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VfL Osnabrück: KÜHN gegen Stuttgart 1:0

„KÜHN! KÜHN! KÜHN!“

Dank eines unbändigen Siegeswillen der ganzen Mannschaft und einer überragenden, erstligareifen Torhüterleistung gelang dem VfL die erste wirklich große Sensation in dieser Saison, nämlich ein äußerst glücklicher, letztendlich aber nicht einmal unverdienter 1:0-Sieg gegen den Ex-Erstligisten aus Stuttgart.

Tatsächlich fand heute das erste gemeinsame Liga-Punktspiel beider Vereine statt. Die fünf anderen gemeinsamen Partien liegen etliche Jahrzehnte zurück, zweimal ging es um den DFB-Pokal (Anfang der 80er Jahre) und dreimal um die deutsche Meisterschaft (Anfang der 50er Jahre). Alles Weitere dazu ist am Ende des Berichts unter „Statistik“ aufgeführt.

Vor dem Spiel:

Nach dem nervenaufreibenden 3:3 in Regensburg war man vor dem Spiel fast dazu geneigt, sich nach einem torlosen Unentschieden zurückzusehnen. Nimmt man die Kickerformtabelle als Maßstab, so trat übrigens der Zweite gegen den Sechzehnten an.
Moment!
Der VfL steht dort auf Platz zwei und die Stuttgarter auf dem Relegationsplatz, damit das klar ist! Wie so etwas zustande kommt? Nun, die Kicker-Notengeber sind – wie beim VfL auch – lokale Sportjournalisten und da gehen die Stuttgarter Reporter mit ihrem Ex-Erstligisten offenbar sehr viel kritischer um als die Osnabrücker mit ihrem VfL, der als Aufsteiger zurecht eine Art Welpenschutz genießt (mehr dazu auch in unserem Podcast „Rückfahrt von der Bremer Brücke“).
Tatsächlich aber spielte der Fünfzehnte gegen den Dritten.
Egal, das Stadion war berstendvoll und die Ultras gaben noch einmal mit einem riesigen Banner ihr berechtigtes Anliegen zum Ausdruck, dass der „Mythos Bremer Brücke erhalten“ werden müsse.
Unmittelbar vor Beginn folgte eine Schweigeminute für Robert Enke, die mit einer berührenden Videobotschaft von Teresa Enke eingeleitet wurde.

Munterer und frecher Start des VfL

Daniel Thioune überraschte gleich zu Beginn mit der Aufstellung: Agu, Schmidt und Amenyido standen für Wolze, Ouahim und Heider in der Startelf. Soviel vorweg: Dieser Wechsel in der Anfangsformation war goldwert, zumal die drei, insbesondere Schmidt, das Spiel des VfL von Anfang an zu beleben wussten.
Aufregung gleich in der ersten Minute als Amenyido von Karazor gefoult wurde. Den von Álvarez getretenen Freistoß kann Torhüter Kobel im Nachfassen halten.

Marcos Alvarez jubelt nach seinem Tor zum 1:0; Foto: imago images / osnapix
Marcos Alvarez jubelt nach seinem Tor zum 1:0; Foto: imago images / osnapix

Dann das sensationelle 1:0 für den VfL: Eine weite Flanke von rechts von Ajdini auf Schmidt, der legt den Ball gekonnt mit dem Kopf zurück auf Álvarez, der die Kugel direkt annimmt. Kempf fälscht ab und lenkt den Ball so neben den linken Torpfosten ins Netz.
Das Stadion stand Kopf.
Die erste Viertelstunde passierte dann nach dem Tor nichts allzu Aufregendes. Der VfB kam zwar besser ins Spiel, doch erste Unsicherheiten in der VfL Abwehr in den Minuten 16 bis 18 konnten die Stuttgarter nicht nutzen. Einen 18-Meter-Schuss von Klement parierte Kühn souverän.
In der 22. Minute musste Gugganig nach einem nicht geahndeten Foul von González vom Platz, konnte aber weiterspielen. Dann erhält Karazor Gelb (26.) nach Foul an Amenyido. Die Freistoßflanke von Schmidt verpasst Freund und Feind und kurz darauf macht es Castro aus 28 Metern auf der Gegenseite auch nicht besser.

