Heiligt der Zweck wirklich die Mittel? Dass Osnabrück ein Problem hat bezahlbaren Wohnraum bereitzustellen, dürfte unbestritten sein. Über alle Parteigrenzen hinweg wird dies als eine der größten Herausforderungen für die Hasestadt beklagt. Bei der Auftaktveranstaltung zu einem Bürgerbegehren zeigten sich mehrere im Visier des Verfassungsschutzes befindliche Gruppierungen Seite an Seite mit SPD, Grünen und kirchlichen Verbänden.
Vor dem Theater am Domhof sprach am vergangenen Samstag der katholische Diakon Dr. Gerrit Schulte und sang der DKP-Politiker Achim Bigus revolutionäre Arbeiterlieder; eine eher ungewohnte Mischung.
Zahlreiche Unterstützer sammelten Unterschriften und fragten zusätzlich auch die Adressdaten der Unterzeichner ab. Wie der Datenschutz der Adressdaten sichergestellt ist – auch vor dem radikalen Hintergrund einiger Unterstützerorganisationen – wollte unsere Redaktion von dem verantwortlichen Aktionsbündnis wissen, erhielt jedoch keine Antwort.
Hintergrund: Defizitäre Wohnungsbaugesellschaft 2002 verkauft
Wenn es um Lösungsstrategien gegen den Wohnraummangel geht, sind die im Stadtrat vertretenen demokratischen Parteien zerstritten. Und selbst quer durch die „Regenbogenkoalition“, die bekanntlich von der Linkspartei bis zur FDP reicht, zieht sich dieser Konflikt.
Zusammen mit der CDU, dem Bund Osnabrücker Bürger (BOB) und Oberbürgermeister Wolfgang Griesert stellen sich auch die Liberalen und die Gruppe UWG/Piraten gegen Pläne „von Null“ wieder eine städtische Wohnungsbaugesellschaft aufzubauen.
Im Jahr 2002, unter anderen Mehrheitsverhältnissen im Stadtrat, wurde die damalige hochdefizitäre OWG aus städtischem Besitz verkauft. Über Umwege und Weiterverkäufe geriet sie schließlich in die Hände des Vonovia Konzerns. Kurzzeitig, vor der Kommunalwahl 2016, hatte es sogar eine Ratsmehrheit und einen Beschluss für die Neugründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft gegeben, doch dem wollten die neuen Mehrheitsverhältnisse nicht folgen.
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Mit einem Bürgerbegehren, für das binnen sechs Monaten die Unterschriften von 7,5 Prozent der Stimmberechtigten der letzten Kommunalwahl gesammelt werden müssen (= 9.831), soll nun ein anderer Weg beschritten werden, eine neue Wohnungsbaugesellschaft auf den Weg zu bringen.
Unter den Unterstützern des unter dem Namen Osnabrücker Bündnis für bezahlbaren Wohnraum agierenden Aktionsbündnisses, gehören auch die Osnabrücker SPD und die Grünen, aber auch der DGB und als Vertreter der beiden großen Kirchen die evangelische Diakonie und die katholische Caritas.
Demokratische Parteien Hand in Hand mit DKP & Co?
Ein Leser* der HASEPOST, der selbst aktiv in einer katholischen Kirchengemeinde aktiv ist, machte unsere Redaktion auf weitere Unterstützer aufmerksam, die zumindest bei ihm für einen schlechten Beigeschmack sorgen.
Seite an Seite mit den beiden demokratischen Parteien SPD und Grüne, kirchlichen Organisationen und anderen Unterstützern, waren bei der Auftaktveranstaltung am vergangenen Samstag auf Plakaten u. a. auch die Logos der kommunistischen Partei DKP und der linksextremen Jugendorganisation SDAJ zu finden.
Auch auf der Aktionswebsite zum Bürgerbegehren tauchen diese Organisationen als „Unterstützer*innen“ auf.
Unsere Redaktion fragte bei SPD, Grünen sowie der Caritas und der Diakonie nach, ob diese offensichtliche Zusammenarbeit mit den von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder unter regelmäßiger Überwachung stehenden Organisationen so gewollt sei?
