Eine persönliche Beobachtung von Heiko Pohlmann.
Obwohl sich die Ratsmitglieder im Januar rund sechs Wochen Aufschub für ihre Entscheidung gegeben hatten, gab es bei der entscheidenden Ratssitzung am Dienstagabend wenig Diskussion über das Mammutprojekt „Theatersanierung“. Wirkliches Interesse an der Debatte gab es von Seiten vieler Ratsmitglieder ohnehin nicht, das Ergebnis der Abstimmung stand für sie bereits fest.
Die womöglich größte Einzelinvestition in der Geschichte der Stadt Osnabrück, zumindest was den Kulturbereich angeht, wurde teilweise vor unbesetzten Stühlen debattiert.
Der regelmäßige Toilettengang und der Spielstand des VfL war im wirklichen Leben für viele Ratsmitglieder wichtiger – auch wenn in Redebeiträgen nicht an pathetischen Worten gespart wurde und angeblich sogar das Zusammenleben in der Friedensstadt in Gefahr sei, wenn das Theater nicht schleunigst renoviert wird.
Die Redner aus den größeren Fraktionen zeichneten ein Bild vom Theater, das den Eindruck vermittelte, die Hasestadt würde nur wegen dieser Theaterbühne bestehen. Wenn jetzt nicht schnell (wobei das noch Jahre dauern kann) die ungefähr 80 Millionen Euro ausgegeben werden, könnten sämtliche Großunternehmen und Einwohner der Stadt umgehend den Rücken kehren, so das Schreckensbild, das auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank Henning vor einem nur mäßig gefüllten Ratssitzungssaal entwarf.
CDU-Ratsmitglied sieht Demokratie gefährdet
Geradezu grotesk wirkte das Plädoyer von Brigitte Neumann (CDU), die sogar die Demokratie gefährdet sah, wenn jetzt nicht die Renovierung für 80 Millionen (oder mehr) auf den Weg gebracht würde.
Angesichts des Griffs in die Taschen der Bürger, könnte man sich allerdings auch vorstellen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Denn wer hatte bei der Kommunalwahl 2016 schon damit gerechnet, dass „sein Geld“ so leichtfertig für die Renovierung einer Spielstätte, die längst nicht jeder Osnabrücker auch nur „gelegentlich“ besucht, ausgegeben wird?
Ratssitzungssaal zeitweise nur halb gefüllt
Wie oben bereits angedeutet, schienen zahlreiche Ratsmitglieder diese Litanei und die ewig gleichen Loblieder selbst kaum ertragen zu können. Gleich zu Beginn der Debatte verliessen viele Ratsmitglieder – quer durch alle Parteien – den Ratssitzungssaal geradezu fluchtartig, um auf den Fluren oder der Treppe vor dem Rathaus für sie wichtigerem Zeitvertreib nachzugehen. Immerhin spielte ja der VfL an diesem Abend, und die Ergebnisse des potentiellen Aufsteigers schienen deutlich mehr (wirkliches) Interesse auszulösen als der Pflichttermin, bei dem es um einen möglicherweise am Ende sogar dreistelligen Millionenbetrag geht. Eine absurd hohe Summe, die allerdings erst dann die Stadtkasse belasten wird, wenn viele der bereits jetzt weit in der zweiten Lebenshälfte angekommenen Ratsmitglieder schon die Gnade einer frühen Demenz erfahren. Das Motto schien zu sein: Jetzt abstimmen, was mich in meinem Leben als Politiker und Steuerzahler ohnehin nicht mehr belastet. Auch eine Form von „Generationen-Ungerechtigkeit“.
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Woher das Geld kommen soll? Offen!
Bezahlen dürfen nicht nur jüngere Generationen, sondern auch „die anderen“, denn auch das wurde immer wieder deutlich: Zwei Drittel der Megasumme sollen noch unbekannte und womöglich auch überhaupt nicht existierende Förderkassen aus Berlin und Hannover bezahlen. Die Verwaltung soll sich nun auf den Weg machen, diese Geldmittel zu finden und anzuzapfen. Was passiert, wenn diese großzügige Co-Finanzierung wider Erwarten nicht möglich ist, ist völlig offen. Zahlt dann die Stadtkasse etwa 2/3 oder gar den gesamten Kostenblock?
Gegenwind gab es nur von der FDP
Während ein großer Teil der Ratsmitglieder der Debatte zumindest zeitweise fernblieb, gab es durchaus interessante Redebeiträge.
Für die FDP zerlegte Dr. Robert Seidler recht detailliert das Gutachten, das (ohne Kostensteigerung) eine Bausumme von 62 Millionen voraussieht. Kerstin Albrecht (BOB) mahnte vorsichtig einen kompletten Neubau als „Plan B“ an – enthielt sich am Ende zusammen mit ihrem Fraktionskollegen Dr. Lübbe und Wulf-Siegmar Mierke von der der UWG aber nur bei der Abstimmung; für eine Ablehnung der Pläne reichte es dann doch nicht.
Einzig die FDP-Ratsfraktion und der Pirat Nils Ellmers wollten an diesem Abend nicht so viel Geld ausgeben und verweigerten ihre Zustimmung.