Der VfB vergibt zwei Großchancen

In der 29. Minute eine Riesenchance für den VfB durch Ascacibar. Agu spielt vor dem 16er quer auf van Aken, der vertändelt den Ball, den sich González angelt und sofort auf Ascacibar weitergibt, der aber weit über das Tor schießt.
Bei der sich nun immer mehr abzeichnenden spielerischen Überlegenheit des VfB blieb der VfL dennoch stets im Spiel und war mit Ausnahme der vergebenen Stuttgarter Großchance dem zweiten Tor sogar näher als der VfB. In der 37. Minute dann Tohuwabohu vor dem Stuttgarter Tor, aber die Schüsse von Taffertshofer und Gugganig blieben immer wieder in der vielbeinigen VfB-Abwehr hängen.
Das Publikum war jedenfalls aus dem Häuschen und stellte wieder einmal fest, dass sie die Osnabrücker sind, die immer da sind.
Dann kurz vor der Halbzeit die zweite Stuttgarter Großchance (43.). González steht nach einer im Grunde missglückten Ballannahme plötzlich allein vor Kühn, der mit einem glänzenden Reflex parieren kann.
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Halbzeitfazit:

Nach frechem Beginn und der überraschenden 1:0-Führung des VfL beruhigte sich das Spiel nach einer Viertelstunde ein wenig. In der Schlussviertelstunde vergab der VfB zwei Großchancen, doch der VfL blieb durch Konter stets gefährlich, sodass der Spielstand in Ordnung ging.

Halbzeitgedanken:

Der VfB Stuttgart (Verein für Bewegungsspiele(!)) wurde 1893 im Stadtteil Cannstatt gegründet und ist heute mit über 70.000 Mitgliedern der größte Sportverein Baden-Württembergs. Die Fußballabteilung wurde „erst“ 2017 in die VfB Stuttgart 1893 AG ausgegliedert, die zu 88,25 % dem Verein und zu nur 11,75% der Daimler AG gehört.
Stuttgart hat genau viermal so viele Einwohner wie Osnabrück., also …?
Richtig: 640.000.
Seit mit Fritz Kuhn ein Grüner Oberbürgermeister in der Landeshauptstadt ist, herrschen dort natürlich Anarchie und Chaos. Sodom und Gomorrha waren dagegen Stätten der Tugend: So gehören etwa 45% der Bevölkerung keiner Religionsgemeinschaft an und der Vorstandvorsitzende der VfB AG ist Thomas Hitzlsperger, der nicht nur extrem sympathisch ist, sondern im Januar 2014 in einem Interview in der Zeit als erster prominenter deutscher Profifußballspieler auch noch öffentlich erklärte, homosexuell zu sein. Damit unternahm er einen ersten Schritt, dass irgendwann einmal auch in der noch immer entsetzlich schwulenfeindlichen Fußballwelt etwas völlig Normales als etwas völlig Normales angesehen werden könnte.

Abwegige Halbzeitgedanken:

Die VfB-Fans der Cannstatter Kurve hatten am 04.12.2010 beim Spiel gegen die TSG Hoffenheim direkt über dem Gästeblock das mittlerweile legendäre Spruchband mit der Aufschrift „Traditionslose Arschlöcher hier abstellen!“ aufgehängt. Die nach unten deutenden Pfeile zeigten dabei auf die sehr überschaubare Ansammlung der TSG-Hoffenheim-Kunden.
Dieses Spruchband ist bis heute einer der einfallsreichsten und wirkungsvollsten Fanproteste gegen Kunstprojekte wie RB Leipzig oder die TSG Hoffenheim.

