Dass der VfL im Grunde keinen Gegner fürchten muss, hat man nach der umwerfenden Hinserie gesehen, doch nach einer eher schwachen Vorstellung heute beim FC St. Pauli muss man feststellen, dass zwanzig Minuten leidlich guter Fußball zum Ende einer Partie nicht reichen.
Vor dem Spiel
Das Hinspiel gegen den FC St. Pauli endete am 22.09.19 an der Bremer Brücke schiedlich-friedlich 1:1. Und schon damals hatten die Paulianer das Stadtderby die Woche zuvor gewonnen und kehrten nun nach dem 2:0-Triumph im Volkspark als Hamburg-Meister ans ausverkaufte heimische Millerntor zurück. Sieht man davon ab, dass Knoll für Beck ins Mittelfeld rückte, trat der FC St. Pauli mit der Mannschaft an, die den HSV am vergangenen Montag besiegt hatte. Laut eigener Aussage habe dieser Sieg sowohl bei ihm, Jos Luhukay, als auch beim Team viel positive Energie erzeugt.
Eigentlich ist die Partie seit 1947 ein echter Nordklassiker, dennoch fand der letzte Auftritt des VfL am Millerntor vor fast 12 Jahren am 15.08.2008 statt und endete 2:2. Koka Engel stand damals als einziger noch aktiver VfL-Akteur auf dem Platz, der heute zumindest auf der Bank saß.
Daniel Thioune veränderte gegenüber der Aue-Elf die Anfangsformation gleich auf vier Positionen. Van Aken, Henning, Ouahim und Girth, standen für Gugganig, Heider, Schmidt und Álvarez in der Startelf.
Schon vor dem Spiel großartige Stimmung im Stadion. Fairerweise erklang die VfL-Hymne in voller Länge und die gut gefüllte Gästekurve sang aus voller Kehle, wobei es keinerlei Störmanöver seitens der Pauli-Fans gab, die ihrerseits ihre Derbyhelden mit einer großartigen Choreographie und Regenbögen aus Konfettikanonen begrüßten.
Ein Beginn mit leichten Vorteilen für Sankt Pauli …
Der VfL hatte im weißen Auswärtstrikot Anstoß und spielte zunächst auf die Südkurve zu. Ein unsagbarer Lärm begleitete das Spiel von Beginn an, wobei beide Fangruppen ihr Bestes gaben.
Die erste Viertelstunde gehörte keiner der beiden Mannschaften, Knoll und Agu gaben jeweils einen Torschuss ab, und der VfL war stets präsent, wenngleich sich St. Pauli eine von Minute zu Minute wachsende Feldüberlegenheit erarbeitete.
In der 14. Minute spielte Knoll im Osnabrücker Strafraum Veerman an, der mit einer Drehung einen Doppelpass versuchte, aber den Ball vertändelte.
In der 18. Minute dann die erste Großchance für den FC St. Pauli, der nun entschlossener nach vorn spielt. Agu wird von Miyaichi auf der rechten Außenbahn versetzt, der flankt scharf vors Tor, wo Diamantakos den Ball über das Tor setzt.
Der VfL scheint nun um ein Gegentor regelrecht zu betteln.
Dann ist es passiert. In der 23. Minute schlägt Knoll eine Ecke von rechts scharf vor das Osnabrücker Tor und dort kann Veerman am linken Pfosten fast ungehindert den Ball ins Netz köpfen.
Danach beruhigte sich das Spiel für ein paar Minuten, doch in der 35. Minute schlägt Sankt Pauli erneut erbarmungslos zu. Sobota wird von Veerman in Szene gesetzt, der lässt einige Osnabrücker wie angewurzelt stehen und zieht aus 16 Metern ab. Der Ball landet unhaltbar unten rechts im Kasten.
Halbzeitfazit:
Der VfL war bis auf die Anfangsviertelstunde über den restlichen Verlauf der ersten Halbzeit die eindeutig unterlegene Mannschaft mit teilweise groben Abwehrschnitzern. Sankt Pauli war klar überlegen, mit viel Zug zum Tor und körperlicher Präsenz, so dass die 2:0-Führung völlig in Ordnung ging.
