„Wenn ein neuer Nachbar einzieht, ist es schön, wenn er sich vorstellt“, mit diesen Worten leitet das Unternehmen Globus eine Imagekampagne ein, die bei diversen Osnabrücker Medien im redaktionellen Umfeld platziert wurde.
Was auf den ersten Blick vielleicht wie ein journalistischer Beitrag aussieht, ist tatsächlich bezahlte Werbung – ein „Advertorial“, eine redaktionell aufgemachte Werbeanzeige und eine Grauzone zwischen klassischer Werbung und Öffentlichkeitsarbeit*.
Weil es aber auch Werbung ist, darf die Wahrheit natürlich ein wenig verbogen werden. Denn „wenn ein neuer Nachbar einzieht“ bedeutet im Fall des Globus Baumarkt lediglich, dass man gerne einziehen würde; ausgemacht ist noch gar nichts.
Viele Gründe sprechen gegen einen Baumarkt in Hellern
Politik und Verwaltung müssen erst noch darüber entscheiden, ob Globus überhaupt „Nachbar“ werden kann. Dafür müsste ein Bebauungsplan geändert und eine Mehrheit im Stadtrat gefunden werden, damit eine große Grünfläche im Westen der Stadt dauerhaft versiegelt werden darf.
Neben der Flächenversiegelung gilt vor allem die Verkehrsbelastung, die auf Hellern zukommen würde, als problematisch.
Stau und Störche: „Wir für Hellern“ sammelte Unterschriften
Weil in den kommenden Jahren die A30 zur Dauerbaustelle werden wird – mit entsprechendem Ausweichverkehr –, aber auch weil die Zu- und Abfahrtswege zwischen der Autobahnabfahrt Gaste und der Lotter Straße bereits jetzt am Rande ihrer Kapazitätsgrenzen sind, gibt es inzwischen erheblichen Widerstand gegen die Pläne des saarländischen Unternehmens Globus.
Und viele Helleraner fürchten auch um den ökologischen Wert der bisherigen Grünfläche, auf der sich in diesen Tagen wieder Dutzende Störche zu ihrem Flug nach Süden versammeln. Zumal unterhalb der Grasnarbe auch noch Altlasten einer alten Müllkippe vermutet werden, die bei Bauarbeiten wieder zu Tage treten könnten.
Die Initiative “Wir für Hellern” sammelte vor der Sommerpause der Lokalpolitik rund 1.700 Unterschriften für ein „Nein zum Megabaumarkt an der Rheiner Landstraße“. Über 200 inhaltlich begründete Stellungnahmen gingen zusätzlich bei der Stadtverwaltung ein.
Zwei gescheiterte Baumärkte fanden keine Nachmieter – Leerstand im Schinkel
Zu guter Letzt verweisen Kritiker auch darauf, dass es mit der Nachfrage nach einem zusätzlichen Baumarkt ja nicht so weit her sein kann, wo doch der ehemalige Max Bahr Baumarkt in Hellern jahrelang leer stand und auch für den ehemaligen Praktiker-Baumarkt an der Hannoverschen Straße kein Nachmieter aus der Baumarktbranche gefunden werden konnte.
Zudem steht – quasi zu sofort bezugsfertig – im Schinkel noch das Gebäude von Real frei. Warum also in Hellern eine Grünfläche versiegeln? Auf Nachfrage unserer Redaktion bezüglich der Option im Schinkel antwortet eine Sprecherin der Globus Fachmärkte GmbH & Co. KG nur knapp mit: „Das Grundstück in Hellern ist das Ergebnis einer umfassenden Standortanalyse für gesamt Osnabrück.“
Globus wirbt für sich als gut bewerteter Arbeitgeber
In seinen bezahlten Werbe-Artikeln erklärt Globus, man sei „mehrfach prämiert für Kundenfreundlichkeit“. Mitarbeiter würden „Top-Bewertungen“ auf dem Jobportal „kununu“ abgeben, so die Eigenwerbung. Ob das wirklich stimmt, kann man sich selbst anschauen und gerade bei den jüngeren Mitarbeiterbewertungen durchaus kritische Stimmen lesen.
