Wie geht es weiter mit der Lokalpolitik in Zeiten der Corona-Krise? In mehreren einzelnen und einer gemeinsamen Pressemitteilung brachten die kleinen Fraktionen (Linke, FDP, BOB) und die nur mit einem Ratsmitglied vertretene UWG in den vergangenen Tagen ihre Sorge zum Ausdruck, sie könnten Opfer eines falsch verstandenen Infektionsschutzes werden.
Es scheint fast so, als hätte sich die Linkspartei mit ihrer ersten Pressemitteilung zum Thema durchsetzen können. Genau wie von der Linken am 31. März gefordert, wird die erste Ratssitzung nach der Osterpause in der kommenden Woche nicht wie gewohnt im Rathaus, sondern in der ansonsten aktuell geschlossenen OsnabrückHalle stattfinden.
Damit nimmt das Kommunalparlament eine ohnehin für die Zeit der Renovierung des Ratssitzungssaales im Sommer geplante temporäre Standortverlegung vorweg und wird für deutlich mehr räumlichen Abstand zwischen den Ratsmitgliedern sorgen.
Referat des Oberbürgermeisters beendet Diskussion um geheime Sitzungen
Unter Tagesordnungspunkt 20.6, fast ganz am Ende der Agenda für die Ratssitzung am 21. April, gibt das dem Oberbürgermeister unterstellte Referat für strategische Steuerung zur Kenntnis, dass “angesichts der rechtlichen Risiken von einer Übertragung von Zuständigkeiten auf den Verwaltungsausschuss abgesehen werden” [soll].
Damit ist eine Verlegung wesentlicher Kompetenzen der kleineren Parteien in einen nicht öffentlich tagenden Ausschuss vom Tisch und damit auch das Aussperren von Öffentlichkeit und Presse. Begründet wird die Entscheidung damit, dass “vom Rat der Wille bekundet wurde, alle Sitzungen gemäß Terminplan – ggf. auch in größeren Räumlichkeiten wie der OsnabrückHalle – abzuhalten und keine Anzeichen für eine etwaige Gefahr der Handlungsunfähigkeit vorliegen”. Damit, so weiter in der Mitteilungsvorlage, “soll angesichts der rechtlichen Risiken von einer Übertragung von Zuständigkeiten auf den Verwaltungsausschuss abgesehen werden.”
Rot-grün dominierter Stadtrat in Hildesheim entmachtete sich selbst
Auch die Urheber der Idee das grundsätzliche Prinzip der Öffentlichkeit der Ratsarbeit zumindest in Teilen über Bord zu werfen, werden in der Mitteilungsvorlage genannt.
So soll die Idee der Übertragung von Ratskompetenzen an einen nichtöffentlichen Ausschuss aus Hildesheim stammen und vom ehemaligen Osnabrücker Oberbürgermeister Boris Pistorius (SPD) geführten Landesinnenministerium nachträglich geprüft worden sein. Pistorius hatte mit einem Schreiben vom 25. März legitimiert, was bereits zwei Tage zuvor vom rot-grün dominierten Rat der Stadt Hildesheim vorexerziert wurde. Allerdings erwartete das Innenministerium, “dass die Kommunen einen derartigen Beschluss in eigener Verantwortung treffen müssen” (also nach Hildesheimer Vorbild) und mahnte an, dass “ein rechtliches Risiko verbleibe”.
Kommentar des Autors
Es ist gut, dass Wolfgang Griesert mit einem Umzug der Ratssitzungen in die OsnabrückHalle reagiert hat. Das ist ein faktisches Statement gegen die Pläne einer zumindest teilweisen Entmachtung des Stadtrats und den Ausschluss der Öffentlichkeit von wichtigen Entscheidungen.
Wir sollten in diesen Zeiten alle sehr wachsam sein, wenn in der Politik schnelle und harte Entscheidungen getroffen werden – auch wenn Corona uns allen Angst macht. Es ist zwar eine Binsenweisheit, aber ich wiederhole es trotzdem: Angst ist niemals ein guter Ratgeber.
Bei zukünftigen Sitzungen in der OsnabrückHalle werden nicht mehr Menschen anwesend sein als in einem durchschnittlichen Bau- und Gartenmarkt. Zugegeben, diese Baumarktvergleiche nerven, aber auch da hat sich die Landesregierung nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Wie kann der Kauf einer Schlagbohrmaschine systemrelevanter sein als die Sitzung des Kommunalparlaments?
Es gab nie einen wirklichen Grund, die kleineren Parteien und vor allem Öffentlichkeit und Presse von Ausschuss- und Ratssitzungen auszuschließen; jedenfalls nicht, solange große Räumlichkeiten wie der Europasaal der OsnabrückHalle als Alternative zur Verfügung stehen.
Dass die absurde Idee der Selbstentmachtung in Hildesheim ausgerechnet unter den Augen der Grünen, einer ehemaligen Bürgerrechtspartei, und der SPD, die für sich in Anspruch nimmt, so etwas wie die Wurzel der Demokratie in Deutschland zu sein, auf den Weg gebracht wurde, sollte allen eine Mahnung sein, die meinen diese Parteien seien eiserne Verteidiger der Demokratie. Und auch die Osnabrücker CDU hat eher zweifelhaft agiert, als sie mit Presseerklärung vom 2. April forderte, nach Möglichkeit für ein Vierteljahr auf Fach- und Betriebsausschusssitzungen zu verzichten.
Der Firnis der Demokratie ist sehr dünn, wir müssen alle wachsam sein.
Wer als Lokalpolitiker meint, es sei alles nicht so wichtig, was im kleinen Osnabrück entschieden wird, gibt den Aluhutträgern und Feinden unserer Demokratie die Munition, die sie brauchen, um wirklich wichtige Entscheidungen auf höherer Ebene zu torpedieren.
Die Politik in den Kommunen ist das Fundament, auf dem alle anderen Parlamente aufbauen, und hier darf es niemals Zweifel am Festhalten an demokratischen Grundsätzen geben, insbesondere nicht am Öffentlichkeitsprinzip.
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