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Beide Teams gehen mit jeweils einem Wechsel in die zweite Hälfte
Bei Sankt Pauli kam Tashchy für Veerman ins Spiel, beim VfL Köhler für Taffertshofer. Während in der VfL-Fankurve schrecklich ätzende und stinkende Rauchbomben gezündet wurden, um wohl irgendeinem dämlichen Ritual genüge zu tun, konzentrierten sich Fans und Mannschaft von Sankt Pauli aufs Fußballspielen.
Und so fiel bereits in der 48. Minute das 3:0. Eine Flanke von Knoll kann Diamantakos aus aus acht Metern im Tor versenken.
Plötzlich nimmt der VfL wieder am Spiel teil …
Nach einer kuriosen Szene im Osnabrücker Strafraum, bei der Sobota allein auf Kühn zustürmt und über die eigenen Beine stolpert, kam der VfL bei einsetzendem Platzregen nun etwas besser ins Spiel, zumal sich Sankt Pauli ein wenig zurückzog und auf Konter lauerte. Dem VfL fehlte es aber an Durchschlagskraft und ein viertes Tor für die Hamburger lag jederzeit eher in der Luft als ein Anschlusstreffer des VfL, der dann mehr oder weniger unerwartet doch noch in der 76. Minute fiel.
Ajdini bringt den verunglückten Schuss von Henning mit dem Oberschenkel über die Linie und plötzlich spielt der VfL so, wie wir ihn uns erwünscht hatten. Sankt Pauli kommt hinten gar nicht mehr raus, doch bleiben die Angriffe der Osnabrücker zu harmlos. In der 87. Minute fast das 4:1 durch einen Konter von Gyökeres und dann trudelt das Spiel dem Ende entgegen.
Fazit
Nach einer vom VfL in der ersten Hälfte schlichtweg miserabel geführten Partie gegen einen in fast allen Belangen überlegenen Gegner geht der Sieg der Paulianer völlig in Ordnung. Der VfL wehrte sich viel zu spät, um der Partie noch eine Wendung geben zu können.
Am kommenden Freitag geht es an der vermutlich ausverkauften Bremer Brücke gegen den SV Wehen. Ein Dreier für den VfL ist langsam überfällig, wenn er nicht doch noch in den Abstiegsstrudel geraten möchte, was bei einer Heimniederlage der Fall wäre.
„Wir haben wenig Leidenschaft im Spiel gegen den Ball gehabt“, sagte Daniel Thioune in der anschließenden Pressekonferenz. „In der zweiten Halbzeit hat man aber nach dem 3:0 gesehen, wozu diese Mannschaft in der Lage ist, wenn sie erst einmal, salopp gesagt, etwas auf die Fresse bekommen hat.“ Der Sieg von Sankt Pauli gehe aber letzten Endes völlig in Ordnung.
Zahlen, Daten & FaktenZuschauer: 29.546, davon etwa 4.000 aus Osnabrück Tore: FC St. Pauli: Himmelmann – Zander, Östigard, Buballa, Ohlsson – Knoll – Miyaichi, Sobota, Benatelli (65. Flum), Diamantakos (77. Gyökeres) – Veermann (46. Tachchy) VfL Osnabrück: Kühn – Heyer, van Aken, Trapp, Agu – Taffertshofer (46. Köhler) – Ouahim (65. Álvarez), Blacha, Henning, Ajdini – Girth Schiedsrichter: Daniel Siebert (Berlin) Statistik: |
Tabellarisches
Der VfL hält wie immer den zweiten Platz in der Kickerformtabelle (Note 3,23). Der FC St. Pauli war vor dem Spiel auf Platz 9 mit der Note 3,46.
Tatsächlich trat der VfL als Tabellenzehnter des 23. Spieltags gegen den Zwölften aus Hamburg an, beide Teams trennten drei Punkte voneinander. Nach dem Spiel ist Sankt Pauli zwar am VfL vorbeigezogen, doch der Abstand zu den gefährlichen Plätzen ist gleichgeblieben.
Die aktuelle Tabelle
Titelfoto: Waldemar Sobota (FC St Pauli) vor dem Tor von Philipp Kühn, Foto: imago images / Beautiful Sports