Es hätte für die Vereinsführung des VfL nicht besser laufen können. Ein von Vertretern des Präsidiums, Aufsichtsrat und Fanvertretern beim Spiel gegen Hansa Rostock (Spielergebnis: 1:1) präsentiertes T-Shirt mit dem Motto „Gegen rechts“, wurde vom rechtspopulistischen Blog pi-news.net zum Anlass für einen Blogbeitrag unter dem Titel „Drittligist macht Politik“ genommen.
Medien- und öffentlichkeitswirksam wurde der inhaltlich eher maue Beitrag von der stellvertretenden AfD-Parteivorsitzenden Beatrix von Storch per Twitter – ausgerechnet am 1. April – einer größeren Leserschaft bekannt gemacht.
Liebe Honks vom @VfL_1899 Könnt Ihr etwas präzisieren? Wer o was genau ist „rechts“?Und:wann steht Ihr auf gegen „Links“?Wenn Hamburg wieder brennt? Oder wenn die nächsten 100 kg Chemikalien zum schmutzige Bomben bauen bei Linksextremisten gefunden werden? https://t.co/f8mdvolxkQ
— Beatrix von Storch (@Beatrix_vStorch) 1. April 2018
Antwort auf den Tweet sorgte für Aufmerksamkeit
Was Beatrix Amelie Ehrengard Eilika von Storch, geborene Herzogin von Oldenburg, wohl nicht bedacht hatte, oder aber ganz bewusst ins Kalkül zog (Aufmerksamkeit ist alles),: Anders als die allermeisten ihrer täglich oft mehr als einem Dutzend Tweets, wurde diese Kurzmeldung mehr als reichlich gelesen – und die Kritik fiel auf sie zurück.
Denn der VfL reagierte so, wie es ein Handbuch für Social Media nicht besser empfehlen könnte: Die mit mehr als 35.000 Followern für das deutsche Twitter durchaus als Influencerin anzusehende AfD-Politikerin (zum Vergleich: Angela Merkel, 26.200 Follower), bekam eine Antwort des Osnabrücker Vereins, die für noch mehr Aufsehen und Anerkennung sorgte. Die Bekanntheit von Beatrix von Storch wurde zum Vehikel für eine Retourkutsche, die in Folge bundesweit Schlagzeilen machte.
Wer fragt, bekommt Antwort ➡ https://t.co/1z4zDbenQH #vfl1899 #FroheOstern #GegenRechts pic.twitter.com/3v35C9OZIH
— VfL Osnabrück (@VfL_1899) 2. April 2018
VfL bietet Storch ein Gratis-Trikot an
Den Vorwurf, mit einer pauschalen Absage an ein nicht näher definiertes „rechts“, zu dem sich offensichtlich auch die AfD-Politikerin zählt, gleichzeitig Straftaten von Linksradikalen zu tolerieren, wollte der Verein nicht auf sich sitzen lassen.
In seiner ausführlichen Replik schreibt der VfL, dass er den Tweet von Frau von Storch als „Beleidigung“, gleichzeitig aber auch als „Kompliment“ empfindet und sich dadurch in seiner Haltung bestätigt fühle. „Wofür ‚Gegen Rechts‘ steht, finden Sie auf unserer Website. Wenn Sie sich darin wiederfinden, senden wir Ihnen gern ein Trikot der Aktion zu – signiert vom gesamten multikulturellen Kader des VfL Osnabrück.“
Von „Drittligist reagiert erstklassig“ (Focus Online) bis „der Klub reagiert grandios“ (Reviersport) reicht das Feedback der Presse, die inzwischen bundesweit über den Schlagabtausch zwischen AfD-Politikerin und VfL berichtet.
Warum bezieht der VfL Position „gegen rechts“?
Doch, was steckte hinter der Aktion, die dafür sorgte, dass die Vereinsoberen statt im Brioni-Anzug im T-Shirt gemeinsam mit dem etwas im seitlichen Abseits platzierten Vertreter der Fanabteilung gemeinsam zum Fototermin erschienen?
Tatsächlich grummelt es bereits seit Monaten an Teilen der Fanbasis. Der ursprüngliche Auslöser für den geballten Unmut dürfte in der Nicht-Zulassung des Kabarettisten Kalla Wefel für die Wahl des aktuellen Vereinspräsidiums zu suchen sein. Im Vorfeld der Präsidiumswahl im vergangenen Herbst, wurde Wefel von einem in seiner damaligen Zusammensetzung alles andere als unbefangen einzuschätzenden Gremium die Befähigung zum passiven Wahlrecht als Kandidat für das Präsidentenamt des VfL abgesprochen, so dass lediglich der ehemalige Stadtwerkevorstand Manfred Hülsmann zur Wahl stand.