Völlig abwegige Halbzeitgedanken:

Aufgrund der Tätigkeit meines Vaters als VfL-Mannschaftsarzt gingen bei uns zu Hause die Helden der 50er und 60er Jahre aus und ein.
Natürlich war auch in den Jahren nach dem 0:0 im April 1952 an der Bremer Brücke immer wieder von der unfassbaren Zuschauerzahl die Rede, die, je nach Stimmungslage am „Rauchtisch“ – so hieß das damals – zwischen 36.000 und 42.000 schwankte.
Mein Held der 50er Jahre war neben Addi Vetter, der uns ab Mitte der 50er Jahre mit dem Pferdewagen(!) die Getränke bis an die Wohnungstür an der Augustenburger Straße 88 lieferte, der vierfache Nationalspieler und beste VfL-Spieler aller Zeiten: Hannes Haferkamp.
Als ich sechs Jahre alt war, rettete Onkel Hannes mich vor dem Zugriff eines rabiaten Gemüsehändlers – den Laden gibt es heute noch – weil dem angeblich ein Apfel abhandengekommen war. Ich flüchtete in Onkel Hannes Tabakladen um die Ecke an der Lotter Straße, warf mich hinter den Tresen und als der Gemüsehändler durch die offene Tür hindurch rief: „Hast du irgendwo ’nen kleinen blonden Jungen gesehen, Hannes?“ Antwortete Hannes seelenruhig: „Ja, der ist rüber auf die andere Seite!“
Onkel Hannes starb mit nur 52 Jahren 1974, nachdem er beim Bolzen im Freibad Moskau einen Herzinfarkt erlitten hatte.
Dank der Initiative des VfL-Museums und dem Engagement vieler Fans gibt es heute direkt vor der Bremer Brücke den Hannes-Haferkamp-Platz.

Alles andere als abwegige Halbzeitgedanken:

Am gleichen Tag wurde der Weg rund um die Ostkurve und Nordtribüne als Felix-Löwenstein-Weg benannt. Felix Löwenstein war Spielausschussobmann beim VfL und als Sponsor für die Lila-Weißen aktiv. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde er wegen seines jüdischen Glaubens 1935 aus dem Verein ausgeschlossen. Löwenstein starb 1945 im Konzentrationslager.
Im Gedenken an das schreckliche Jubiläum der Reichspogromnacht hier einige Links zu Artikeln und Informationen zu den unvorstellbaren Vorfällen am 9. November 1938 in Stuttgart und in Osnabrück. Besonders empfehlen möchte ich den Programmflyer der Stadt Osnabrück.

Beide Teams wechselten zur Halbzeit

Für den angeschlagenen Gugganig kam beim VfL Henning ins Spiel, beim VfB Wamangituka für Klement.
Nach einem Kopfballduell (54.) mit Ascacibar liegt van Aken verletzt am Boden und muss außerhalb des Spielfelds behandelt werden. Drei, vier Minuten später konnte er zum Glück weiterspielen, zumal mit Gugganig bereits ein Innenverteidiger fehlte.

Felix Agu am Ball; imago images / foto2press
Felix Agu am Ball; imago images / foto2press

