Was genau passierte bei der vom DGB organisierten Maikundgebung? Ein von unserer Redaktion veröffentlichter Polizeibericht erhitzte vor allem bei Facebook die Gemüter.
Zwischen allerlei Beschimpfungen gegen unsere Redaktion, wobei uns teils jegliche Kompetenz abgesprochen und eine irgendwie geartete „Agenda“ zugesprochen wurde, gab es auch sich teilweise deutlich widersprechende angebliche Augenzeugenberichte.
Mal war überhaupt nichts passiert, mal dann doch, aber irgendwie auch ganz anders als von der Polizei beschrieben. Tenor: Die Pressestelle der Polizeiinspektion Osnabrück und die HASEPOST, die eine (als solche gekennzeichnete!) Pressemitteilung veröffentlichte, würden alles falsch machen und falsch berichten.
Ist es legitim Pressematerial der Polizei zu veröffentlichen?
Wie bereits am 1. Mai via Facebook versprochen, haben wir am Tag danach nachgefragt und Statements von allen wichtigen Beteiligten eingeholt. Beginnen wir bei der Polizeiinspektion Osnabrück, deren Pressemitteilung am Anfang stand.
Doch vorab noch eine Feststellung: Selbstverständlich ist es völlig legitim, dass Redaktionen auf verlässliche Drittquellen zurückgreifen, um über aktuellen Ereignisse zu berichten, auch wenn es nicht möglich war selbst vor Ort zu sein. Zu diesen grundsätzlich verlässlichen Quellen gehören – neben Nachrichtenagenturen – auch Pressestellen von großen Unternehmen und Behörden. Es ist natürlich immer Vorsicht geboten, denn der Pressesprecher ist auch immer seinem Arbeitgeber verpflichtet. Es gibt jedoch eine Vertrauensbasis zwischen Medien und Pressestellen, genau wie zu Agenturen, die Basis der Zusammenarbeit ist – eine gute Pressestelle fühlt sich immer auch den Kollegen aus den Medien verpflichtet. Dennoch, und das gehört zum Handwerkszeug, ist eine Drittquelle immer als solche zu kennzeichnen; und (ganz wichtig) das unreflektierte Veröffentlichen einer Pressemitteilung kann eigene Recherche und den unabhängigen Blickwinkel niemals ersetzen.
Vor allem aber ist im Konflikt- und Zweifelsfall immer auch – sofern vorhanden – die andere Seite zu hören und ihr entsprechend Raum zu geben!
Polizei: Pyrotechnik bei Demonstration nicht genehmigungsfähig
Nun aber zur Pressestelle der Polizei. Frank Oevermann, Pressesprecher der Polizeiinspektion Osnabrüc,k meldete sich als Erster nach unserer bereits am 1. Mai gestellten Bitte um mehr Informationen. Im Wesentlichen bestätigte Oevermann die Inhalte der am Maifeiertag veröffentlichten Pressemitteilung. Auf Nachfrage unserer Redaktion ergänzte der Pressesprecher noch, dass es keinesfalls eine Absprache mit oder gar eine Genehmigung des Ordnungsamtes zum Mitführen von Pyrotechnik bei der Maidemonstration gegeben haben kann. Dies wurde von einem Leser in einem Facebook-Kommentar behauptet, mit Verweis auf die auch im vergangenen Jahr von Teilnehmern des Demonstrationszuges des Jugendbündnis Osnabrück gezündeten Feuerwerkskörper (siehe Titelbild).
Dazu Frank Oevermann: „Pyrotechnik verursacht schädliche Gase und kann beim Abbrennen hohe Temperaturen erzeugen“, eine Genehmigung durch das Ordnungsamt schließt Oevermann grundsätzlich aus. Seine Kollegen hätten richtig gehandelt, auch um zum Beispiel Kinder im Demonstrationszug des DGB zu schützen.
DGB: Keine Radikale, keine Gefahr durch Pyrotechnik
Von Seiten des DGB meldete sich am Donnerstag Petra Tiesmeyer, die den Polizeieinsatz als „wenig angemessen“ bezeichnet, darauf verwies, dass auch im Vorjahr schon Pyrotechnik abgebrannt worden sei, und dass „junge Menschen“ dabei „frei verkäufliche Rauchkörper der Klasse P1“ verwendet hätten. „Mitnichten“, so die DGB-Regionsgeschäftsführerin, „ging es um „Radikale“ oder um Gefahren. Bunt war es, wie im Vorjahr. Selbst auf Nachfragen der Veranstaltungsleitung bedurfte es einiger Zeit, bis Anlass polizeilichen Einwirkens auf die Demonstration erklärt werden konnte. Alles andere kann nur als Falschmeldung gewertet werden.“
[Update] Stadt Osnabrück: Antwort folgt am Freitag
An dieser Stelle wäre es natürlich interessant, auch eine Stellungnahme von Seiten der Stadt, deren Ordnungsabteilung für die Genehmigung und die direkte Kontrolle möglicher Auflagen zuständig ist, einzubringen.
