Wenn der VfL Osnabrück am Montagabend im Volksparkstadion gegen den Hamburger Sportverein und damit auch gegen Ex-Trainer Daniel Thioune antritt, dürften die Erwartungen der Fans groß sein. Für die Elf von Marco Grote dürfte es entscheidend sein, dass sie HSV-Torjäger Simon Terodde unter Kontrolle bekommen.
Eine Vorschau von Hermann Schmidt
Im Prinzip ist alles ganz einfach: So wie in Kiel spielen und den Terodde einfach an die Kette legen!
Warum der 1.FC Köln diesen Mann sang- und klanglos ziehen ließ, wird nicht nur in der Domstadt auf alle Zeiten ein Geheimnis bleiben. Dreimal war Simon Terodde Torschützenkönig der 2. Bundesliga. Unter dem weitgehend erfolglosen Trainer der Geißböcke, Markus Gisdol, kam er nur gelegentlich zum Einsatz. Jhon Cordoba, inzwischen zu Hertha BSC abgewandert, wurde Simon Terodde meist vorgezogen.
In der aktuellen Spielzeit hat der Ausnahmestürmer 16 Tore erzielt, 14 davon direkt nach der Ballannahme. Da wünscht man sich für den VfL Osnabrück als Fußballveteran in die Zeiten zurück, als der Vorstopper dem gegnerischen Mittelstürmer noch „per order di mufti“ auf dem Fuß zu stehen hatte. Terodde braucht wenig Platz. Wenn er im Strafraum an den Ball kommt, herrscht höchste Alarmstufe. Umso besser, wenn es der VfL Abwehr gelingt, das Abspiel auf ihn schon im Vorfeld zu unterbinden. Dazu Osnabrücks Trainer Marco Grote in der gestrigen VfL-Pressekonferenz: „Da laufen außer Terodde auch noch zehn andere beim HSV herum. Wir müssen als Mannschaft funktionieren.“
Daniel Thioune gegen seine große Liebe
Denn neben dem aktuellen Top-Goalgetter Terodde hat der HSV auch noch einige andere Persönlichkeiten (auf und neben dem Platz) in seinen Reihen, die das Gastspiel der Lila-Weißen zu keinem Spaziergang werden lassen.
Allen voran das Osnabrücker Urgestein Daniel Thioune, der bis zu seinem Wechsel im Sommer 2020 an den Volkspark in Diensten des VfL Osnabrück stand: als Spieler, als Jugendcoach und als Profitrainer. Thioune, der Sport- und Erziehungswissenschaften studiert hat, kennt seine ehemaligen „Zöglinge“ aus dem Effefff und wird den Hamburger Rothosen die Wacht ansagen. Nach dem Auswärtsspiel gegen den 1. FC Nürnberg, das mit einem aus Hamburger Sicht mageren 1:1 endete, äußerte er gegenüber der Bild-Zeitung: „Wir müssen und können konsequenter nach vorne spielen. Mit ein bisschen mehr Frische und Tempo- mit und ohne Ball- werden wir auch den nächsten Gegner vor Herausforderungen stellen.“ Der nächste Gegner ist seine langjährige Liebe VfL Osnabrück. Dort hat er seine Wurzeln, und natürlich verfolgt er nach wie vor die erfreuliche Entwicklung seines einstigen Teams mit großer Sympathie.
Neben Thioune wirken gleich zwei weitere ehemalige Osnabrücker beim alt-ehrwürdigen HSV mit: Assistenztrainer Merlin Polzin und der vielseitig einsetzbare Defensivspieler Moritz Heyer, die ihrem Trainer zu Saisonbeginn an die Elbe folgten.
Der einst „unabsteigbare“ HSV, der sich im Mai 2018 nach 55 Spielzeiten aus der Königsklasse des deutschen Fußballs verabschieden musste, ist in den folgenden beiden Jahren im Kampf um den Wiederaufstieg gescheitert. Mit Erfolgstrainer Daniel Thioune soll die Rückkehr in das Bundesliga- Oberhaus im dritten Versuch gelingen. Momentan spricht vieles dafür, dass es dem mit immerhin noch 45 Millionen (Stand November 2020) in der Kreide stehenden Traditionsklub gelingen könnte, den Aufstieg in der Saison 2020/2021 zu packen. Seit Jahren wird der HSV vom Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne über Wasser gehalten. Manchen Weggefährten am Volkspark ist der erhebliche Einfluss des schwerreichen Patriarchen ein Dorn im Auge. Sie wünschen sich zunehmend weniger Einmischung des schwerreichen Mäzens. Nun soll alles neu, besser und anders werden.