Stuttgart übernahm zwar das Kommando, doch der VfL hatte:
„KÜHN! KÜHN! KÜHN!“

In der 62. Minute kann Kühn einen Schuss von Stenzel mit einer Glanzparade zur Ecke lenken und die Chancen der Stuttgarter häuften sich. Eine Minute später reagiert Kühn wieder einmal glänzend, als er einen Kopfball von Badstuber entschärft.
Für Karazor kam Al Ghaddioui ins Spiel. Trainer Walter setzte also voll auf Offensive, die Nadelstiche des VfL hatten es aber nach wie vor in sich.
Die Angriffe des VfB häuften sich zwar, doch wenn der Ball nicht in der Abwehr hängenblieb, war spätestens Philipp Kühn zur Stelle, der, man möge mir den Ausdruck verzeihen, zumindest aus Sicht eines Fans eine Weltklasseleistung bot. Castor erhielt wegen Meckerns Gelb (75.) und in der 77. Minute kam Marc Heider für Etienne Amenyido ins Spiel. Als Mario Gomez in der 82. Minute für Mangala eingewechselt wurde, war das wie ein Weckruf fürs Publikum, das den VfL nun zum Sieg trug.
In der 83. Minute gleich eine spektakuläre Aktion durch Heider, der den weit vor dem Tor stehenden Kobel mit einer Bogenlampe aus über fünfzig Metern fast überlistet hätte.
Das Publikum war nun kaum noch zu halten. Die Sensation war zum Greifen nah und Torhüter Kühn hielt was zum Halten war.
„KÜHN! KÜHN! KÜHN!“ skandierte das Publikum nun bei jedem seiner häufigen Ballkontakte. Und der herbeigesehnte Schlusspfiff wurde gefeiert, als wäre soeben der Klassenerhalt gesichert worden.
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Fazit:

Aus einer großartig kämpfenden Mannschaft ragte neben Schmidt, Ajdini, van Aken und Álvarez immer wieder Kühn hervor, auch wenn es ein „dankbares“ Spiel für einen Torhüter war. Mit Kühn scheint der VfL eine neue Kultfigur im Tor bekommen zu können, der vom Spielertyp her mit seinem wuchtigen Auftreten ältere Fans ein wenig an den „Pflanzer“ Andreas Burose erinnern dürfte, der vor über einem halben Jahrhundert von 1964 bis 1971 im VfL-Tor stand.
Der VfL befindet sich auch nach nunmehr dreizehn Spieltagen auf keinem Abstiegsplatz, sondern zumindest bis Sonntag auf Platz 9 und kann die Länderspielpause nun dazu nutzen, den Rausch auszuschlafen, bevor es am Freitag, den 22.11., nach Bochum und eine Woche später zu Hause gegen den HSV geht.

Zahlen, Daten & Fakten


Zuschauer:
15.801, davon 1.400 aus Stuttgart

Tor: 1:0 (4.) Álvarez

VfL Osnabrück: Kühn – Gugganig (46. Henning), Heyer, van Aken – Ajdini, Agu – Blacha, Schmidt (85. Köhler), Taffertshofer – Amenyido (77. Heider), Álvarez
Trainer: Daniel Thioune

VfB Stuttgart: Kobel – Stenzel, Badstuber, Kempf, Castro – Karazor (62. Al Ghaddioui) – Mangala (82. Gomez), Ascacibar – Klement (46. Wamangituka), Förster – González
Trainer: Walter Tim

Schiedsrichter: Nicolas Winter (Düsseldorf)

Gelbe Karten:
26. Karazor (VfB)
49. Amenydio (VfL)
75. Castro (VfB)
80. González (VfB)

Statistik:
Vor dem Spiel waren die beiden Vereine erst fünfmal aufeinander getroffen. Dreimal ging es um die Deutsche Meisterschaft, zweimal um den Pokal. Erst in der sechsten Partie, also heute, konnte der VfL gewinnen.

21.05.1950 VfL:VfB 1:2 – Achtelfinale um die Deutsche Meisterschaft
27.04.1952 VfL:VfB 0:0 – Gruppenspiel Endrunde um die DM
08.06.1952 VfB:VfL 3:1 – Gruppenspiel Endrunde um die DM
31.01.1981 VfL:VfB 1:3 – DFB-Pokal Achtelfinale
28.08.1982 VfL:VfB 0:2 – DFB-Pokal 1. Runde
09.11.2019 VfL:VfB 1:0 – 2. Bundesliga

Die aktuelle Tabelle:

VfL Osnabrück: KÜHN gegen Stuttgart 1:0


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