Während die Osnabrücker Grünen unsere Anfrage ignorierten (dort wird weiterhin eine selektive Pressearbeit gepflegt), antwortete uns Antje Schulte-Schoh, Vorsitzende der Osnabrücker SPD. Schulte-Schoh sieht es als „fragwürdig“ und „an den Haaren herbeigezogen“ an, daraus eine Zusammenarbeit zu „konstruieren“, wenn das SPD-Logo neben Hammer und Sichel der KPD und anderen Logos von vom Verfassungsschutz beobachteten Organisationen prangt.
„Man kann sich eben nicht aussuchen, wer die SPD Argumente in dieser Sache teilt und wer nicht. Wenn DKP und SDAJ sich unserer Meinung anschliessen, dann ist das so und liegt vermutlich an der Kraft der Argumente für eine Wohnungsbaugesellschaft, für die wir übrigens eine breite Mehrheit in der Osnabrücker Stadtgesellschaft erkennen und da spielen Splittergruppen wie DKP und SDAJ nun wirklich keine Rolle“, so die SPD-Vorsitzende.
Auch Franziska Kückmann, stellvertretende Pressesprecherin der katholischen Caritas betont das langjährige Engagement ihres Verbandes gegen die Wohnungsnot. Wenn DKP & Co. ebenfalls um Unterschriften für das Bürgerbegehren bitten, dann sei das „in der Sache begründet“, und weiter „wir haben keinen Einfluss darauf, wer sich in dieser Frage ebenfalls engagiert. Dazu fragen Sie bitte die Verantwortlichen des Bündnisses an.“
Erhalten Linksradikale Zugriff auf Adressdaten?
Selbstverständlich hatte unsere Redaktion bereits am Dienstag auch auf der Aktionswebsite für Presseanfragen genannten Stefan Wilker um ein Statement gebeten. Wir baten Wilker insbesondere auch um Erklärung, wie sichergestellt wird, dass die Adressdaten auf den Unterschriftbögen nicht in die Hände der von der Bundesregierung als verfassungsfeindlich erkannten Organisationen geraten?
Wie die Osnabrücker Grünen zog es der Pressesprecher des Aktionsbündnisses vor unsere Anfrage unbeantwortet zu lassen.
Kommentar des Redakteurs
Die Zeiten, in denen junge Menschen nicht Briefträger werden durften, weil sie bei Veranstaltungen der DKP oder der zuvor verbotenen KPD gesehen wurden, sind vorbei – zum Glück. Auch von einem Arbeiterlieder schmetternden DKP-Politiker geht sicher keine Gefahr für unsere Gesellschaft aus – dennoch tut Distanz der demokratischen Kräfte not.
Nicht ohne Grund gibt es bei der SPD einen seit den 70er Jahren nicht revidierten „Abgrenzungsbeschluss“, der eine allzu enge Zusammenarbeit mit den vom Verfassungsschutz beobachteten Kommunisten und den ihr nahestehenden Organisationen verbietet. Ob diese Abgrenzung hier nicht schon längst geboten ist, sollten die Osnabrücker Sozialdemokraten schleunigst klären.
Und auch die christlichen Kirchen, die nicht müde werden sich von der rechten AfD auf Kirchentagen oder in Diskussionsrunden zu distanzieren, dürfen auf dem linken Auge nicht blind sein, sonst machen sie sich unglaubwürdig.
Wer am vergangenen Samstag seine Adressdaten auf einer Unterschriftenliste hinterließ, sollte sichergehen dürfen, dass er diese Informationen nicht an Vertreter von Organisationen übergeben hat, die im Visier der Verfassungsschützer stehen. Schon deshalb ist es erschreckend, wenn sich der Sprecher des Aktionsbündnisses – genau wie die Osnabrücker Grünen – auf Nachfrage nicht zur Angelegenheit äußern.
Der guten Idee, einer neuen Wohnungsbaugesellschaft auf die Beine zu helfen, nützt weder Schweigen noch Relativeren, solange derartige Organisationen drohen die gute Idee und die Unterschriftensammlung für sich zu vereinnahmen.
Nicht auszudenken, wenn die auch im Namen von SPD, Grünen, Caritas, Diakonie und anderen ehrenhaften Organisationen gesammelten Adressdaten bei linksextremen Organisationen gespeichert werden.
* Name der Redaktion bekanntVon der evangelischen Diakonie blieb unsere Anfrage wegen Urlaub des Pressesprechers unbeantwortet.