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Verwaltungsgebäude seit drei Jahren in Besitz der Stadt Osnabrück: steht zur Hälfte leer

Ist das Glas Wasser nun zur Hälfte voll oder leer? Die Verwaltung sieht es neutral und schreibt auf Anfrage unserer Redaktion von einer „Raumauslastung von knapp 50 Prozent“.
Etwa 10 Millionen Euro investierte die Stadt Osnabrück über ihre Tochtergesellschaft OBG vor mehr als drei Jahren in das ehemalige Verwaltungsgebäude der Paracelsus-Kliniken an der Sedanstraße 109. Einen nachhaltigen und langfristigen Nutzungsplan gibt es noch immer nicht.

Nachdem die Para-Klinik wenige Monate nach der Übernahme durch die Stadt wie erwartet den Mietvertrag für ihr ehemaliges Gebäude kündigte, steht es überwiegend leer.

Ein Umzugsplan in das neue Gebäude wurde von der Stadtverwaltung seit dem Herbst 2019 ebenso wenig in Angriff genommen, wie der Verkauf bislang genutzter ehemaliger Wohnungen, Laden- und Gastroflächen in der Altstadt, mit deren Erlös die teure Westerberg-Immobilie eigentlich finanziert werden sollte.

Reichlich Platz für wenige Mitarbeiter

Auch wenn die Stadtverwaltung es auf Anfrage unserer Redaktion anders sieht: Tatsächlich wären es bei einer üblichen Raumnutzung keine 50 Prozent Raumauslastung, wie von der Stadt für die 67 Räume errechnet wird.

Der erst 1997 neu gebaute ehemalige Hauptsitz der Para-Kliniken am Fuße des Westerbergs bietet aktuell geradezu paradiesische Zustände für die wenigen dort eingesetzten Mitarbeiter.

Schön hier am Westerberg, schön viele freie Parkplätze für wenige Mitarbeiter
Schön hier am Westerberg, der hintere Geböudeteil steht quasi leer. / Foto: Schulte

Bislang nur anderthalb Mitarbeiter pro Büroraum

Nach Angaben der Stadtverwaltung haben insgesamt – in den drei Jahren seit Anmietung durch die Stadt – bislang erst 52 Verwaltungsmitarbeiter einen Arbeitsplatz in der Toplage nahe dem Wissenschaftspark bezogen.
Dabei verteilen sich die 52 Westerberg-Pioniere komfortabel auf 33 Büroräume, die somit rein rechnerisch von nur 1,575 Verwaltungsmitarbeitern besetzt sind. Stehen Schulungen an, Homeoffice oder krankheitsbedingte Abwesenheit, hat nahezu jeder anwesende Mitarbeiter ein großes Einzelbüro.
Insgesamt 34 Räume stehen leer. Zudem stehen den knapp fünf Dutzend Mitarbeitern drei Besprechungsräume zur Verfügung.

Wifi und Glasfaser: pro Raum für mehr als 1.000 Euro

Obwohl das Gebäude derzeit nur mäßig genutzt wird, ließ sich die als Vermieter agierende städtische Beteiligungsgesellschaft OBG aus dem chronisch klammen Stadtsäckel im vergangenen Sommer 75.000 Euro überweisen, um das Gebäude mit Glasfaseranschluss und WLAN zu versorgen.
Es muss sich dabei wohl um hartvergoldete Leitungen und ganz besondere Wifi-Router handeln, immerhin kostete die Netzanbindung, trotz bereits vorhandener Ethernet-Verkabelung in jedem Büroraum, mehr als 1.000 Euro pro Büro, Abstellraum, Toilettenkabine und Foyer.

Etwas mehr los war in der Sedanstraße im Vorfeld der Landtagswahlen. Bis zum 7. Oktober belegte das Wahlbüro zehn Räume für 23 Mitarbeiter, die aus anderen Abteilungen zeitweise abgezogen wurden – dabei allerdings in ihren normalen Büros wieder für Leerstand sorgten.
Auch das im Erdgeschoss untergebrachte Impfzentrum der Stadt belegt seit vergangenem Winter einige Räume, in denen inzwischen allerdings meist wenig los ist.

