Supermarkt
Im HASEPOST-Adventskalender erwartet unsere Leserinnen und Leser täglich bis zum 24. Dezember abwechselnd entweder eine fortlaufende Osnabrücker Weihnachtsgeschichteoder das Weihnachtsfest einer anderen Kultur. Wir wünschen euch (trotz aller Krisen) eine schöne und besinnliche Zeit!
Lillie muss sich in den Feiertagstrubel werfen
Das einzige, was Lillie an der Weihnachtszeit überhaupt nicht ausstehen kann, ist der Weihnachtseinkauf kurz vor den Feiertagen. Aber leider schleppt Bärbel sie immer mit – von Supermarkt zu Supermarkt. Schrecklich!
So kurz vor Weihnachten sind die Geschäfte natürlich rappelvoll. Die Menschen können ja immerhin zwei Tage lang nicht einkaufen. Aber zu Lillies Bedauern gehört auch ihre Mutter zu dieser Fraktion. „Mama, warum tust du dir den Stress eigentlich immer an?“
„Gute Frage, das frage ich mich jedes Jahr aufs Neue“, antwortet Bärbel ihr und lässt den Blick über die hastig einkaufenden Menschen wandern.
Über die Lautsprecherboxen im Supermarkt schallt ein Weihnachtssong, dessen Töne zwischen dem Lautstärkepegel im Geschäft zeitweise untergehen. Besinnlichkeit und Weihnachtsvorfreude sucht Lillie hier vergeblich. Warum müssen sich die Menschen immer so einen Stress machen?
Bärbel und Lillie stürzen sich mit einem lauten Seufzer ebenfalls ins Gedränge. Im Augenwinkel bekommt Lillie mit, wie sich zwei Mütter um die letzte Tüte Fertigknödel streiten. Na, wenn es sonst keine Probleme gibt …
„Lillie, hilfst du mir mal?“ Mit dieser Frage wischt Bärbel Lillies Gedanken weg. Gemeinsam hieven sie eine Getränkekiste in den Wagen. Nach und nach arbeiten sie sich durch den Supermarkt und ihre Einkaufsliste entlang. In diesem Jahr findet Lillie, dass die Menschen besonders gestresst und gleichzeitig unheimlich langsam sind. Sie alle sehen müde aus – gebeutelt von den knapp drei Jahren Pandemie, die wohl für alle keine leichte Zeit gewesen waren. Für Lillie sieht es in diesem Jahr ganz anders aus: Ihre Freude auf das Weihnachtsfest mit der ganzen Familie ist unheimlich groß. Zum ersten Mal kann sie auch ihrer Mutter in der Küche zumindest ein wenig helfen. Gestern haben sie bereits gemeinsam das Menü geplant.
„Haben wir auch alles für den leckeren Nachtisch?“, stellt Lillie die alles entscheidende Frage.
„Fast, uns fehlen noch die Tiefkühlbeeren.“ In diesem Jahr gibt es ein Panna Cotta – ein unfassbar schwieriges Wort, das sich bei Lillie eher wie Pandadotta anhört.
„Ich hol sie schnell“, ruft Lillie und flitzt in Richtung Tiefkühltruhe los. Mit zwei eiskalten Beuteln bepackt kommt das kleine Mädchen zu der Stelle zurück, an der sie ihre Mutter das letzte Mal gesehen hatte, von der jetzt jede Spur fehlte. Suchend schaut sie sich um, dreht sich um die eigene Achse. Zwischen all den fremden Einkaufswagen, genervten Menschen und dem tosenden Lärm bekommt sie plötzlich Angst. Sie läuft die Gänge ab, ruft ab und an nach ihrer Mutter. Und da steht sie – packt gerade die letzten benötigten Dinge ein. „Puh, habe ich dich noch gefunden“, sagt sie erleichtert zu ihrer Mutter.
„Aber sicher, ich fahr doch nicht ohne dich“, erwidert sie und nimmt ihre Tochter in den Arm. Sie warten knapp 15 Minuten an der Kasse, eine genervte Kassiererin scannt ihre Produkte. „Schöne Weihnachten“, wünscht Lillie ihr und grinst sie schief an. Mürrisch hebt diese den Kopf, entdeckt das kleine Mädchen und lächelt zurück. „Danke, du hast mir den Tag gerettet“, sagt sie zwinkernd.
Na, da haben die rund eine Stunde stressiger Weihnachtseinkauf ja immerhin etwas gebracht.
Mehr von Lillie gibt es zum letzten Mal in Türchen 24 wieder zu lesen.