und Anne zwischen Februar und Anfang März im KZ Bergen-Belsen an der gleichen Krankheit. Fritz Pfeffer starb im KZ Neuengamme bei Hamburg am 20. Dezember 1944 an Ruhr, einer Dickdarmerkrankung.

Während Hermann van Pels nach einer Handverletzung bereits Anfang Oktober 1944 in der Gaskammer ermordet wurde, verstarb seine Frau Auguste einen Monat vor der Kapitulation der Nazis am 9. April 1945 während des Transports zum KZ Theresienstadt. Peter lebte nach dem Kriegsende in Europa, starb jedoch zwei Tage danach, am 10. Mai 1945, im KZ Mauthausen nachdem dieses fünf Tage zuvor befreit wurde. Als Todesdatum wird manchmal, wie auf seinem Stolperstein, fälschlicherweise das Datum der Befreiung des KZ Mauthausen angegeben. Zum Gedenken an die Familie sind in Osnabrück Stolpersteine der van Pels vor ihrem ehemaligen Wohnhaus in der Martinistraße 67a zu finden.

Vor genau 80 Jahren: Anne Frank, ihre Familie und die Familie van Pels aus Osnabrück fliegen auf
Stolpersteine zum Gedenken an die Familie van Pels in der Martinistraße 67a / Foto: Maximilian Kahle

Anne Franks Tagebuch wird weltberühmt

Nachdem bekannt wird, dass Anne und Margot Frank im KZ ums Leben gekommen sind, gibt Miep Gies, eine Helferin der acht Juden im Hinterhaus, Otto Frank das Tagebuch von Anne Frank. Er konnte sich selbst aus Schmerz nicht dazu bewegen, das Tagebuch zu lesen. Als er es schließlich doch liest, ist er tief bewegt von den Worten seiner Tochter. Nachdem Otto Frank Auszüge an Angehörige und Bekannte zusendete, rieten sie ihm das Buch zu veröffentlichen. Im Jahre 1947 findet Otto dann einen niederländischen Verlag, der das Tagebuch „Het Achterhuis“ (Das Hinterhaus) veröffentlicht. Es wird weltberühmt. Anne Frank wird weltberühmt.

„Wie stolz wäre Anne Frank gewesen, wenn sie dies erlebt hätte“, schrieb Otto über die erste Ausgabe des Buchs. Sie wurde zum Symbolbild des Leidens der Juden während des Holocaust und der Herrschaft der Nationalsozialisten. Genauso gibt sie auch eine Figur der Hoffnung. Ihr Tagebuch wurde mehr als 20 Millionen mal verkauft, in mehr als 70 Sprachen übersetzt und ihre Geschichte wurde viele Male verfilmt. In Osnabrück gibt es am Sonnenhügel beispielsweise die „Anne-Frank Schule“. Außerdem gibt es Statuen von ihr und Museen wie das „Anne Frank House“ in Amsterdam, das sich in dem ehemaligen Versteck in der Prinsengracht 263 befindet. Auf der Seite des Museums sind mehr Informationen zu ihrer Geschichte zu finden.


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