Eröffnung am 15. September: Deshalb lohnt sich ein Besuch der Villa_ im Museumsquartier Osnabrück

Am kommenden Sonntag, den 15. September, öffnet in Osnabrück ein neuer, außergewöhnlicher Ausstellungs- und Lernort im Museumsquartier seine Türen: Die Villa_ Forum für Erinnerungskultur und Zeitgeschichte. Die HASEPOST durfte die Villa_ (ehemals Villa Schlicker) vorab besuchen und kann diesen einzigartigen Ort der Geschichtsaufarbeitung und Reflexion nur wärmstens empfehlen. Mit ihren 16 Räumen auf vier Etagen bietet die Villa_ eine facettenreiche und interaktive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und den gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart.

Interaktives Museumserlebnis der besonderen Art

Die Hauptausstellung, die sich im ersten Obergeschoss der Villa_ befindet, beeindruckt durch ihre interaktive Gestaltung. Statt passiv Informationen aufzunehmen, werden alle Besucherinnen und Besucher aktiv in den Ausstellungsprozess einbezogen. Bereits am Eingang erhält man ein Armband, das es ermöglicht, an interaktiven Stationen Antworten auf verschiedene Fragen zu geben. Diese Antworten werden gespeichert und am Ende des Rundgangs ausgewertet, um den Besuchenden ein individuelles Profil zu präsentieren – eine spielerische, aber dennoch tiefgreifende Methode, sich mit komplexen Themen auseinanderzusetzen. Die Ausstellung vermittelt so fundiertes Wissen über die NS-Zeit und ihre Folgen, ohne dabei belehrend zu wirken.

Interaktive Station in der Villa_ / Foto: Dominik Lapp
Eine der interaktiven Stationen in der Villa_. / Foto: Dominik Lapp

Die Interaktivität zeigt sich in vielfältigen Formen: Besucherinnen und Besucher können Schubladen und Klappen öffnen, Scheiben an Wänden platzieren oder audiovisuelle Stationen nutzen, an denen Ton- und Bilddokumente wie Zeitzeugenberichte und Interviews präsentiert werden. Berührend sind auch die originalen Möbelstücke der Familie Nussbaum, die einen unmittelbaren Bezug zur persönlichen Geschichte und den Lebensumständen der Zeit herstellen.

Möbel der Familie Nussbaum in der Villa_ / Foto: Dominik Lapp
Original-Möbel der Familie Nussbaum in der Villa_. / Foto: Dominik Lapp

Räume für gemeinsames Lernen und Dialog

Die Villa_ ist jedoch nicht nur ein Ort des Erinnerns, sondern auch ein Raum für gemeinsames Lernen und Diskutieren. Im zweiten Obergeschoss befindet sich eine Bibliothek, die als Raum für Gruppenarbeiten konzipiert ist. Besonders Schulklassen und Jugendgruppen werden hier die Möglichkeit finden, sich intensiv mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Doch die Ausstellung spricht ebenso Erwachsene an – es ist ein Ort, der Generationen verbindet und zur kritischen Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit und der wechselvollen Geschichte des Hauses anregt.

Im Erdgeschoss erwartet die Besucher bereits ein Highlight: Das Café Felka, das seit Juni geöffnet ist. Hier können sich Besucher nach ihrem Rundgang bei einer Tasse Kaffee oder einem Stück Kuchen ausruhen und das Erlebte Revue passieren lassen. Gleichzeitig befindet sich auf dieser Etage ein Forum, das als Raum für Diskussionen und Veranstaltungen dient.

Interaktive Station in der Villa_ / Foto: Dominik Lapp
Bei dieser interaktiven Station befinden sich Ausstellungsstücke und Begleittexte hinter den blauen Türen. / Foto: Dominik Lapp

Luftschutzkeller als bedrückender Zeitzeuge

Im Untergeschoss der Villa_ wird die bedrückende Atmosphäre der Kriegszeit eindrücklich erfahrbar. Der restaurierte Luftschutzkeller zeigt eindrucksvoll, welche Schrecken die Bewohner Osnabrücks während des Zweiten Weltkriegs erleiden mussten. Besonders ein geschmolzenes Einmachglas, das Temperaturen von mindestens 1.400 Grad ausgesetzt war, erinnert an die Feuerstürme, die die Stadt zerstörten. Ergänzt wird die Ausstellung im Keller durch Videoaufnahmen, die die Zerstörungen Osnabrücks dokumentieren und den Besucherinnen und Besuchern einen tiefen Einblick in die Gräuel des Krieges gewähren.

