Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Aus den USA gingen im vergangenen Jahr 136.437 Hinweise auf Kinderpornografie beim Bundeskriminalamt ein – viele davon können aber nicht verfolgt werden. Das berichtet „Bild“ unter Berufung auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage aus der Unionsfraktion.
Im Internet aufgespürt hatte sie das renommierte Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder (NCMEC). 89.844 Fälle waren schließlich strafrechtlich relevant, 5.614 Fälle mussten unerledigt zu den Akten gelegt werden, Strafverfolgung und Bestrafung waren nicht möglich. Grund ist der Datenschutz: Die IP-Adresse der mutmaßlichen Täter wäre das einzige Beweisstück gewesen. Doch sie war beim Telekommunikationsanbieter nicht mehr gespeichert – weil in Deutschland keine Vorratsdatenspeicherpflicht gesetzlich vorgeschrieben ist.
Der Europäische Gerichtshof hatte die sogenannte Vorratsdatenspeicherung in schweren Fällen wie Kindesmissbrauch oder Terrorismus in einem wegweisenden Urteil bereits vor acht Monaten für zulässig erklärt hat. Im Parlament verhindert die Ampel-Koalition jedoch seit Monaten eine Anhörung zu diesem Thema. Die Vize-Vorsitzende der Unions-Fraktion, Andrea Lindholz (CSU), spricht von einem „Skandal“. Die Scholz-Regierung lasse „die Schwächsten in unserer Gesellschaft – die Kinder – im Stich“.
Der Kanzler müsse „endlich ein Machtwort“ sprechen. Doch in der Koalition wird noch diskutiert, ob und wie das Urteil umgesetzt werden kann. Benjamin Strasser (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im gemeinsam mit dem Innenministerium zuständigen Justizministerium, hatte im Mai erklärt: „Zu Einzelfragen der Umsetzung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 20. September 2022 ist die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen. Wann der Meinungsbildungsprozess abgeschlossen sein wird, steht derzeit noch nicht fest.“
Beim BKA sind nach „Bild“ vorliegenden Zahlen allein in den Jahren 2017 bis 2021 insgesamt 302.250 Hinweise der US-Kinderschützer eingegangen. Davon liefen 19.150 Hinweise ins Leere, weil die IP-Adressen mutmaßlicher Täter aufgrund der deutschen Regeln nicht bei den Providern gespeichert waren.
Foto: Bundeskriminalamt, über dts Nachrichtenagentur