Der Kirchenvorstand und das Pfarramt der evangelischen Kirche Georgsmarienhütte haben sich erstmals ausführlich zu den Ergebnissen der juristischen und sozialwissenschaftlichen Studie über sexualisierte Gewalt in den 1970er Jahren in ihrer Kirchengemeinde geäußert. Die Studie, die am 27. Februar 2024 veröffentlicht wurde, untersucht die Verbrechen sowie den Umgang der Landeskirche damit in den folgenden Jahrzehnten.
Die unabhängige Aufarbeitungskommission, die im Mai 2021 auf Antrag des damaligen Kirchenvorstandes der König-Christus-Gemeinde durch die Landeskirche eingesetzt wurde, hat in ihrer Studie gravierende Missstände und Vertuschungen aufgedeckt. Ein Haupttäter konnte über Jahre hinweg Gemeinderäume und Freizeiten als Tatorte für seine Verbrechen nutzen. Die Studie dokumentiert das systematische Versagen kirchlicher Verantwortungsträger, darunter Pastor Ernst Freitag, Superintendent Baehr, die Ausbildungsstätte Falkenburg und der damalige Kirchenvorstand.
Kirchenvorstand und Pfarramt tief betroffen
Der Kirchenvorstand und das Pfarramt zeigen sich tief betroffen über das Ausmaß des Leids, das den Opfern zugefügt wurde. Sie kritisieren scharf die jahrelange Vertuschung und das Versagen der Kirche im Umgang mit den Betroffenen. Besonders schmerzhaft sei es, dass die Betroffene Lisa Meyer (Name geändert) seit 2010 immer wieder von der Landeskirche hingehalten und inadäquat behandelt wurde. Dies habe zu ihrer Retraumatisierung geführt, obwohl es seit Jahren Leitlinien zum Umgang mit sexualisierter Gewalt gab.
Mangelnde Einbindung und Unterstützung durch die Landeskirche
„Die Ignoranz und Missachtung des Schutzes kindlichen Lebens und des Fürsorgeauftrages durch die Verantwortlichen ist unfassbar“, heißt es in der Stellungnahme. Die Schuld der Täter und der verschleiernden Amtsträger müsse klar benannt werden. Das Versäumnis, diese Schuld zu konfrontieren, belaste die Gemeinde bis heute schwer.
Trotz einiger positiver Schritte, wie die Einrichtung und personelle Aufstockung der Fachstelle sexualisierte Gewalt, wird die Zusammenarbeit mit der Landeskirche als unzureichend bewertet. Der Kirchenvorstand und das Pfarramt kritisieren die mangelnde Einbindung und Unterstützung durch die Landeskirche während des Aufarbeitungsprozesses. Es fehle an einem kontinuierlichen Austausch und einer konkreten Evaluation der Ergebnisse der Studie.
Transparente und angemessene Entschädigung
Zudem wird eine transparente und angemessene Entschädigung der Betroffenen gefordert. „Die Perspektive der Betroffenen muss zentraler Bestandteil der Aufarbeitung sein“, betonen die Verantwortlichen. Die Zahlung von Anerkennungsleistungen müsse transparent und ausreichend sein, um das erlittene Leid angemessen zu würdigen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die fehlende theologische Auseinandersetzung mit dem Thema. Der Vergleich des geistlichen Vizepräsidenten der Landeskirche, die Konfrontation mit sexualisierter Gewalt habe „etwas von Passion“, wird als unzureichend und emotional armselig beschrieben.
Der Kirchenvorstand und das Pfarramt bekräftigen, dass die Aufarbeitung weitergehen muss. „Betroffenheit allein reicht nicht“, heißt es in der Stellungnahme. Schutzkonzepte und Präventionsmaßnahmen seien notwendig, um ähnliche Vorfälle in Zukunft zu verhindern. Doch diese dürften nicht von den Versäumnissen der Vergangenheit und den notwendigen Maßnahmen zur Entschädigung und Unterstützung der Betroffenen ablenken.