Von links: Kulturdezernent Wolfgang Beckermann, Museumsdirektor Nils-Arne Kässens und Kurator Thorsten Heese im Luftschutzkeller. / Foto: Dominik Lapp
Von links: Kulturdezernent Wolfgang Beckermann, Museumsdirektor Nils-Arne Kässens und Kurator Thorsten Heese im Luftschutzkeller. / Foto: Dominik Lapp

Die Villa_: Ein Gebäude mit bewegter Geschichte

Das Gebäude selbst hat eine lange und wechselvolle Geschichte. Ursprünglich war die Villa_ das bürgerliche Wohnhaus der Familie Schlikker, doch zwischen 1932 und 1945 diente sie als Hauptquartier der Osnabrücker NSDAP. In diesen Räumen wurden die Entscheidungen getroffen, die das Leben vieler Menschen in der Region während der NS-Zeit prägten. Heute wird dieser Ort der Täterschaft zu einem Forum der Reflexion und des Dialogs umgestaltet.

Mit der Villa_ entsteht im Museumsquartier Osnabrück ein neuer, gesellschaftspolitisch bedeutender Lernort. Hier werden die Ursachen und Folgen der nationalsozialistischen Herrschaft analysiert, um daraus Lehren für die Gegenwart zu ziehen. Besonders die Geschichte des Osnabrückers Hans Georg Calmeyer steht im Mittelpunkt der Ausstellung. Calmeyer, ein Jurist, der während des Zweiten Weltkriegs in den Niederlanden arbeitete, rettete etwa 3.000 jüdische Menschen vor der Deportation. Doch seine Biografie zeigt auch die Ambivalenz menschlichen Handelns in schwierigen Zeiten, denn in vielen anderen Fällen konnte oder wollte er nicht helfen.

Ausstellungsraum in der Villa_ erklärt das System von Calmeyer. / Foto: Dominik Lapp
In diesem Ausstellungsraum wird das komplexe System von Hans Georg Calmeyer mittels interaktivem Tisch veranschaulicht. / Foto: Dominik Lapp

Ein Ort der kritischen Auseinandersetzung

Die Villa_ ist mehr als ein Museum. Sie ist ein Forum, in dem kritische Debatten geführt und Meinungen ausgetauscht werden sollen. Der Name des Hauses spiegelt dies wider: Der Unterstrich im Namen der Villa_ ist kein gestalterisches Element, sondern ein Symbol für die Differenzen und Diskussionen, die bei der Namensfindung geführt wurden. Am Ende steht der Anspruch, dass dieser Ort ein Raum für demokratische Prozesse und Debatten wird, an dem alle gesellschaftlichen Gruppen beteiligt sind.

Ein Blick in die Zukunft

Mit der Villa_ entsteht ein Ort, der nicht nur der Vergangenheit gewidmet ist, sondern auch den Blick auf unsere Gegenwart und Zukunft richtet. Welche Lehren können wir aus der Geschichte des Nationalsozialismus ziehen? Welche Verantwortung tragen wir als demokratische Zivilgesellschaft? Diese Fragen sollen dort diskutiert und durch zahlreiche Begleitveranstaltungen wie Stadtführungen, Workshops, Lesungen und Vorträge vertieft werden.

In diesem Heft gibt's die Termine zum umfangreichen Begleitprogramm. / Foto: Dominik Lapp
In diesem Heft gibt’s die Termine zum umfangreichen Begleitprogramm. / Foto: Dominik Lapp

Fazit, Öffnungszeiten, Eintritt

Die Villa_ im Museumsquartier ist ein lebendiger und interaktiver Lernort, der durch seine Mischung aus historischem Bewusstsein, interaktiver Ausstellungsgestaltung und dem Fokus auf die Auseinandersetzung mit unserer Gegenwart und Zukunft einen unverzichtbaren Beitrag zur Erinnerungskultur leisten wird. Ein Besuch ist nicht nur lohnenswert, sondern unerlässlich für alle Menschen aus Osnabrück sowie Touristen.

Am Eröffnungstag, dem 15. September, wird das gesamte Museumsquartier bei freiem Eintritt geöffnet sein. Darüber hinaus sind die Öffnungszeiten Dienstag bis Freitag von 11:00 bis 18:00 Uhr, Samstag und Sonntag von 10:00 bis 18:00 Uhr. Diese Öffnungszeiten gelten auch für das Café Felka. Der Kombi-Eintritt für alle Häuser beträgt 8 Euro für Erwachsene und 6 Euro für Ermäßigungsberechtigte. Alle unter 18 Jahren, Studierende und Geflüchtete erhalten freien Eintritt. Wer nur die Villa_ besuchen möchte, zahlt 4 Euro.


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Dominik Lapp
Dominik Lapp
Dominik Lapp ist seit 2023 Redaktionsleiter der HASEPOST. Der ausgebildete Journalist und Verlagskaufmann mit Zusatzqualifikation als Medienberater, Social-Media- und Eventmanager war zuvor unter anderem als freier Reporter für die Osnabrücker Nachrichten, die Neue Osnabrücker Zeitung und das Meller Kreisblatt sowie als Redakteur beim Stadtmagazin The New Insider und als freier Autor für verschiedene Kultur-Fachmagazine tätig. Seine größte Leidenschaft gilt dem Theater, insbesondere dem Musical und der Oper, worüber er auch regelmäßig auf kulturfeder.de berichtet.

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