Weiterhin Wohnungen und Gastroflächen in der Altstadt durch Verwaltung besetzt

Begründet wurde der im Jahr 2019 eilig, hinter verschlossenen Türen und ohne öffentliche Diskussion vollzogene Kauf (HASEPOST berichtete exklusiv) damit, dass durch einen Umzug von Mitarbeitern aus der Altstadt, die dort bislang zweckentfremdet genutzten Flächen vermarktet (aka verkauft) werden könnten. Der Kauf des Gebäudes an der Sedanstraße sollte somit ein Nullsummenspiel für die Stadt werden.

La Vecchia Citta Osnabrück
Früher Pizza, Pasta und Lebenslust – heute Bürokratie und Behörde: das ehemalige La Vecchia Citta in der Bierstraße; Archivfoto Hasepost

Doch noch immer werden in der Altstadt hochwertige Einzelhandels- und Gastronomieflächen durch städtische Büros besetzt. Einige städtische Büros – beispielsweise in der Bierstraße – könnten von einem privaten Investor auch problemlos und schnell in Wohnraum umgewandelt werden.

Noch kurz nachdem sich die Stadtverwaltung das Verwaltungsgebäude am Westerberg einverleibte, wurde zum Jahreswechsel 2019/2020 der Pächter des italienische Restaurants La Vecchia Citta an der Ecke Bierstraße/Lohstraße gekündigt. Dort wird ebenso eine hochwertige Altstadtfläche blockiert wie in dem ehemaligen Ladenlokal gegenüber, in dem zuvor ein Einzelhandelsgeschäft für Tierbedarf tätig war und Leben in die Innenstadt brachte.

Statt hochwertigem Einzelhandel nun Bürgerberatung hinter Milchglasscheiben
Statt hochwertigem Einzelhandel nun Bürgerberatung hinter Milchglasscheiben; Archivfoto Hasepost

Wird Fläche für Anbindung an die Sedanstraße noch benötigt?

Eine weitere Begründung für den Kauf vor drei Jahren war, dass sich die Stadt im Paket mit dem Bürohaus eine Fläche am Rande des Wissenschaftsparks sichern könne, um dort die Wissenschaftspark-Erschließungsstraße bis zur Sedanstraße durchzuführen. Ein Plan, der aktuell von den Osnabrücker Grünen – trotz bereits fertiggestellter Anbindung an die Natruper Straße – torpediert wird.

„Gasmangel-Bürgerhotline“ könnte am Westerberg eingerichtet werden

Osnabrücks wohl teuerster Leerstand wird womöglich durch die Energiekrise dennoch eine zusätzliche sinnvolle Verwendung finden. So wie im Rahmen der Corona-Krise im Foyer das Impfzentrum untergebracht wurde, bestehen nach Angaben der Stadtverwaltung jetzt Pläne, dort eine „Gasmangel-Bürgerhotline“ unterzubringen.

Schön hier am Westerberg, schön viele freie Büros für nur wenige Mitarbeiter; Foto: Jasmin Schulte
Schön hier am Westerberg, schön viele freie Büros für nur wenige Mitarbeiter; Foto: Jasmin Schulte

Zukunft als Ausweichquartier bei Renovierungsarbeiten?

Eine weitere Interimslösung könnte die anstehende Renovierung der Stadtwaage und der anstehende Umzug des Fachbereichs Personal und Organisation bringen. Ob und wann das tatsächlich passieren wird, dazu machte die Stadtverwaltung in ihrer Antwort an unsere Redaktion keine Angaben. Dann aber würde das Gebäude – so die Verwaltung drei Jahre nach dem Kauf – erstmals „voll ausgelastet“ sein.

„Nicht genutzte Räume werden selbstverständlich auch nicht geheizt“, heißt es abschließend von der Presseabteilung der Stadtverwaltung.
Dass eine für rund 2.500 Quadratmeter Bürofläche ausgelegte Heizungsanlage bei einer nur hälftigen Nutzung des Bürogebäudes nicht optimal läuft, ergibt sich hingegen von selbst.


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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

  

   

 

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