Kolonialismus und Flüchtlingskrisen sind bis zum heutigen Tag Themen, die nichts an Aktualität verloren haben: Sie offenbaren den Unterschied zwischen Menschheit und Menschlichkeit. Ngũgĩ wa Thiong’o wurde heute mit dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis ausgezeichnet. Der Verein „Sea-Watch e.V.“ erhielt einen Sonderpreis.
Zum 15. Mal verlieh die Stadt Osnabrück am 29. November 2019 den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis. Alle zwei Jahre werden hiermit Personen ausgezeichnet, die sich mit Themen des inneren und äußeren Friedens beschäftigen oder sich beispielhaft für Frieden, Humanität und Freiheit einsetzen. In diesem Jahr ging der Preis an den kenianischen Schriftsteller und Kulturwissenschaftler Ngũgĩ wa Thiong’o und ein Sonderpreis an den Verein „Sea-Watch“.
Geschichte und Sprache wiederentdecken
In einer feierlichen Preisverleihung wurde der kenianische Schriftsteller mit dem Friedenspreis ausgezeichnet. Da dieser aufgrund einer Erkrankung nicht persönlich erscheinen konnte, nahm Abdilatif Abdalla, ein persönlicher Freund die Auszeichnung wa Thiong’os entgegen. In den Augen der Jury stach er vor allem im Hinblick auf seine antikolonialistischen Themen, seinen Bezug auf traditionelle afrikanische Theater- und Erzählkunst sowie durch sein Eintreten für den Erhalt der Muttersprache als Identifikationsmerkmal heraus. „In Zeiten des Kolonialismus wurden Menschen unterworfen, so als seien keine Menschen sondern Dinge. Gelernt wurde nicht mehr die Muttersprache, sondern Englisch, Deutsch oder Französisch. Den Afrikanern wurde ihre eigene Muttersprache entzogen und damit auch fremd. Eine Dekolonisierung kann nur erfolgen, wenn ein Land in seine Geschichte zurückfindet und damit auch seine eigene Sprache wiederentdeckt“, erzählt Oberbürgermeister Wolfgang Griesert und spielt damit auf die Themenwahl wa Thiong’os an. Dieser versteht Kommunikation unter den Sprachen als friedensstiftendes Element und verfasst seine Publikationen seit 1984 nur noch in seiner Muttersprache, dem Gikuyu, und übersetzt sie anschließend ins Englische.
Die heiligen Drei Könige kommen im Rettungsboot
Neben dem Hauptpreis wurde ebenfalls ein mit 5.000 Euro dotierter Sonderpreis an den Verein „Sea-Watch“ verlieren. Damit soll ziviles Engagement zur Seenotrettung von Flüchtenden gewürdigt und in die Öffentlichkeit gerückt werden. „Not ist Not und das müssen wir erkennen. Würden die heiligen drei Könige in unserer Zeit leben, dann kämen sie im Rettungsboot“, folgert Prof. Dr. Heribert Prantl, Mitglied der Jury zur Vergabe des Erich-Maria-Remarque-Friedenspreises.
Leid wird zur Normalität
Der Verein tritt dafür ein, dass legale Flucht- und Einreisewege erschaffen werden und fordert eine gezielte Rettung in Seenot geratener Flüchtende durch die zuständigen europäischen Institutionen. Die ausschließlich durch Spenden finanzierte Initiative wird durch Freiwillige aus ganz Europa unterstützt und war bisher an der Rettung von weit über 37.000 Menschen beteiligt. Um auf die Notwendigkeit der Seenotrettung aufmerksam zu machen erzählt Johannes Bayer, Vorsitzender des Vereins Sea-Watch e.V., von Paul aus Afrika: „Es ist der erste Oktober 2018. Einer unserer Rettungstrupps findet Pauls Leiche, angespült am Strand. Ein Tweet wird abgesetzt. Die Medien berichten nicht. Am Mittelmeer nichts Neues.“