HSV-Offensive frühzeitig unterbinden
Mit erstligareifen Kräften wie Bakery Jatta, David Kinsombi (zuvor herausragender Sechser bei Holstein Kiel), Sonny Kittel, Tim Leibold und zahlreichen weiteren Akteuren, die zum fußballerisch überdurchschnittlich talentierten Personal der zweiten Liga gehören, ist der HSV erneut Anwärter Nummer 1 für den Bundesliga-Aufstieg. Immerhin sind neben Terodde im bisherigen Verlauf der Spielzeit elf weitere Torschützen für die Rothosen in Erscheinung getreten.
Und natürlich ist der HSV auch Favorit im kommenden Montagsspiel gegen den Nord-Rivalen VfL Osnabrück.
Weil das Mittelfeld der HSV beim Auswärtsspiel in Nürnberg nicht wie gewohnt zum Zuge kam, soll der neunzehnjährige Amadou Onana, ablösefrei von der TSG Hoffenheim an die Elbe gekommen, als Dampfmacher zum Zuge kommen. Ob er infolge einer Adduktoren-Verletzung zum Einsatz kommt, ist derzeit noch unklar. Thioune und sein Assistent Pelzin werden die Stärken und Schwächen des VfL umfassend analysiert haben, wenn es im Hamburger Volkspark zur Sache geht. Thioune: „Persönlich und fußballerisch kenne ich jeden relativ gut. Merlin Polzin weiß noch viel mehr Details über jeden die Jungs.“
VfL: Mobilisierung aller Kräfte
Die psychologische Ausgangslage für die Lila-Weißen scheint komfortabler als im letzten Heimspiel gegen Tabellen-Schlusslicht Würzburger Kickers. Ein Sieg am Volkspark würde die Fans des VfL mindestens so überraschen, wie der Coup bei den Kieler Störchen. Dass das Team in Lila-Weiß an guten Tagen fähig ist, durch ideenreiches Kombinationsspiel und dynamisch vorgetragene Angriffe jedem Gegner in der Liga Paroli zu bieten, hat sich im Verlauf der bisherigen Spielzeit mehrfach gezeigt. Mit Trainer Marco Grote hat der VfL in den zurückliegenden 15 Spielen 22 Punkte gesammelt.
Im Kampf mit dem HSV wird es darauf ankommen, alle Kräfte zu mobilisieren, die Räume in der Defensive eng zu machen und Flügelläufe der gegnerischen Offensive frühzeitig zu unterbinden. Vor allem die rechte Abwehrseite, zweimal in den spielentscheidenden Situationen gegen die Würzburger Kickers offen wie ein Scheunentor, bedarf der Optimierung.
Ein Spiel gegen den HSV ist auch in der zweiten Liga ein ganz besonderes Spiel. Für diese Begegnung muss kein Spieler zusätzlich motiviert werden. Die Lila-Weißen werden alles geben, um ihre Leistungsfähigkeit und Klasse unter Beweis zu stellen. Trainer Marco Grote vor dem Spiel beim HSV in der VfL Pressekonferenz: „Die Favoritenrolle liegt klar beim HSV.“
In der Rückschau auf die Niederlage gegen Würzburg hatte VfL- Trainer Grote am Wochenanfang geäußert: „Ich habe mich sehr geärgert, dass wir das Spiel gegen Würzburg aus der Hand gegeben haben. Wir hätten in der zweiten Halbzeit zwingend das 2:0 machen müssen, sind aber nachlässig geworden und manchmal einen Schritt zu wenig gelaufen. Dann hast du den Salat. Wir müssen unser Spiel konsequent in Defensive und Offensive zu Ende spielen. Dann sind wir in der Lage, den HSV zu ärgern.“
Das wollen wir doch hoffen!
Mein Tipp: 2:2
Titelfoto: Simon Terodde mit Trainer Daniel Thioune, Trainingsgelände Volksparkstadion; imago images / Oliver Ruhnke