Auch der FC Erzgebirge Aue trägt die Farbe Lila, und auch der „Kumpelverein“ hat sein letzte Spiel gegen Fortuna deutlich (0:3) verloren. Kann der VfL trotz notorischer Heimspielschwäche am Freitagabend als Gewinner vom eigenen Platz gehen?
Eine Vorschau von Hermann Schmidt
Der VfL schlägt Holstein Kiel, verliert auf eigenem Platz gegen das Schlusslicht Würzburger Kickers und kassiert eine Packung beim Liga-Topfavoriten HSV. Zweitligist Kiel wirft die Bayern aus dem Pokal, und der seit Jahren sportlich kriselnde FC St. Pauli gewinnt in Hannover. Selten zuvor war das Unterhaus der Bundesliga so eng beieinander wie jetzt: Alles ist möglich. Wer aufsteigen wird, steht in den Sternen, wenn man einmal von Anwärter Nummer 1, dem HSV, absieht.
Und auch das Rennen gegen den Abstieg ist offen. Noch sind viele Punkte zu vergeben.
Bereits zweimal ist der FC Erzgebirge Aue (früher Wismut Aue) in die Niederungen der 3. Liga abgestiegen. Doch das hat den „Kumpelverein“ (Bezeichnung der Fans für ihren Klub) aus dem traditionsreichen Bergbaugebiet nur noch härter gemacht: seit 2016 ist man wieder in Liga 2 vertreten. Punktekonto und Tabellenstand weisen den ostsächsischen Vertreter gegenwärtig auf Augenhöhe mit weit arrivierteren Klubs dieser Klasse aus. Kampf bis zur letzten Minute, körperbetontes Spiel und mannschaftliche Geschlossenheit kennzeichnen das von Trainer Dirk Schuster gecoachte Team. Moral, Zusammenhalt, Fleiß und Ehrlichkeit, die Tugenden der Arbeiterklasse vergangener Generationen, haben sich die Verantwortlichen des FC Erzgebirge Aue auf die Fahne geschrieben. Bis heute lautet der Schlachtruf der traditionell in Lila-Weiß antretenden Auer: „Zwei gekreuzte Hämmer und ein großes W, das ist Wismut Aue, unsere BSG!“
Augen auf: Trainer Schuster, Torwart Männel, Stürmer Testroet
Neben Trainer Dirk Schuster, der 2016, damals in Diensten von Darmstadt 98, zum Trainer des Jahres gewählt wurde, zählt Torwart Martin Männel, zu den prominentesten Darstellern des Geschehens beim ostsächsischen Zweitligaklub. Der für einen Torwart mit 1.83 m nicht überdurchschnittlich groß gewachsene Schlussmann des FC Erzgebirge Aue ist ein Keeper, der sowohl auf der Linie als auch im Strafraum sein Handwerk beherrscht. Und nicht nur das. Im Mai 2015 gelang ihm gegen den FC Heidenheim in der 88. Minute ein Kopfballtor, das vielen Fans in Erinnerung geblieben ist. Mit den Stürmern Florian Krüger und Pascal Testroet bietet der FC Erzgebirge Aue zwei brandgefährliche Stürmer auf, die jeden Gegner unter Druck setzen können.
Bei der 0:3 Heimniederlage gegen Fortuna Düsseldorf allerdings war davon nichts zu sehen. Dass das beim Gastspiel der Auer an der Bremer Brücke so bleibt, gehört zum Programm des VfL Osnabrück und dessen Trainer Marco Grote.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
Der VfL traf im Montagabendspiel mit dem HSV auf einen Gegner, der ihm in allen Belangen überlegen war. Marco Grote erklärte in der Pressekonferenz unmittelbar nach dem Spiel: „Wir waren zu passiv und haben nicht in die Zweikämpfe gefunden. Die Defensive war nicht stabil. Der HSV war bissig, aggressiv und ging von Anfang an ein hohes Tempo…es war keine Überraschung, dass es auf den Flügeln interessant werden könnte. Aber das ist alles vorbei, und das Spiel gegen Aue ist nicht weniger wichtig. Es muss alles passen, damit wir Punkte holen…“
Mit dem Hinweis auf Schwächen in der Verteidigung, insbesondere auf den Außenverteidiger-Positionen, legt der VfL-Coach den Finger in die Wunde. Die über den rechten und linken Flügel vorgetragenen Angriffe des HSV wurden nicht rechtzeitig unterbunden, weil die Abwehr des VfL daran scheiterte, die Räume eng zu machen. Das galt dann auch für die Situationen innerhalb des Strafraums, in denen die HSV- Stürmer einfach schneller und konsequenter am Ball waren und kurz entschlossen zuschlugen. Aus acht Abschlüssen, die auf den Kasten von VfL- Torwart gingen, erzielten sie fünf Treffer. Damit unterstrichen sie ihre Sonderklasse in Liga 2, ohne dass der Goalgetter Simon Terodde überhaupt einen Beitrag dazu leisten musste.
Die Lila-Weißen gehen mit einer deutlich kürzeren Regenerationszeit als der punktgleiche Gegner FC Erzgebirge Aue in das Heimspiel am Freitagabend. Die deutliche Niederlage am Volkspark will verarbeitet sein. Es gilt jetzt, Mut zu fassen und zu gewohntem Selbstbewusstsein zurückzufinden. Nach dem schweren Auswärtsmatch beim HSV am letzten Montag wird die bevorstehende Begegnung richtungsweisend für die kommenden Wochen sein. Ein Sieg ist Pflicht, ein Punkt könnte zu wenig sein. Mit einer Niederlage könnte die Abstiegsregion in gefährliche Nähe rücken.
Mein Tipp: 2:1 für den VfL.