Für Brit (57) und Thomas Wessel (59) aus Hasbergen ist im vergangenen Jahr ein Traum in Erfüllung gegangen. Die beiden nahmen sich eine viermonatige Auszeit und bereisten mit ihrem Rucksack Südostasien. Jetzt bleibt ihnen noch knapp eine Woche, bis es für sie zurück ins derzeit kalte und graue Deutschland geht.
Februar 2020: Brit und Thomas Wessel kommen mit dem letzten Schiff nach Deutschland, bevor die Einreisebeschränkungen vielen Deutschen einen Strich durch ihre Urlaubsplanung machen. „Wir konnten nicht mehr reisen und mussten zuhause bleiben“, erinnert sich Brit. „Das war schrecklich für uns“, sagt Thomas. Doch dann die Idee: ein viermonatiges Sabbatical sollte den angestauten Reiseschmerz heilen. „Im Sommer 2020 sind wir mit den Planungen gestartet“, erzählt der 59-Jährige. Im Herbst haben sie dann mit ihren Arbeitgebern gesprochen. In etlichen Unternehmen ist eine berufliche Auszeit völliges Neuland, auch bei ihnen sei es anfangs nicht so einfach gewesen. Als es dann klappte, war die Freude riesig. Doch bis das große Abenteuer losgehen konnte, mussten einige Dinge geklärt werden. Online planten sie knapp anderthalb Jahre ihre Reise. Völlig neu war für die beiden, die sonst mit dem Kreuzfahrtschiff die Welt entdeckten, der große Rucksack.
Start in Singapur
Anfang Oktober ging es für das Ehepaar dann Richtung Südostasien. Erster Halt: Singapur. Im Schlepptau hatten die beiden ihren 25-jährigen Sohn und ihre 28-jährige Tochter. „Wir hatten doch einen ziemlich großen Abschiedsschmerz“, erzählt Brit. Da der Tourismus in Singapur gerade erst wieder anlief, kam auf die vierköpfige Familie direkt zu Beginn eine große Überraschung zu. Im vor allem durch ihren Infinitypool bekannten Marina Bay Sands bekamen sie ein Upgrade und fanden sich mit ihrem Reisegepäck plötzlich in einer 400 Quadratmeter Suite in der 50. Etage wieder. „Sogar ein Konzertflügel hatten wir dort. Wir haben uns gefühlt wie die Geissens“, erzählt die 57-Jährige lachend. „Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich darüber rede.“ Doch das sollte nicht der letzte Gänsehautmoment ihrer Auszeit sein.
Nach zehn Tagen reisten ihre Kinder wieder Richtung Deutschland und für Brit und Thomas Wessel ging es mitten in den Urwald, nach Bukit Lawang. „Mit unserem Backpack sind wir auf Rollern durch die Marktstände zu unserer Unterkunft gefahren worden“, erzählt Thomas. „In einem James Bond-Film gibt es so eine ähnliche Szene.“ Bei den Orang Utans konnten die beiden erst einmal richtig runterkommen und sich auf ihren Trip einstellen. „Wir wurden so herzlich aufgenommen“, erzählt Brit. „Und es ist erstaunlich, mit wie wenig Geld man hier leben kann“, ergänzt Thomas. Zu Anfang war die Umstellung groß – hohe Temperaturen und Luftfeuchtigkeit, ganz anderes Essen. Jetzt können sich die Hasberger kaum vorstellen, ins kalte Deutschland zurückzukehren. An dem fernen Kontinent haben sie vor allem die Gastfreundschaft und Seelenruhe der Menschen schätzen gelernt. „Die Ruhe, die die Menschen hier haben, ist unglaublich. Sie sind richtige Teamplayer, arbeiten von morgens bis abends über den Tag verteilt ganz entspannt und schaffen so viel dabei“, erzählt Thomas.
Irgendwann holte die beiden der Reisestress ein
Die selbsternannten „Senior Backpacker“ bereisten in den vergangenen vier Monaten Indonesien, Kambodscha, Malaysia und Vietnam. Dazu gehörte es auch, auf allen Vieren morgens um halb vier über Lavagestein und durch Moskitos den Vulkan hochzukraxeln. In Hanoi (Vietnam) wurde ihnen der Reisestress dann doch zu groß, sie hatten es satt, sich alles anzuschauen. Glücklicherweise hatten sie hauptsächlich Unterkünfte und Flüge mit kostenloser Stornierung gebucht. „Wir haben dann entschieden, noch mal nach Bali zu reisen und hier zu entspannen“, erzählt Brit. Dort konnte sie sich einen kleinen Traum erfüllen: einen Surfkurs. Für Thomas ist bereits auf Flores sein Reiseziel in Erfüllung gegangen: Komodowarane in der freien Natur sehen. Zahlreiche Tierarten konnten sie auf ihrem Trip bestaunen, an die Tiere in ihrem Bett können sie sich aber bis heute nicht gewöhnen. „Wir haben richtige Routinen entwickelt“, erzählt Brit lachend. „Wir decken abends erstmal das ganze Bett ab, schütteln frische Wäsche immer erst aus und meinen Schlafanzug rolle ich jeden morgen zusammen und verstaue ihn in meinem Rucksack.“
Wie geht es in Deutschland weiter?
Brit und Thomas Wessel sind froh, die Reise jetzt gemacht zu haben. „Viele warten bis zur Rente“, weiß Thomas. „Viele Dinge könnten wir dann körperlich aber gar nicht mehr.“ Die Reise sei auch ein Test dafür gewesen, wie es nach der Rente für die beiden weitergehen soll. Und die Hasberger sind sich sicher: „Unser Reise-Gen ist so ausgeprägt, wir werden eine Weltreise machen. Und im Winter fahren wir immer ins Warme.“ Der Rucksack soll dann erst mal zuhause bleiben, aber wird sicherlich noch einmal zum Einsatz kommen. Doch bis es soweit ist, werden sie in ihre Jobs als Groß- und Außenhandelskauffrau und als Elektroingenieur zurückkehren.
Am 10. Februar landet ihr Flugzeug von Bangkok aus am FMO. Dann freuen sie sich vor allem auf Familie und Freunde. Aber noch ein paar weitere Dinge haben sie vermisst: Tanzsport, ein Einkauf in der Drogerie, ein Friseurbesuch, ihren Garten und ein kühles Glas Weißwein. Und obwohl Brit und Thomas Wessel bereits seit über 35 Jahren verheiratet sind, hat sie die Reise noch enger zusammengeschweißt. „Ich hatte echt viel Respekt davor – obwohl wir schon über 45 Jahr zusammen sind -, dass wir vier Monate rund um die Uhr aufeinander hängen“, sagt Brit. Sie hätten auf ihrer Reise viel Zeit gehabt, um über Dinge zu sprechen und ihre Gedanken auszutauschen.
In einem virtuellen Reisetagebuch nehmen die beiden seit Reisestart ihre Freunde mit. Künftig wollen sie weitere Urlaube und Erlebnisse dort dokumentieren. Weitere Eindrücke der Reise gibt es auf ihrem Blog „Salzwasserherz“.