Nahezu gespenstische Szenen boten sich bei der neuerlichen Coronademo und der inzwischen schon zugehörigen Gegendemonstration am Willy-Brandt-Platz. Beide Seiten hatten sich offenbar nichts mehr zu sagen und begegneten sich schweigend.
Während die Demonstrierenden, die sich zuvor im Schlossgarten versammelt hatten, wortlos an den Gegendemonstranten vorbeizogen, folgten auch diese zu weiten Teilen der zuvor von Organisator Gerhard Torges ausgesprochenen Bitte, an diesem Samstag auf Beschimpfungen und gestreckte Mittelfinger zu verzichten und dem Demonstrationszug gemeinsam den Rücken zuzukehren.
Vereinzelt drehten sich dann doch einige Gegendemonstranten zum Wall um rote Karten zu zeigen. Leise, aber doch noch vernehmlich, wurden von einem einzelnen Gegendemonstranten provokante Aussagen per Lautsprecher verbreitet, zum Beispiel, dass die Schulpflicht bei den Gegnern der Coronamaßnahmen wohl nicht funktioniert habe.
Baurat Otte und Kulturdezernent Beckermann bei den Gegendemonstranten
Oberbürgermeisterin Katharina Pötter, die durch ihr Erscheinen bei der Gegendemonstration in der vergangenen Woche Kritik auf sich zog, dass sie ungerechtfertigt Position bezogen habe, war an diesem Samstag nicht vor Ort, dafür aber Vertreter der Stadtverwaltung (u.a. die beiden städtischen Vorstandsmitglieder Frank Otte und Wolfgang Beckermann), sowie von Seiten der Politik u.a. Bürgermeisterin Eva-Maria Westermann (CDU) und Volker Bajus /Grüne).
Umgedrehte Deutschlandfahnen, türkische und russische Flaggen
Im Verlauf des Demonstrationszugs, der an diesem Samstag am Berliner Platz kehrt machte, waren auffällig viele russische Flaggen, eine türkische Flagge und auch mehrsprachig gehaltene Protestbanner zu sehen. Erneut waren, neben korrekt gezeigten Deutschlandfahnen, auch auf dem Kopf gestellte Deutschlandflaggen zu sehen, die so auch als subtiles Erkennungszeichen bei Rechtsradikalen und Reichsbürgern Verwendung finden.
Gegendemonstranten in der Minderheit
Wie bei allen Demonstrationen der vergangenen Wochen, waren die Gegendemonstranten in der Minderzahl. Während sich auf dem Platz vor dem Arbeitsamt nur wenige Hundert Gegendemonstranten versammelt hatten, war die Zahl der coronakritischen Demonstrierenden gegenüber der vergangenen Woche wieder merklich auf etwa 2.000* angestiegen [*eine Zahl der Polizei liegt noch nicht vor].
Wollen Presse und Politik Demonstranten in „rechte Ecke“ stellen?
Bei der Versammlung im Schlossgarten erklärten mehrere Redner, dass es ihnen um den Schutz der verfassungsmäßigen Grundrechte ginge. Sie warnten davor, dass Presse und Politik sie in eine „rechte Ecke“ stellen wollten. Hinsichtlich der allgemeinen Entwicklungen in der Technologie und der Gesellschaft, so ein Redner, sei dieser Protest als über die Pandemiesituatiuon hinausgehend zu verstehen.
Kurz zuvor hatte der aus Lemförde am Dümmer stammende Demo-Organisator Peter zur Linde die Abgrenzung gegen rechts relativiert, indem er über Mikrofon erklärte, dass auch Rechtsradikale „zum demokratischen Spektrum“ gehören würden, und diese „zu tolerieren“ seien.