Dank einer hervorragenden Mannschaftsleistung holte der VfL beim Aufstiegsfavoriten VfB Stuttgart ein verdientes torloses Unentschieden und entledigte sich damit der größten Abstiegssorgen, zumal Karlsruhe und Wehen patzten.
Vor dem Spiel:
Dank eines unbändigen Siegeswillen der ganzen Mannschaft und einer alles überragenden, erstligareifen Torhüterleistung von Philipp Kühn gelang dem VfL bereits in der Hinserie die bis dahin erste wirklich große Sensation dieser Saison, nämlich ein äußerst glücklicher, letztendlich aber nicht einmal gänzlich unverdienter 1:0-Sieg gegen den Ex-Erstligisten aus Stuttgart. Unvergessen auch die Atmosphäre an diesem Tag an der Bremer Brücke, als mit den „Kühn! Kühn! Kühn!“-Rufen ein neuer Publikumsliebling geboren wurde.
Mit diesem Sieg legte der VfL damals den Grundstein für den Abschluss einer sensationellen Hinserie, holte danach einen Punkt in Bochum, gewann im nächsten Heimspiel sogar 2:1 gegen den übermächtigen HSV, nahm aus Kiel mit einem 4:2-Sieg drei Punkte mit und räumte im letzten Spiel der Hinserie Dynamo Dresden 3:0 vom Platz.
Genau diese Spiele warten nun auf den VfL bis zum Saisonende, eine Wiederholung der Ergebnisse der Hinrunde wären zwar wünschenswert, dürften aber an der Realität scheitern.
„Stuttgart will und muss uns schlagen, wenn sie aufsteigen wollen. Wir sind krasser Außenseiter“, meinte Thioune in der Pressekonferenz vor dem Spiel. Er wolle mit seinem Team frech und mutig beim VfB antreten, der immerhin die heimstärkste Mannschaft der zweiten Liga stellt und zu Hause bislang nur gegen Wehen Wiesbaden und Holstein Kiel verloren hatte. Stuttgarts Trainer Matarazzo bemühte vor dem Spiel die Fußballplattitüde, der VfL sei „ein sehr unangenehmer Gegner“, die sich auf der Abgedroschenheitsskala auf Platz 8 befinden soll.
Der VfL von Anbeginn an ein ebenbürtiger Gegner
Matarazzo vertraute bis auf eine Veränderung auf dieselbe Elf wie beim 2:0-Sieg gegen Dynamo Dresden. Nur der zuletzt gelbgesperrte Badstuber kehrte in die Mannschaft zurück und Kapitän Kempf musste wieder auf die Bank.
Gegenüber der Aufstellung vom Regensburg-Spiel nahm Daniel Thioune gleich vier Änderungen vor: Engel, Schmidt und Henning standen für Agu, Wolze und Ouahim und Ajdini für den verletzten Ceesay in der Startelf.
Ist die Atmosphäre an der leeren Bremer Brücke schon gewöhnungsbedürftig, so ist sie in einem Stadion mit 60.000 leeren Plätzen fast surreal.
Die ersten Minuten passierte bis auf einen Schuss (6.) von Mangala nichts allzu Aufregendes, dann flankt Heyer in der 9. Minute auf Schmidt, der mit seinem Kopfball nur knapp das Stuttgart Tor verfehlt. Eine tolle Aktion, die zeigte, dass der VfL mitspielen wollte.
Wenig später auf der Gegenseite (12.) flankt Stenzel von rechts weit in den Osnabrücker Strafraum hinein, der Kopfball von Gonzalez geht am rechten Pfosten vorbei, wobei Al Ghaddioui einen Schritt zu spät kommt, um den Ball über die Linie zu drücken.
Girth hat das 1:0 auf dem Fuß
Nach der Hälfte der ersten Halbzeit lässt sich feststellen, dass der VfL mithalten und mit gut ausgespielten Kontern die Stuttgarter hin und wieder in Verlegenheit bringen kann.
In der 24. Minute trat Endo auf das rechte Handgelenk von Amenyido, der trotz des stark angeschwollener Unterarms zunächst weiterspielen wollte, doch dann in der 30. Minute gegen Girth ausgewechselt werden musste.
Der VfB wusste bis dahin mit seinem Ballbesitz gegen die ausgezeichnet gestaffelte Osnabrücker Abwehr nicht viel anzufangen. In der 35. Minute gab es zwar etwas Unruhe im VfL-Strafraum, aber eine zwingende Torchance der Stuttgarter war nicht dabei.
In der 40. Minute dann fast das 1:0 für den VfL. Ein traumhafter Spielzug endet am linken Pfosten: Blacha schlenzt den Ball mit einem Heber zu Heyer, der lenkt per Hacke auf Schmidt weiter, der wiederum spielt direkt links zu Girth auf Höhe des Elfmeterpunkts und der …? Der bringt das Kunststück fertig, ungehindert das leere Tor zu verfehlen und den linken Pfosten zu treffen. Selbst wenn es Abseits gewesen sein sollte, so eine Chance darf sich ein Spieler nicht entgehen lassen.
Auf der anderen Seite (43.) spielt Förster nach einem Dribbling Mangala an, der aus nur zehn Metern an Kühn scheitert.
Halbzeitfazit:
Trotz der sich abzeichnenden spielerischen Überlegenheit des VfB blieb der VfL stets im Spiel und hielt dank einer hervorragend organisierten Abwehr zurecht ein torloses Unentschieden.
