(Archivbild) “Page im Frühling”
Da war der Widerstand auch bei den eigenen Anhängern wohl zu groß? Die Osnabrücker Grünen kündigen kurz vor der Ratssitzung am kommenden Dienstag (8. November) eine Neubewertung der Umgestaltungspläne für die Pagenstecherstraße an. Dabei schien für mindestens 27 große Stadtbäume das Schicksal bereits besiegelt.
“Für einen breiten Radweg mangelt es […] an Platz”, stellen die die Parteivorsitzenden Eva Güse und Maximilian Strautmann in einer von der Ökopartei zum Wochenende veröffentlichten Mitteilung fest.
Bislang – getragen von einer ungewöhnlichen Gemeinschaft aus Grünen, SPD und der CDU – sollten mindestens 27 große Platanen gefällt werden und die an die Page angrenzenden Unternehmen dazu verpflichtet werden, auf ihren Grundstücken Ersatzbäume zu pflanzen.
Ansonsten, so das Drohszenario an die Anlieger der Automeile, würde die Page auf zwei Spuren eingeengt, um Platz für einen breiten Radweg zu schaffen.
Viel Kritik aus der eigenen Basis an Baumfällplanungen
Zuletzt hatte Klimabotschafterin Elisabeth Michel von der Lokalen Agenda 21 die Ratsfraktionen und Oberbürgermeisterin Katharina Pötter dazu aufgefordert, die Entscheidung über das Kettensägen-Massaker an den alten Bäumen von der Tagesordnung der Ratssitzung am Dienstag zu nehmen.
Zuvor hatten mehrere Bürgerinitiativen, Umweltgruppen und im Bereich Klimaschutz aktive Einzelpersonen ein Aktionsbündnis „Vorfahrt für Stadtgrün“ gegründet, um die Bäume an der Page zu retten.
Kettensägen-Konzept war nicht mehr mehrheitsfähig im Rat
Kurz vor der entscheidenden Ratssitzung zeichnete sich offenbar ein mögliches Abstimmungsdebakel ab. “Auch im Stadtrat gäbe es dafür keine Mehrheit”, stellen die Grünen in ihrer Mitteilung fest.
“Dies sehe man sehr kritisch, müsse es allerdings zur Kenntnis nehmen”, resignieren die Parteivertreter, offenbar immer noch sehr der Kettensägenlösung zugetan.
Zudem stellen die Grünen auch das Offensichtliche fest, dass bei einer alternativ zur Baumfällaktion angedachten Beschränkung des Page-Verkehrs auf nur zwei Fahrspuren der Verkehr auf die parallele Natruper Straße ausweiche.
„Hier leben hunderte Menschen, die nicht zusätzlich belastet werden dürfen. Deswegen muss hier entschieden großflächiger gedacht werden. Dazu gehört, die Natruper Straße endlich vom Durchgangsverkehr zu entlasten und Radler*innen hier ein attraktives Angebot zu machen“, so Grünen-Chefin Güse.
Wird die Natruper Straße nun zur Fahrradstraße?
Die Grünen wollen nun den Umbau der Natruper Straße priorisieren, der dann eine alternative Route für den Radverkehr bieten soll.
Mit Sofortmaßnahmen soll an der Pagenstecherstraße kurzfristig für mehr Radsicherheit gesorgt werden. „Insofern wäre es richtig, die Parkstreifen am Straßenrand zu entfernen. An Parkplätzen mangelt es vor Ort nicht. Damit wird das gefährliche Dooring-Risiko gebannt, die Einsehbarkeit an den zahlreichen Grundstückseinfahrten verbessert und die Radler*innen können kurzfristig zumindest ein wenig mehr Abstand zum motorisierten Verkehr links halten“, erläutert Strautmann.
Grüne wollen nicht ganz von der Motorsäge lassen
So ganz wollen die Osnabrücker Grünen aber nicht von den Kettensägen-Fantasie lassen: “Wenn dann in einigen Jahren ein Umbau an der Pagenstecherstraße immer noch Eingriffe in die vorhandene Baumstruktur notwendig machen sollte, müssten die wegfallenden Bäume vorab vollwertig ersetzt werden.”
Nicht nur nach ihrer Anzahl, sondern auch nach ihrem Umfang. „Jeder Baum hat eine kleinklimatische Funktion als Schattenspender, CO2- und Feinstaubbinder. Das Mindeste ist, dass der Ausgleich auch diese Klimaschutzleistung umfassend abdeckt und dies muss vor jeder Maßnahme entlang der Straße gesichert sein. Wir freuen uns über die Bereitschaft aus der Wirtschaft, sich hier bei der ohnehin notwendigen Klimaanpassung aktiv einzubringen“, so Güse.
