Gibt es einen Weihnachtsmann? In Osnabrück zumindest jeden Donnerstag um 17.00 Uhr während des Weihnachtsmarktes. Nicht durch den Schornstein kommt er zu den Kindern, sondern hinab vom Marienkirchturm.
Osnabrücker Nikolaus im Zeichen der Zeit
Der US-amerikanische Trend, den Weihnachtsmann als Puppe oder Beleuchtung an Fassaden kletternd darzustellen, hielt in den vergangenen Jahren auch in Deutschland Einzug. Die Organisatoren des historischen Weihnachtsmarktes in Osnabrück treiben diese Idee auf die Spitze: Sie lassen den Nikolaus de facto nun das zweite Jahr in Folge an der Fassade des Marienkirchturms hinabsteigen, beziehungsweise abseilen, denn der hiesige Nikolaus ist hauptberuflich Industriekletterer und arbeitet als Maurice Dunekamp bei Rigging Plus in der Veranstaltungsbranche.
Arbeitsplatz: Adventskalender auf dem Weihnachtsmarkt
Die Seilzugangs- und Positionierungstechnik, wie es akkurat heißt, ist eine vergleichsweise junge Branche, die vor allem körperliche Fitness und Schwindelfreiheit erfordert. Verbreitet ist die Vorstellung, dass Industriekletterer an ihrem Seil die Fassade hinaufklettern würden. Richtig ist jedoch vielmehr, dass sich Industriekletterer in der Regel von oben herab an ihren Arbeitsplatz abseilen. In diesem Fall ein ganz besonderer Arbeitsplatz, ein überdimensionaler Adventskalender.
Schäffer stiftet Geschenke
Der Osnabrücker Adventskalender präsentiert sich am Fuße der Marienkirche auf dem historischen Rathausplatz im Giebel einer Weihnachtsmarkt-Bude. Eine Bühne mit Vorhang bietet den Kindern einen guten Blick auf den Nikolaus, wenn er die Geschenke verteilt. Ab dem 1. Dezember haben jeweils drei Kinder das Glück, ein Geschenk aus dem Türchen zu erhalten. Bis zum 22. Dezember, solange ist der Weihnachtsmarkt geöffnet, stiftet das Osnabrücker Unternehmen Schäffer jeden Tag drei Geschenke. Von Schleichtieren über Gesellschaftsspiele bis hin zu Artikeln von Playmobil und Lego sind viele Sachen dabei, die sich manches Kind vielleicht unter dem häuslichen Weihnachtsbaum liegend wünschen würde. Wer an der Auslosung teilnehmen möchte, trifft den Nikolaus donnerstags auf dem Weihnachtsmarkt und füllt ein Kärtchen aus. Dieses wird an der Bühne in einen Kasten geworfen, woraus der Nikolaus um 17.00 Uhr drei Namen zieht.
Generalprobe des Nikolauses
Den ersten offiziellen Auftritt, und quasi die Generalprobe, hatte Maurice Dunekamp als Nikolaus in diesem Jahr am Donnerstag (30.11.). Etwa eine Stunde vorab wird die Technik aufgebaut. Die Seilzugangstechnik muss überprüft werden, und er schaut sich vor jedem Einsatz erneut die Statik an. „Das Gebälk muss 2,2 kN tragen“, stellt Maurice Dunekamp heraus. Sicherheit ist das Wichtigste in diesem Job, es ist immer ein Sicherungsgerät vor Ort. Mit über 18 Jahren im Beruf – „Klettern allerdings schon seit ich denken kann“, ergänzt er im Vorgespräch – ist er ein erfahrener Industriekletterer. Mit seinem Bruder als Rettungshelfer im Fall der Not ist er ein eingespieltes Team. Maurice Dunekamp würde sich am liebsten jeden Tag von der Marienkirche abseilen, auch wenn sie dort oben „schon ein bisschen frieren“ müssen. Ob er schonmal vorher den Nikolaus gespielt hat? „Nur für meine Kinder“, strahlt er. „Ich hoffe, es klappt auch in diesem Jahr, dass sie mir zusehen werden.“ „Heute schaut aber mein Neffe zu“, ergänzt er lächelnd.