Mit-Entscheidend für die Nichtzulassung Wefels soll auch das Votum von Jürgen Wehlend gewesen sein, der als VfL Geschäftsführer und Mitglied der Wahlkommission über seinen eigenen Aufsichtsrat entscheiden konnte.
In Wehlends Vergangenheit, als Geschäftsführer des einstigen Großsponsors osnatel, war der damalige Stadtwerke-Vorstand Chef und Förderer des Mannes, der im Herbst darüber entscheiden sollte, ob mit Wefel ein Wettbewerber um das Präsidentenamt zugelassen werden sollte.
Vorsitzender des Wahlausschusses in der Kritik
Im Streit um die Zulassung als Kandidat für das Präsidentenamt soll Wefel aber vor allem in Konflikt mit Ralf Wöstmann, dem Vorsitzenden des Wahlausschusses geraten sein. Wöstmann, selbst als Rechtsanwalt tätig, soll bei der Präsidiumswahl 2009 einen Anwaltskollegen für das Amt des Vizepräsidenten vorgeschlagen haben. Wefel schrieb dazu an den Empfängerkreis seine Heimatabend-Rundbriefs im vergangenen Herbst: „VfL-Kumpels nennen jenen Anwalt auch „Ebbie“ -, der sich auf seiner Facebook-Seite als überzeugter AfD-Anhänger darstellt, als Fan der rechtsradikalen „Identitären Bewegung“, als steter Mahner vor der „Verschwulung Deutschlands“, als Warner vor dem Aussterben der deutschen Rasse sowie als Alter Herr der schlagenden Verbindung „Arkadia Mittweida“, die bereits 1999 mit dem Absingen des „Horst-Wessel-Liedes“ deutschlandweit Schlagzeilen machte. Ein solcher WA (Wahlausschuss), der einen solchen A (Anwalt) zu ihrem Vorsitzenden gewählt hat, der den besagten anderen A zum Vizepräsidenten vorgeschlagen hat, tut wirklich gut daran, mich als Kandidat für das Präsidentenamt abzulehnen“.
Der Streit um und über jenen „Ebbie“ (für den Vornamen „Eberhard“) sorgt seither und seit inzwischen knapp einem halben Jahr in der Fanszene für Aufregung. Inzwischen vergeht kaum ein Spiel mehr, an dem nicht Spruchbänder mit dem Namen „Eberhard“ in der Fankurve zu sehen sind.
Der ehemals als Vizepräsident gehandelte Anwaltskollege „Ebbi“ des Wahlausschuss-Vorsitzenden Wöstmann, vertrat den Verein – bevor er zum Gegenstand von Spruchbändern wurde -schon in Markenrechtsangelegenheiten, wie die Datenbank des Patent- und Markenamts belegt. Gleichzeitig engagiert sich der „Erfolgsanwalt“ aber auch als Kleinsponsor des Vereins und trägt so zur Finanzierung des VfL bei.
VfL auf dem rechten Auge blind?
Kritiker an der Vereinsbasis diskutieren in nicht öffentlichen Facebookgruppen regelmäßig die Verquickung von Amts- und Vereinsgeschäften, bei denen sich ehemalige leitende Mitarbeiter des jetzigen Vereinspräsidenten in finanziell gut dotierten Posten im Vereinsmanagement wiederfinden.
Dass in diesem Zusammenhang eine Vorab-Selektion von Präsidiumskandidaten gebilligt wurde, mit dem den Vereinsmitgliedern ein Bewerber für das Präsidium vorenthalten werden konnte, wird mit der Personalie des Kleinsponsors „Eberhard“ in Verbindung gebracht, gegen den es scheinbar keine Bedenken in der Führungsebene des Vereins gab und gibt.
Die Logik einiger Kritiker der Vereinsstrukturen: Entweder ist der Verein auf dem rechten Auge blind oder ein entsprechendes finanzielles Engagement sorgt für eine entsprechende Sehschwäche derer, die bei der Personalie Kalla Wefel sogar ein polizeiliches Führungszeugnis vom „Kandidaten für die Kandidatur“ verlangten.
Der plötzliche Aktionismus des VfL „gegen rechts“ wird dabei als Nebelkerze betrachtet, mit der von den eigenen und eigentlichen Konflikten zwischen Teilen der Fanbasis und der Vereinsführung abgelenkt werden soll.
So gesehen – und mit Unterstützung durch Beatrix von Storch – ging die Strategie erst mal auf.
Doch der Konflikt ist nicht beendet; bis zum Saisonfinale im Mai wird es noch einige Spiele geben, bei denen sich Beobachter, die bislang nichts über die Hintergründe wissen, die Frage stellen werden: „Wer ist Eberhard“ und warum wird im Stadion „gegen einen Sponsor“ protestiert, wie es die Lokalzeitung NOZ ihren Lesern vermittelte.
Illustration unter Verwendung diverser Screenshots von Twitter Inc.