Und das „Top Company“ Siegel, mit dem Globus wirbt, kann – wenn entsprechende Kriterien erfüllt sind – für jährlich 1.490 Euro erworben werden.
Globus in der Liste der „Hall of Shame“
Das Unternehmen Globus findet sich allerdings nicht nur auf Listen besonders freundlicher Fachmärkte und beliebter Arbeitgeber. Der Name „Globus“ wird auch auf einer von der „Yale School of Management“ geführten Liste vermerkt. Diese Liste verzeichnet Unternehmen, die nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine weiter Geschäfte in und mit Russland machen. Nach aktuellem Stand (abgerufen am 30.08.2023) wird in der sogenannten „Hall of Shame“ auch Globus genannt.
Nach Recherchen der Saarbrücker Zeitung (hinter Paywall) aus dem April 2022 zählt die Globus Holding rund 10.000 Beschäftige in 19 russischen Hypermärkten. Die Läden würden selbstständig vom deutschen Markt wirtschaften. Mit der Fortführung des Geschäfts in Russland wolle man die „Grundversorgung der Menschen“ sicherstellen und man habe eine Verantwortung gegenüber den in Russland beschäftigen Menschen.
„Russland-Connection“ von Globus bereits ein Thema im Rathaus
Wie unsere Redaktion auf dem Rathausflur aufgeschnappt hat, wird diese „Russland-Connection“ inzwischen auch im Zusammenhang mit den Baumarktplänen in Hellern diskutiert. Eine Nachfrage unserer Redaktion dazu an die SPD-Ratsfraktion als Teil der Mehrheitsgruppe im Stadtrat, die wir bereits im Juni gestellt hatten, blieb jedoch unbeantwortet.
Während die Stadt Osnabrück die seit den 70er Jahren bestehende Städtepartnerschaft mit Twer inzwischen auf Eis gelegt hat, will man den Investor aus dem Saarland – trotz hinter verschlossenen Rathaustüren deutlich geäußerten moralischen Bedenken – wohl nicht mit dem Hinweis auf seine Russland-Connection vergraulen.
Globus antwortet erst auf Nachfrage mit Hinweis auf Konzernstruktur
Auch Globus Baumarkt wurde von uns um eine Stellungnahme zum Russlandgeschäft des Unternehmens gebeten. Nach einer ersten ausweichenden Antwort („Die Globus Fachmärkte betreiben 91 Baumärkte in Deutschland und Luxemburg.“) wurde man auf erneute Nachfrage konkret und ergänzte „In Russland sind wir nicht vertreten“.
Das ist so richtig, wie es aus einer anderen Perspektive auch falsch ist. Für den Unternehmensteil, der den Baumarkt in Osnabrück Hellern plant, die Globus Fachmärkte GmbH & Co. KG, stimmt es. Für die unter gleichem Namen agierenden Konzern „Globus Holding“, zu der auch die Fachmarktkette gehört, stimmt es nicht. Das Handelsblatt titelte im März 2022 zur Position des Inhabers Thomas Bruch bezüglich der Aktivitäten in Putins Russland: „Globus-Chef will die Märkte in Russland gegen alle Widerstände offen halten“.
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* Offenlegung: Auch die Hasepost veröffentlicht Advertorials, das heißt bezahlte und entsprechend gekennzeichnete Werbung in Artikelform. Trotz der grundsätzlichen Trennung zwischen Redaktion und Vertrieb behalten wir es uns aber vor Anzeigenkunden für dieses Werbeformat abzulehnen. Zum Beispiel wenn diese aktuell Teil einer öffentlichen Debatte sind. Globus als Anzeigenkunden für ein Advertorial hätten wir, insbesondere auch wegen unserer laufenden Berichterstattung zum Thema (bspw. hier und hier), zum derzeitigen Zeitpunkt abgelehnt!