Tatsächlich wurde unserer Redaktion im Verlauf des 2. Mai eine Nachricht mit einer umfassenden Antwort geschickt. Ein technischer Fehler, der vermutlich auf unserer Seite lag (Server-Umzug), sorgte dafür, dass die Mail nicht rechtzeitig berücksichtigt werden konnte. Wir möchten uns ausdrücklich bei den Mitarbeitern des Presseamts entschuldigen, dass an dieser Stelle erst eine Formulierung zu lesen war, die den Einruck erweckt hat, die Stadtverwaltung hätte aus Termingründen nicht antworten können. Im Verlauf des Freitags (3. Mai) liefern wir diese Stellungnahme nach und verlinken diese auch hier.
Jugendbündnis: Es wurden keine Platzverweise erteilt
Dafür meldete sich recht umgehend Timo Spreen, vom Jugendbündnis Osnabrück, dem Anmelder des Demonstrationszuges, gegen dessen Teilnehmer sich der Polizeieinsatz richtete. Unter dem Titel „viel Rauch um nichts“, betont auch Spreen, dass es sich bei der mitgeführten Pyrotechnik um Rauchfackeln des Typs P1 gehandelt habe, die von der Polizei irrtümlich für illegale Rauchfackeln gehalten wurden, woraus ein Stoppen der Demo und eine „Falschmeldung der Polizei“ (Zitat Spreen) entstanden sei: „Der Jugendblock wurde keineswegs gekapert, es waren auch keine Linksextremen am Zündeln, sondern Menschen aus verschiedenen Organisationen haben legale Rauchkörper der Klasse P1 gezündet. Diese Menschen aus dem Jugendbündnis haben vorher eine Einweisung erhalten und das Anzünden war choreographiert. Außerdem wurden auch keine Platzverweise erteilt. Von zwei Personen aus dem Jugendblock wurden die Personalien aufgenommen, welche am Ende weiter an der Demo teilgenommen haben.“
Polizei ermittelt, Anzeigen könnten noch folgen
Polizeipressesprecher Oevermann konnte am Donnerstagvormittag keine Angaben zur Zahl der von seinen Kollegen aus dem Demonstrationszug verwiesenen Jugendlichen machen, bekräftige jedoch die Aussage aus der ursprünglichen Pressemitteilung, dass „Platzverweise“ erteilt worden wären. Seine Kollegen würden nun Videomaterial auswerten und es könne auch noch auf Basis der weiteren Ermittlungen zu Anzeigen wegen Verstosses gegen das Versammlungsgesetz kommen.
„Linksextreme“ oder eher nicht?
Unsere Redaktion wurde auch deswegen über Facebook kritisiert, weil im Intro zur Pressemitteilung der Polizei der Begriff „Linksextreme“ verwendet wurde, der von unserer Redaktion der Pressemitteilung hinzugefügt worden war. Auslöser für die Verwendung dieses Begriffs war u.a. die Schilderung eines Augenzeugen, der von Fahnen der Organisationen SDAJ und die Linke SDS berichtete.
Auf einem am Donnerstag bei der NOZ veröffentlichten Foto sind diese Fahnen in direktem Umfeld der verwendeten Pyrotechnik zu sehen. Da beide zuvor genannten Organisationen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen oder standen (wenn auch nicht auf Bundesebene), verwenden wir den Begriff „Linksextrem“ für Aktionen im Umfeld oder aus diesen Gruppen heraus.
Unsere Redaktion reagiert grundsätzlich kritisch auf alle extremen Gruppierungen, die sich gegen das friedliche Zusammenleben und die Grundfesten unserer freiheitlichen demokratischen Gesellschaft und die Freiheit des Einzelnen, die Presse- und Meinungsfreiheit und die Meinungsvielfalt stellen, unabhängig von politischer Ausrichtung und Religion. Dass wir für diese „direkte Sprache“ auch schon häufig Kritik von linken und rechten Gruppierungen bekommen haben, ebenso von radikalen Islamisten, genau wie von evangelikalen Christen, von überzeugen Anglern, Zirkusfreunden und von Tierrechtlern, gehört leider zum Alltag.
Und warum erst jetzt? Eigentlich schon für den 1. Mai geplant, aber leider dauerte es länger, haben wir unseren Webserver in den vergangenen 48 Stunden umgezogen und neu aufgesetzt. Deswegen kommt diese Zusammenfassung der Stellungnahmen erst so spät.
Zum verwendeten Titelfoto: Das Foto stammt aus einer im Vorfeld des 1. Mai 2019 versendeten Pressemitteilung des Jugendbündnisses Osnabrück und belegt, dass bereits im Vorjahr Rauchfackeln gezündet wurden. Da wir die Teilnehmer aus dem vergangenen Jahr nicht mit dem Vorfall aus diesem Jahr in Verbindung bringen wollen, wurden die Gesichter unkenntlich gemacht.