Nicht der Erfolg der Grünen, sondern die Misserfolge der SPD und vor allem der CDU sind das eigentlich Bemerkenswerte an dieser Kommunalwahl. Trotz scheinbar knapp neutralem Ergebnis fährt die Osnabrücker SPD das schlechteste Wahlergebnis ihrer Parteigeschichte ein und auch die zweite große Volkspartei, die Osnabrücker CDU, hat einen historischen Tiefpunkt in der Hasestadt erreicht.
Eine erste Wahlanalyse* von Heiko Pohlmann
Nach der Kommunalwahl am Sonntag werden die Grünen die stärkste Fraktion stellen und es wird wohl alles auf eine Neuauflage der bereits von 2011 bis 2016 eingeübten rot-grünen Rathausmehrheit kommen, nur unter anderen Vorzeichen, denn die Grünen führen mit 14 Sitzen (+5), während die SPD mit 12 Sitzen (-1) zum Juniorpartner wird. Die seit 1996 durchgängig stärkste Ratsfraktion der CDU musste deutlich Federn lassen und ist nach Sitzen (13) immerhin zweitstärkste Fraktion, aber weit entfernt von den einstmals 19 Ratsmitgliedern der vorherigen Wahlperiode oder den 23 Ratsmitgliedern im Jahr 2001.
SPD: erneut schlechtestes Ergebnis der Parteigeschichte
Dass die Sozialdemokraten mit 12 Sitzen im Stadtrat noch relativ stark vertreten sind und nur einen Sitz abgeben mussten, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Wahlergebnis – wie bereits vor fünf Jahren – einen weiteren Negativrekord in der Parteigeschichte bezeichnet.
So schlecht (23,58%) hat die SPD seit ihrer Gründung noch nie bei einer Kommunalwahl abgeschnitten – trotz einem derzeit positiven Bundestrend.
Aber auch bei der CDU, die von 37,6% auf 25,47% abgestürzt ist, ist historisch nahezu am Boden angekommen. Nur 1952 schnitt die da noch sehr junge Osnabrücker CDU mit 18,7% noch schlechter bei einer Kommunalwahl ab.
Selbst nach Fukushima waren die Grünen nie so stark
Ganz anders die Osnabrücker Grünen. Die Ökopartei ist erst seit 1981 im Stadtrat vertreten. Zum Start mit nur drei Ratsmitgliedern und einer Zustimmung von 5,9%. Lediglich im Jahr 2011, vor dem Hintergrund der Fukushima-Havarie, konnten die Grünen 21% und 11 Ratssitze erreichen. Die aktuellen Zustimmungswerte von 29,01% und 14 Ratssitze sind ein absoluter Spitzenwert für die Osnabrücker Grünen.
Die Osnabrücker Liberalen gehören sicher auch zu den Gewinnern, auch wenn die Zahl der Sitze im Ratssitzungssaal mit drei gleich bleibt. 2016 kam die FDP nur auf 5,9%. In diesem Jahr waren es immerhin 6,47%.
Noch nie so viele Kleinparteien wie 2021
Vor allem die Kleinparteien, die teils am extremen rechten und linken Rand ihre Wähler gefunden haben, markieren eine weitere Zäsur im Stadtrat. Zwar gab es mit den Piraten schon mal ein Kleinparteien-Gastspiel (2011 und 2016, jeweils ein Sitz) und die UWG gehört seit 2001 mit jeweils einem Sitz zum Inventar – gegen Ende der auslaufenden Wahlperiode personell verstärkt durch SPD- und BOB-Abtrünnige, doch die AfD hatte es bislang nicht in den Rat geschafft.
Der jetzt gewählte einzelne AfD-Ratsherr Viktor Jersch wird im Stadtrat künftig einen hart-rechten Kontrapunkt setzen, während die SED-Nachfolgepartei mit zwei Sitzen wieder in Fraktionsstärke den linken Extrempunkt im Ratssitzungssaal markiert.
Wo sich der mit zwei Sitzen in den Stadtrat zurückkehrende Bund Osnabrücker Bürger (BOB), der bis zum Wechsel seiner Ratsmitglieder zur UWG eine Zählgemeinschaft mit der CDU bildete, wiederfinden wird, ist ebenso offen wie das zukünftige Verhalten der zukünftig jeweils mit einem Sitz versehenen noch jungen Gruppierung „Volt“ und der „Die Partei“ und ihrem gewählten Spitzenkandidaten, dem Comedian Kalla Wefel.
Eine weitere Stimme im Stadtrat hat die Oberbürgermeisterin, die in zwei Wochen noch in einer Stichwahl zwischen Annette Niermann (Grüne) und Katharina Pötter (CDU) bestimmt werden muss.
* alle Zahlen und Sitzverteilungen entsprechend den von der Stadt Osnabrück am 13.09.2021 um 00:05 zuletzt aktualisierten vorläufigen Zahlen – kleinere Änderungen sind möglich und wahrscheinlich
[Update] Die Zahl der Sitze für die Linkspartei wurde in einer früheren Version dieses Artikels mit 1 angegeben, die aktualisierten Zahlen wurden in der Nacht bei der Schlussredaktion hier nicht berücksichtigt aber jetzt nachgepflegt.