Ein Kommentar von Hasepost-Herausgeber Heiko Pohlmann.

AFP

Mehr als ein Jahr ist seit dem Nachtflohmarkt im Mai 2015 vergangen, eine lange Zeit für die Beteiligten, die in der Folge beide ihre bisherige Existenz verloren haben.
Nun entschied die Osnabrücker Staatsanwaltschaft, dass das, was am Abend des 2. Mai mitten in der Osnabrücker Innenstadt passierte, kein „öffentliches Interesse“ ausgelöst habe. Kein Richter wird jetzt ein Urteil darüber sprechen, was tatsächlich auf dem Nachtflohmarkt geschah (hier unsere Artikel dazu).

So wird es also ungeklärt bleiben, was wirklich zwischen Flohmarktstand und Losbude vor sich ging. Warum die etwaige Schuld als „gering“ anzusehen ist, wie es die Staatsanwaltschaft in der unserer Redaktion vorliegenden Mitteilung über die Einstellung der Klage formuliert, bleibt wohl auch für immer offen.
Immerhin endete der Abend für die junge türkischstämmige Aylin O. [richtiger Name der Redaktion bekannt] im Krankenhaus – später verlor sie ihre berufliche Existenz, genau wie ihr Kontrahent, dem vom Osnabrücker Zoo gekündigt wurde.
Der Weg zur Rehabilitierung wenigstens einer der beiden beteiligten Parteien? Der bleibt mit einer vom Staatsanwalt geschlossenen Akte versperrt. Kein Richter wird – „im Namen des Volkes“ – ein Urteil fällen.

Das es zur Eskalation kam ist unstrittig

Bevor sich die junge Frau an diesem frühsommerlichen Mai-Abend in ärztliche Behandlung begeben musste, war es zu einem Polizeieinsatz auf dem Flohmarkt gekommen. Mitarbeiter des Ordnungsamtes versuchten den Streit zu schlichten und auch mindestens ein Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes soll Zeuge der Vorfälle gewesen sein. Insgesamt gibt es mehr als eine Hand voll Zeugen, die ein Gesamtbild der Vorkommnisse des Abends vor einem Richter hätten schildern können.

Angebliche rassistische Äußerungen müssen nicht aufgeklärt werden?

Es bleibt ein ungutes Gefühl. Warum sieht ein Staatsanwalt keinen Aufklärungsbedarf, wenn („angeblich“, denn geklärt wird es ja nicht mehr) eine gut integrierte junge Frau öffentlich mit offensichtlich ausländerfeindlichen Beschimpfungen eingedeckt wird Auslöser: Weil ein Flohmarktverkaufsstand angeblich den Zugang zu einer Losverkaufsbude behinderte.

Beide Beteiligten verloren ihre bisherige Existenz

Das die Situation eskalierte, daran gibt es keinen Zweifel. Keinen Zweifel gibt es allerdings auch, dass zwei Menschen am Ende sehr viel verloren haben. Nicht vor Gericht, sondern in der Folge.
Der Mitarbeiter der Zoo-Lotterie verlor seinen Job, die junge Frau, die zuvor selbständig gearbeitet hatte, verlor erst ihre Kunden, dann ihre Selbständigkeit.

Opferschutz in Berichterstattung? Fehlanzeige!

Eine besonders unrühmliche Rolle spielte kurz nach den Vorfällen auch die lokale Tageszeitung. Wie es bei der Berichterstattung über ein laufendes Verfahren üblich ist, vor allem wenn noch gar nicht geklärt ist wer überhaupt als Opfer und wer als Täter in Frage kommt, wurde der Mitarbeiter der Zoo-Lotterie nie namentlich genannt. Vollkommen korrekt so weit, auch wenn dem Ungenannten die Eskalation der ganzen Angelegenheit, eine Körperverletzung und die rechtsradikalen Verbalausfälle zu Last gelegt wurden.
Doch ausgerechnet die junge Frau, die zuerst die Polizei gerufen hatte und den Abend in einem Osnabrücker Krankenhaus beendete, fand sich mit voller Namensnennung in der Zeitung wieder.
Das ein mutmaßliches Opfer öffentlich gemacht wurde, ist umso schwerer zu verstehen, wenn vom selben Redakteur mehrfach selbst Pressesprecher(!) von Rockerbanden das Privileg einer anonymisierten Namensnennung erhalten (hier und hier).