Die Sicherheitsexperten Nico Lange und Carlo Masala kritisieren die bisherige Krisenpolitik der Bundesregierung. Sie fordern die Einrichtung eines Krisenstabs, eine Neuausrichtung der sicherheitspolitischen Verfahren und die Übernahme von Führung in der militärischen Unterstützung der Ukraine.
Sicherheitsexperten fordern neues Krisenmanagement
In einem Gastbeitrag für das Internetportal von ntv kritisieren Nico Lange und Carlo Masala die Bundesregierung scharf. „Deutschland versucht noch immer, Krieg und Krise mit behäbiger Friedensbürokratie zu bearbeiten“, stellen sie fest. Sie sehen Deutschland vor einer „doppelten Herausforderung“ und glauben: „Das kann nicht funktionieren.“ Die Experten fordern die Einrichtung eines Krisenstabs unter der Leitung des Bundeskanzlers. In diesen sollten „die Vertreter der wichtigsten Oppositionsparteien“ eingebunden werden.
Auf Friedenszeiten ausgelegte Strukturen unzureichend
Die aktuellen Verfahren in Regierung, Parlament und Ministerialbürokratien seien auf Friedenszeiten ausgelegt und nur begrenzt in der Lage, Krisensituationen langfristig zu handhaben. „Der Krieg Russlands gegen die Ukraine und andere sicherheitspolitische Großlagen sind keine Alltagsvorgänge, die sich im normalen bürokratischen Betrieb bewältigen lassen“, warnen Masala und Lange. Sie fordern Veränderung: „Führt die Bundesregierung nicht endlich Strukturen und Verfahren ein, deren Tempo, Entscheidungsfindung und Klarheit zur Geschwindigkeit und Dimension der sicherheitspolitischen Veränderungen passen, wird Deutschland hinter den Entwicklungen zurückbleiben und letztlich scheitern.“
Forderung nach Führung und Unterstützung
Darüber hinaus drängen die Sicherheitsexperten darauf, dass Deutschland in der militärischen Unterstützung der Ukraine die Führung übernimmt. Sie plädieren für eine „kontinuierliche militärische Unterstützung der Ukraine mit Munition, Ersatzteilen, Drohnen- und Flugabwehr, Artillerie, Schützenpanzern und Kampfpanzern“. Mit den USA, die Israel bereits massiv unterstützen, brauche die Nato „dringend europäische Entlastung“.
Bedeutung der europäischen Verteidigungsindustrie
Neben der finanziellen Verantwortung Europas betonen Masala und Lange auch die sicherheitspolitische Rolle der europäischen Verteidigungsindustrie. „Zu geringe Produktionskapazitäten gehören mittlerweile zu unseren größten Sicherheitsrisiken“, erklären sie. Dies müsse sowohl für Lieferungen an die Ukraine als auch für das Wiederauffüllen der eigenen Bestände gelten. Sie warnen: „Leere Depots europäischer Streitkräfte ermutigen Putins laufende Kriegsmaschinerie zu weiteren Ambitionen.“
Nico Lange ist Senior Fellow bei der Münchner Sicherheitskonferenz, Carlo Masala Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München.