Hand auf´s Herz, wer kennt die Quadratmeterpreise für gewerblich genutzte Immobilien in der Osnabrücker Innenstadt?
Dank Onlineportalen wie Immobilienscout ist die Recherche und der Vergleich einfach.
Pornokino in der Hasestraße (400qm) kostet 42.000 € Miete im Jahr
In direkter Nähe zum Stadttheater findet sich zum Beispiel das ehemalige Pornokino in der Hasestraße, angeboten unter der Exposé-Nummer 63869053. Wer hier einziehen will muss sich auf eine Monatsmiete von 3.500 € einstellen (42.000 €/Jahr).
Stadttheater am Domhof (>3.000qm) soll 100.000 € Miete zahlen
Für das deutlich größere Stadttheater (+ ein weiteres Haus + Lager) wird nun bald ebenfalls Miete fällig: 100.000 € im ersten Jahr (8.333 € im Monat) – ab 2017 verdoppelt sich dann die Miete.
Osnabrücker Theater soll 2016 erstmals Miete zahlen
Nun ist das Theater am Domhof kein Pornokino, und die tatsächliche Quadratmeterzahl – über alle Geschossflächen und Nebengebäude hinweg – lässt sich auch nicht so einfach ermitteln.
Tatsächlich wird die vom Theater angemietete Fläche deutlich größer als 3.000 Quadratmer sein.
Mittels Google EarthPro ist die reine Grundfläche, auf dem das Jugendstilgebäude seit 1909 steht, dennoch schnell berechnet. Etwas mehr als 3.000 Quadratmeter ermittelt der digitale Helfer.
Das historische Gebäude wird in einem Paket zusammengefasst mit einem weiteren Innenstadtgebäude an der Kleinen Domsfreiheit (vis a vis vom Carolinum) und einer Lagerfläche im Hafen. Dafür wird die Stadtverwaltung ab kommenden Jahr erstmals eine Miete von den defizitären Städtischen Bühnen verlangen.
Wenn in dem entsprechenden Mietvertrag tatsächlich eine Quadratmeterfläche angegeben sein sollte, dann vermutlich die „Nutzfläche“, die sich in allen Gebäuden zusammen auf vermutlich weit mehr als 10.000 Quadtratmeter summiert. Bei einem Mietpreis von 100.000 Euro, bzw. 200.000 Euro ab 2017, dürfte sich die tatsächliche monatliche Miete vorsichtig geschätzt irgendwo um einen einzelnen Euro bewegen – pro Quadratmeter. Nochmals weiter weg von dem, was man als „ortsübliche“ Miete bezeichnen kann.
Städtischer Zuschuss verringert sich um weniger als 1% pro Jahr!
Abgesehen davon, dass eine Monatsmiete von wenigen tausend Euro pro Monat im Verhältnis zur Fläche eher symbolischen Charakter hat, wird die Stadt zusätzlich die bereits begonnenen Renovierungsarbeiten des Theaters bezahlen. In den kommenden Monaten dürften sich diese Kosten auf nochmals deutlich mehr als 10 Millionen Euro summieren. Und natürlich wird die laufende Bezuschussung des Theaters auch in Zukunft nicht eingestellt.
Der städtische Zuschuss der Stadt für das Theater beträgt relativ konstant etwas über 10 Millionen Euro – pro Jahr. Hinzu kommen weitere Millionen aus Fördertöpfen von Land und Bund, die ebenfalls vom Steuerzahler aufgebracht werden müssen.
Wenn nun die Theaterleute im kommenden Jahr 100.000 Euro Miete zahlen – aus den zuvor von der Stadt erhaltenen Fördergeldern – dann verringert sich der städtische Zuschuss also effektiv um weniger als 1%! Und selbst die beschlossene Verdoppelung des Mietzinses im Folgejahr schafft weniger als 2% Entlastung für die Stadtkasse.
Warum wird eigentlich „rechte Tasche / linke Tasche“ gespielt?
Der Hintergrund dieses wenig effektiven Taschenspielertricks ist natürlich in der Politik zu finden. Weil die laufenden Zuschüsse an das Theater (siehe auch hier unseren Beitrag zur Relation mit der „sonstigen“ Kulturförderung) nicht gekürzt werden können, ohne dabei auch die Zuschüsse aus anderen Fördertöpfen zu gefährden, musste eine andere Lösung her um „unterm Strich“ eine geringfügige Etatkürzung durchzusetzen.
In der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause, am 21. Juli, erklärte CDU-Fraktionschef Fritz Brickwedde, er hätte zusammen mit den Frank Henning (SPD) und Michael Hagedorn (Grüne) die Idee mit der Miete mit der Geschäftsleitung des Theaters verhandelt.
Vor diesem Verhandlungsergebnis nahm die CDU-Fraktion Abstand von ihrem ursprünglichen Antrag, die Zuschüsse für das Theater erst mit dem „Doppelhaushalt“ 2016/2017 festzulegen. Allerdings einigten sich die großen Parteien darauf den Zuschuss für das Theater nur bis einschließlich 2017 zu beschließen, statt wie geplant bis 2018, so dass ein neuer Stadtrat, der im September 2016 gewählt wird, hier Handlungsfreiheit haben soll.
Christopher Cheeseman erklärte für die Linke, er befürchte diese faktische Kürzung des Etats werde nicht mehr zurückgenommen. Wenn es mit 100.000 bzw. 200.000 Euro funktioniere, werde in Zukunft weiter „gegraben“.
Ob die Höhe der neu vereinbarten Miete in irgendeiner Relation zum Mietgegenstand steht, war in keinem Debattenbeitrag der letzten Ratssitzung ein Thema.
Nach dem Krieg galt ein „Zuschuss-Verbot“ für das Theater
Eine kleine Randnotiz: in einem Beitrag der Wikipedia über Osnabrücker Theater findet sich eine interessante Aussage zur jüngeren Vergangenheit des Stadttheaters:
Das Verbot kultureller Betätigung wurde im Juli 1945 aufgehoben. Es wurde mit der Auflage verbunden, dass sich das Theater, ausgestattet mit einem Grundkapital, selbst tragen müsse.
Während viele Erlasse der Alliierten über Jahrzehnte Bestand hatten oder sogar Teil des Grundgesetzes wurden (bspw. Rolle der Presse), scheint diese „Auflage“ wohl irgendwann in Vergessenheit geraten zu sein.
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