Hamburg (dts Nachrichtenagentur) – Nach dem Amoklauf in einer Gemeinde der Zeugen Jehovas mit acht Toten räumt die Hamburger Polizei ein, dass die Kontrollen von Waffenbesitzern vor der Tat deutlich nachgelassen hatten. Im Jahr 2022 hätten nur 216 angekündigte und unangekündigte Besuche bei Waffenbesitzern stattgefunden, teilte die Polizei der Wochenzeitung „Die Zeit“ mit.
Im Jahr 2020 habe es noch 665 Kontrollen gegeben, also dreimal so viele. Dagegen sei im Jahr 2021 die Zahl der Besuche bei Waffenbesitzern nicht erfasst worden. In Hamburg verfügten zuletzt 8.145 Menschen legal über insgesamt rund 37.830 Pistolen, Gewehre und andere Schusswaffen. Als Gründe für den Rückgang gab eine Polizeisprecherin „personelle Engpässe im Außendienst“, aber auch Nachwirkungen der Corona-Pandemie an.
In der für die Kontrollen zuständigen Waffenbehörde, die bei der Hamburger Polizei angegliedert ist, waren laut der Sprecherin zuletzt 28 Mitarbeiter tätig. Bei konkreten Anlässen wie etwa Hinweisen auf psychische Auffälligkeiten oder falsche Aufbewahrung von Waffen hätten die Kontrollen aber weiterhin stattgefunden. Im Fall des Amokschützen Phillip F. war vor der Tat ein anonymer Hinweis bei der Polizei eingegangen, in dem von Schizophrenie, Verfolgungswahn und Aggression des 35-Jährigen die Rede war. Auch hieß es, Phillip F. könne durch sein Charisma seine Erkrankung in Gesprächen gut verstecken.
Es fand daraufhin ein Kontrollbesuch in seiner Wohnung statt, bei dem es jedoch keine schwerwiegenden Auffälligkeiten gab. Das Schreiben enthielt auch einen Hinweis auf das Buch von Philipp F., in dem es Anzeichen von religiösem Fanatismus gab. Die Mitarbeiter der Waffenbehörde lasen dieses jedoch offenbar nicht und leiteten auch kein weiteres Verfahren ein, um F. die Waffe zu entziehen. Die „Zeit“ berichtet weiter unter Berufung auf Ermittlungskreise, dass Phillip F. die spätere Tatwaffe über einen Sportschützenverein in der Hamburger Innenstadt bestellt und am 12. Dezember 2022 dort abgeholt hat.
Gegenüber der Wochenzeitung hätten Mitarbeiter des Vereins den Schützen als ruhig und freundlich beschrieben. Er hätte nie den Kontakt zu anderen Schützen gesucht, sondern sei allein zum Training erschienen. Philipp F. hätte innerhalb eines Jahres mehr Stunden am Schießstand absolviert, als für eine Waffenbesitzkarte nötig gewesen seien. Laut dem Bericht geht die Polizei bei den strafrechtlichen Ermittlungen auch der Frage nach, ob Philipp F. in dem Schützenverein auffällig geworden sein könnte, oder ob es andere Anzeichen auf die Tat gab.
Am Abend des 9. März hatte der Mann in der Gemeinde der Zeugen Jehovas in Hamburg-Alsterdorf sieben Menschen, darunter ein ungeborenes Kind, und anschließend sich selbst getötet.
Foto: Polizei in Hamburg, über dts Nachrichtenagentur