Tipp: Die Halbzeitgedanken, eine Melange aus Hintergrundinformation und Kommentar, erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Sie fallen hin und wieder recht knapp, manchmal aber auch sehr ausführlich aus. Wem das Lesen der Halbzeitgedanken zu mühselig und informativ ist: Ganz einfach weiter nach unten scrollen, dort geht es dann mit dem aktuellen Spielbericht weiter. Mitunter werden die Halbzeitgedanken auch wiederholt, wenn sich beim jeweiligen aktuellen Gegner und dessen Heimatstadt seit dem letzten Aufeinandertreffen nicht viel geändert hat.Halbzeitgedanken: Abwegige Halbzeitgedanken: Alles andere als abwegige Halbzeitgedanken: |
Beide Teams gehen ohne Wechsel in die zweite Halbzeit
Wie zu befürchten war, übernahm Stuttgart nun das Kommando, erhöhte die Schlagzahl und schien den VfL durch ständige Angriffe während der ersten Minuten der zweiten Halbzeit zermürben zu wollen. Nach knapp zehn Minuten kam der VfL aber zu ersten Entlastungsangriffen und verteidigte auch in dieser Phase nach wie vor gut. Gegen das defensive Mittelfeld um Taffertshofer herum schienen die Stuttgarter auch nach 70 Minuten Spielzeit keine Lösung parat zu haben.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der VfB keine einzige klare Torchance.
Stuttgart bläst zur Schlussoffensive
In der Schlussviertelstunde schmeißt Stuttgart alles nach vorn und die VfL-Abwehr kann sich über Beschäftigungsmangel nicht beklagen. Immer wieder wirft sich ein Osnabrücker den Stuttgarter Angreifern entgegen und der VfL kommt kaum zum Luftholen und dennoch hat Girth in der 83. Minute sogar die Chance per Kopf zu treffen.
Der VfB nach der Einwechslung mit Gomez in den letzten Minuten nun mit vier Stürmern auf dem Platz, doch dem VfL gelingt es, mit sehr viel Geschick und ganz wenig Glück zu verteidigen, das Tempo aus dem Spiel zu nehmen und die Stuttgarter zur Verzweiflung zu treiben.
Auch die fünf Minuten Nachspielzeit konnten dem VfL nicht mehr zusetzen und er hielt mit einer bravourösen Mannschaftsleistung das Unentschieden. In der 95. Minute hätte Heider sogar fast durch einen abgefälschten Schuss das 1:0 erzielt. Das wäre dann, zumindest aus Stuttgarter Sicht, vielleicht des Guten zu viel, aber durchaus möglich gewesen.
Fazit:
Nach nur 68 Jahren trennten sich die beiden Mannschaften wieder einmal 0:0.
Aus einer großartig kämpfenden Mannschaft ragte niemand hervor und wenn doch, dann werde ich es nicht verraten (Taffertshofer & Henning), denn ich bemühe für diese Gesamtleistung des Teams lieber das uralte Zitat aus dem Jahr 1955 von Sammy Drechsel: „11 Freunde müsst ihr sein.“ Und wären Fans im Stadion gewesen, hätten sie skandiert: „Der VfL ist wieder da!“
Wie schrieb VfL-Fan Ali Bölzen? „Die VfB-Schwaben können eben alles außer Hochdeutsch und Fußball gegen den VfL Osnabrück.“
Die Lila-Weißen befinden sich auch vier Spieltage vor dem Saisonende auf keinem Abstiegsplatz, und das wird bis zum letzten Spieltag so bleiben, da lege ich mich fest.
Am kommenden Samstag kommen die wiedererstarkten Bochumer, drei Tage später geht es zum HSV, der praktisch jedes Spiel gewinnen muss, wenn er aufsteigen will, dann kommt Holstein Kiel an die Brücke, bevor es nach Dresden geht.
Zahlen, Daten & FaktenZuschauer (wie derzeit bundesweit üblich) Tore Gelbe Karten VfB Stuttgart: Kobel – Stenzel (75. Churlinov), Kaminski, Badstuber, Mola (61. Wamangituka) – Castro, Endo, Mangala (61. Klement) – Förster (85. Gomez), González – Ghaddioui (75. Kalajdzic) VfL Osnabrück: Kühn – Ajdini, Gugganig, Trapp, Engel (60. Agu) – Blacha (90. Köhler), Taffertshofer, Heyer – Henning, Schmidt (60. Ouahim) – Amenyido (30. Girth, 90. Heider für Girth) Schiedsrichter: Tobias Welz (Wiesbaden) 21.05.1950 VfL:VfB 1:2 – Achtelfinale um die Deutsche Meisterschaft |
Tabellarisches
Der VfL stand nach der durchwachsenen Partie gegen Regensburg mit der Durchschnittsnote 3,31 auf dem dritten Platz der Kickerformtabelle, wohingegen der VfB Stuttgart eine trauriges Dasein auf dem vierzehnten Platz mit der Note 3,61 fristete.
Die reale Tabelle stellte die Kickerrangliste mal wieder komplett auf den Kopf: Tatsächlich trat der VfL als Tabellenvierzehnter des 29. Spieltags gegen den Zweiten aus Stuttgart an.
Titelfoto: Foto: imago images / Poolfoto; Wolfgang Zink, Sportfoto Zink