Kritik an “Verengung des Blicks auf den Einzelstandort”
Grundsätzlich müsse man sich das gesamte Quartier unter Stadtklimagesichtspunkten anschauen. Jenseits der Straße gebe es dort kaum Grün. Jede neue Bepflanzung helfe daher, versiegelte Bereiche zu verschatten und mindere damit die Hitzebelastung der Stadt. Die Pagenstecherstraße könne damit zum Vorbild für andere Gewerbeareale werden. „Insgesamt brauchen wir bei der Umgestaltung unserer Stadt jedoch ein ganzheitliches Vorgehen. Der Blick auf die einzelne Straße, den einzelnen Radweg oder den einzelnen Grünstreifen, also die Verengung des Blicks auf den Einzelstandort, bringt uns jedenfalls stadtklimatisch nicht weiter“, so die beiden abschließend.
Kommentar des Redakteurs
Nein, es ist keine “Verengung des Blicks auf den Einzelstandort”, wenn sich selbst aus der urgrünen Filterblase Widerstand gegen die Abholzung von mehr als zwei Dutzend alten Stadtbäumen regt.
Und das, obwohl es ganz offensichtlich ist, dass es bereits jetzt mit dem Haseuferweg (den die Grünen in ihrer Erklärung völlig unter den Tisch fallen lassen) und der Natruper Straße zwei hervorragende Alternativstrecken für Radfahrer gibt.
Zudem besteht für Radler aus Richtung Eversburg und Atter eine sehr attraktive Route durch das Natruper und Heger Holz, die nahezu völlig ohne Begegnung mit dem motorisierten Verkehr vom Rubbenbruchsee bis direkt ans Heger Tor führt.
Der geplante XXL-Radweg, vorbei überwiegend an Autohäusern, Tankstellen und Reifenhändlern, war tatsächlich ein durch Ideologie geprägtes Projekt, wie so viele Fahrradprojekte in der Hasestadt, bei denen sich der Nutzen nur schwer erkennen lässt.
Wie war das noch mit den teuren Fahrradzählanlagen und der nur wenige hundert Meter langen “Bikelane” am Wall, bei der Stadtbaurat Otte die Kosten total aus dem Ruder gelaufen waren? Aus Fehlern nichts gelernt?
Ein Projekt, das zudem in der Diskussion teils auch noch unredlich mit dem Unfall einer jungen Fahrradfahrerin verknüpft wurde, die allerdings in Folge eines tragischen Sturzes ausgerechnet auf einem am Unfallort bereits baulich von der Fahrbahn abgesetzten Fahrradweg zu Tode kam.
Aber was interessieren Fakten, wenn es doch um die vermeintlich gute Sache geht – auch wenn in Folge der Superstau oder eine massive Baumfällaktion drohte?
“Hauptsache Fahrradweg” ist die Devise der Osnabrücker Grünen und ihres Stadtbaurats, selbst wenn die besseren und sicheren Routen direkt links und rechts von der Page fast in Spuckweite entlang führen.
Es scheint, als ob hier in allerletzter Minute die Notbremse gezogen wurde, weil sich für die Ratssitzung am Dienstag eine herbe Niederlage abzeichnete.
Auch wenn sonst die Mehrheit der Ratsmitglieder jedem Antrag ihrer Fraktionen diskussions- und oft auch völlig teilnahmslos zustimmen, sind die Reaktion aus der Bevölkerung wohl doch bis zu einigen Ratsmitgliedern durchgedrungen, die ausnahmsweise tatsächlich lieber dem gesunden Menschenverstand statt dem Fraktionszwang gefolgt wären.
Warum ausgerechnet die Osnabrücker CDU – zumindest deren Fraktionsvorsitz – den seltsamen Abholzungsplänen zustimmen wollte, dürfte wohl mit dem Stockholm-Syndrom zu erklären sein. Dabei sollten gerade die jüngsten Ergebnisse der Landtagswahl eine deutliche Warnung an die Hase-Union sein, dass es ohne eigenes Profil keine Wahlerfolge mehr geben wird.
Schade eigentlich, dass die Pläne nun vom Tisch sind. Eine turbulente Debatte und eine krachende Abstimmungsniederlage für diesen Schildbürgerstreich hätte der Demokratie in Osnabrück durchaus gutgetan!
Aber es ist auch gut so: Vorerst sind 27 große Stadtbäume gerettet, auch wenn die Grünen sich in ihrer Erklärung zum “Dilemma” an der Page noch für zukünftige Fällaktionen ein Hintertürchen offen gelassen haben.