„Nur elf Besucher pro Tag“, mit dieser Zahl rechnet die CDU Osnabrück einen vermeintlichen Misserfolg der Osnabrücker Kunsthalle vor und fordert eine Attraktivitätssteigerung kommunalen Ausstellungsfläche. In der Ratssitzung am Dienstag (7. März 2023) steht ein Beschluss zur Neuausrichtung der Kunsthalle auf der Tagesordnung.
Unsere Redaktion hat bei Osnabrücks Kultur-Vorstand Wolfgang Beckermann nachgefragt und um eine detaillierte Auskunft darüber gebeten, ob die von der CDU ins Spiel gebrachte Besucherzahl so richtig ist. Wir haben eine durchaus abweichende und differenziertere Sicht auf die Kunsthalle und ihre Bedeutung erhalten, die wir hier im Detail wiedergeben.
Zwar kann auch Beckermann die Erfolge beim Ticketverkauf nicht höher rechnen als sie tatsächlich sind. Lediglich 7.656,00 Euro floßen im vergangenen Jahr in Summe in die Ticketkasse – bei Eintrittspreisen von nur 5,00 Euro bzw. 3,00 Euro für den ermäßigten Eintritt.
Beckermann betont gegenüber unserer Redaktion, dass die Kunsthalle zeitgenössische Kunst mit einem Bildungsauftrag für ein generationsübergreifendes Publikum in einem denkmalgeschützten Wahrzeichen der Stadt Osnabrück zeigt.
Viele Besucherinnen und Besucher sind vom Eintritt befreit
Vor allem aber, und vor dem Hintergrund des eigenen Anspruchs möglichst geringe Hürden aufzubauen, haben zahlreiche Besuchsgruppen freien Eintritt in die Kunsthalle Osnabrück: Schülerinnen bis 18 Jahre, Studierende aus der Stadt Osnabrück, Mitglieder des Freundeskreises, Kindergartengruppe inkl. Lehrpersonal, Schulklassen inkl. Lehrpersonal, Mitglieder des Deutschen Museumsbundes und der ICOM-Card, Pressevertreterinnen, Begleitpersonen für behinderte Personen, Mitglieder Verband deutscher Kunsthistoriker und Mitarbeiterinnen städtischer Museen der Stadt Osnabrück
Auch Eröffnungen und Veranstaltungen sind im Sinne der Drittmittelförderer kostenfrei, um diversen Besuchsgruppen mit unterschiedlichen Einkommen Zugang zu Kunst, Vermittlung, Bildung und Kultur zu gewährleisten.
Corona und Renovierungsarbeiten drückten die Einnahmen zusätzlich
Hinzu kommt, bei der Betrachtung des vergangenen Jahres, dass die Kunsthalle bis Juni aufgrund der Sanierung und Rekonstruktion des Daches einen freien eintritt ermöglichte. Daher sind Eintrittsgelder für das Programm der Kunsthalle zu „Barrierefreiheit“ und die Ausstellung des EMAFs in 2022 weggefallen. Das sind 3 Monate, gerechnet auf die Zahlen 2019 vor Corona wären das zusätzlich ca. 630 Besucherinnen. Unter Berücksichtigung dieser Zahlen wären es 2022 bereits 2.406 zahlende Besucherinnen im Vergleich zu 2019 mit 2.517 zahlende Besucherinnen. Damit sind die Zahlen nahezu stabil geblieben, was in anderen Institutionen nach Corona nicht verzeichnet werden kann.
Die Kunsthalle ist während laufender Ausstellungen von Dienstag bis Sonntag, 11:00-18:00 Uhr geöffnet. Das ergibt jedoch keine Öffnung an 365 Tagen, tatsächlich hat die Kunsthalle im Jahr nur ca. 250 Tage für Besuche geöffnet, die zur Berechnung herangezogen werden können. Gründe dafür sind: Schließung an Montagen, Schließung zum Umbau von ca. 2x ca. 3-4 Wochen aufgrund aufwändiger vor Ort realisierter Neuproduktionen mit Alleinstellungsmerkmal, Öffnung des Hauses für externe Einmietungen im März bevor EMAF aufbaut zur immer festen Zeit aufgrund ihrer festen Terminierung im nationalen Festivalkalender.
Nicht 11 sondern bis zu 80 Besucher am Tag
Beachtet man diese Hintergründe sind „bei rund 18.000-20.000 Besuchenden im Jahr sind rund 72-80 Besuchende am Tag anzunehmen“, so Beckermann. So gesehen liegt die CDU mit ihrer Zahl von nur elf Besuchern am Tag deutlich daneben.
Die Frage danach, welche Kosten der Ticketverkauf verursacht kann so auch nicht beantwortet werden, da der Ticketverkauf nur „nebenbei“ erfolgt. Das zuständige Personal übernimmt zahlreiche andere Aufgaben. „Der Ticketverkauf erlogt durch das Aufsichtspersonal, dass neben dem Ticketverkauf eine ‚multifunktionale Tätigkeit‘ übernimmt“. Die Arbeit umfasst, so Beckermann, die Aufsicht der Ausstellungen, Ticketverkauf und Shopbetreuung, Vermittlung der Inhalte, Kontaktpflege und Sekretariatstätigkeit, Listenführung für Veranstaltungen, Unterstützung von Veranstaltungen, Pflege der Ausstellungen und Unterstützung beim Umbau der Ausstellungen. Hierfür stehen 4,28 Stellen zur Verfügung, für die jährliche Kosten von 203.685,98 Euro anfallen.
Drittmittel-Einwerbung war deutlich erfolgreicher als geplant
Der städtische Kulturchef nennt nochmals Corona als Grund für die vielleicht als die von der CDU als mau angesehenen Besucherzahlen „Der Rückgang von Besucherinnen nach Corona, die in allen Kulturhäusern in Deutschland zu verzeichnen ist, schlägt sich in der nicht erreichten Planzahl von 4.250 zahlende Gäste nieder. Dieser Wegfall von Einnahmen konnte durch eine mehr als verdoppelte Einwerbung durch Drittmittel großzügig ausgeglichen werden. Die zu erreichende Planzahl in 2022 für Drittmittel war 100.000 Euro. Die Kunsthalle Osnabrück hat für das Programm in 2022 220.000 Euro Drittmittel eingeworben, und damit die Planzahl um 120.000 übertroffen.
Das reale Ausstellungsbudget der Kunsthalle Osnabrück speist sich aus den Drittmitteln und den ca. 160.000 Euro Eigenanteil durch die Stadt Osnabrück. Daraus werden Ausstellungsproduktion, Künstlerhonorare, Pressearbeit zur Besucherinnen-Werbung, Plakate und Druckmittel wie Kataloge und Kunstvermittlungsangebote bezahlt.“
Hinweis: Da in der Antwort der Verwaltung zumindest teilweise gegendert wurde, entschuldigen wir uns für die schlechte Lesbarkeit. Um Zitate nicht zu verfälschen haben wir diese Abweichung von der gültigen Rechtschreibung und unserer redaktionellen Leitlinie hier toleriert.