„Wer sich in Osnabrück daran beteiligt die Stadt von ihrer Schuldenlast zu befreien, der soll zukünftig auch davon profitieren“, auf diesen Kernsatz konzentrierte Oberbürgermeister Wolfgang Griesert das Konzept des „PLUS-Bürgers“, das in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am 1. April vorgestellt wurde.
Hintergrund der langen Geheimhaltung und der überraschenden Pressekonferenz: Das Land Niedersachsen erwartet von Osnabrück einen weiteren und vor allem schnellen Abbau der kommunalen Verschuldung.
April, April: Das war natürlich nur ein Aprilscherz. Wir freuen uns über die positiven Reaktionen, die wir auf Facebook erhalten haben.
Osnabrück brauchte eine kreative Lösung gegen die Schuldenlast
„Durch eine nochmalige Erhöhung der Hundesteuer (HASEPOST berichtete) oder der Einführung von Prämien an die Familien, die ihre Kinder in Landkreisgemeinden in die Kitas schicken und für ältere Familienmitglieder Grabstätten im Ausland organisieren, hätten wir das nicht geschafft“, so Thomas Fillep, Kämmerer der Stadt Osnabrück, der das neue Konzept zusammen mit dem Oberbürgermeister vorstellte.
Tatsächlich lagen schon fertige Konzepte in der Schublade, so geheime Informationen die unserer Redaktion exklusiv vorliegen, die Hundesteuer von 120 auf 240 Euro zu verdoppeln und unter dem Projektnamen „Oma soll auf Mallorca bleiben“ für Auslandsbestattungen zu werben.
Der Stadtkämmerer zu den Beweggründen der Verwaltung: „Wir müssen runter von dem unerträglichen Schuldenstand, der nach neuesten Berechnungen jeden der mehr als 168.000 Einwohner rein rechnerisch mit mehr als 2.000 Euro belastet“.
Der Preis für die Privilegien: 2.000 Euro
Die Pro-Kopf-Verschuldung, die für das Konzept des „PLUS-Bürgers“ für die kommenden 36 Monate (Verwaltungsintern: „der Dreijahresplan“) auf 2.000 Euro festgelegt wurde, sind der Preis, den der Osnabrücker Bürger zahlen muss um in den Genuss der PLUS-Bürgerschaft zu gelangen.
Wer bis zum Jahresende eine PLUS-Bürgerschaft beantragt und 2.000 Euro auf ein extra dafür eingerichtetes Konto überweist, erhält auf Lebenszeit besondere Privilegien und hat sich aus der Schuldenlast der Kommune quasi „freigekauft“.
Schwimmbad, Bus und „lauwarme Saunanächte“: frei
Zu den Privilegien der zukünftigen PLUS-Bürger gehört eine Bus-Flatrate innerhalb des Stadtgebiets. Für Fahrten in das benachbarte Belm sind allerdings geringe Aufschläge zu bezahlen. Ein Stadtwerke-Mitarbeiter, der diese Komponente der Bus-Flatrate erläuterte, begründete das mit Zuschüssen für Fahrten in den Landkreis, die das Land sonst nicht mehr bezahlen würde.
Auch die Nutzung der städtischen Schwimmbäder wird für PLUS-Bürger auf Lebenszeit kostenfrei sein, da mit der wegfallenden Verschuldung des Bürgers auch sein Beitrag an den Subventionen der Bäder getilgt ist.
Für die Nutzung der Saunalandschaft im Nettebad wird noch nach einer Lösung gesucht, da hier besonders hohe Energiekosten für die einzelnen Saunen einzuberechnen sind. Die Pläne gehen dahin, für PLUS-Bürger zukünftig spezielle „lauwarme Saunanächte“ anzubieten, die dann weniger Heizkosten verursachen und den PLUS-Bürgern die Möglichkeit geben die Sauna zu nutzen ohne gleich ins Schwitzen zu geraten.
Kommt der Überhol-Status auf der Kartbahn?
Unklar ist auch noch, wie PLUS-Bürger auf der Elektrokartbahn „Nettedrom“ von ihren Privilegien profitieren können. Neben einer kostenlosen Runde pro Halbjahr Mitgliedschaft, wird aktuell ein besonderes „Überholrecht“ für PLUS-Bürger angedacht. Dabei werden alle Elektrokarts auf der Rennstrecke automatisch gedrosselt, sobald ein PLUS-Bürger unter den Fahrern ist.
Der Geschwindigkeitsvorteil für die Bürger mit der goldenen Karte soll voraussichtlich 10 km/h betragen und für ein bequemes Fortkommen zwischen den verschuldeten Minus-Bürgern sorgen. Allerdings will man den Begriff „Minus-Bürger“ nur intern verwenden, so ein Verwaltungsmitarbeiter gegenüber unserer Redaktion. Mitarbeiter der Verwaltung bekommen die PLUS-Mitgliedschaft ebenso umsonst wie Mitglieder aller im Stadtrat vertretenen Parteien.
„Frei Parken“ und „Rüpel-Radeln“ für PLUS-Bürger
Besonders attraktiv dürfte das Angebot sein, als privilegierter Bürger ab sofort „frei parken“ zu können. Allerdings gilt dieses Angebot nicht für die Parkhäuser der OPG, die auch weiterhin Geld in die städtischen Kassen spülen müssen. Stattdessen hat sich die Verwaltung einen besonderen Service für falsch parkenden PLUS-Bürger ausgedacht. Wenn ein im Verwaltungscomputer hinterlegtes KFZ-Kennzeichen bei der Bussgeldstelle abgefragt wird – zum Beispiel wegen fehlendem Parkschein oder Parken im Halteverbot – dann wird diese Anfrage automatisch gelöscht und es wird kein „Ticket“ ausgestellt. Das System wurde nach Informationen unserer Redaktion in den vergangenen Monaten bereits mit den PKW der leitenden Mitarbeiter der Stadtverwaltung ausprobiert.
Verwaltungsmitarbeiter, die mit dem Fahrrad Verkehrsverstösse begingen, wurden ebenfalls schon testweise von der Verfolgung durch das OS-Team ausgenommen. Auf Wunsch der Osnabrücker Grünen, soll das System für PLUS-Bürger so angepasst werden, dass wer mit dem Fahrrad bei rot über die Ampel fährt, bei Dunkelheit ohne Licht durch die Stadt radelt oder Autofahrer lautstark beschimpft, bei Vorlage der goldenen PLUS-Bürger-Karte straffrei bleibt.
Wer kein Geld hat muss sich halt anstrengen
Um die Zustimmung aller Parteien zu bekommen, war es notwendig vor allem die Bedenken der Linken und Teilen der Grünen- und SPD-Ratsfraktion zu entkräften. Ausschlaggebend für die Lokalpolitiker, die eine Ungleichbehandlung einkommensärmerer Bevölkerungsgruppen befürchteten, war das Bonusprogramm „PCB“.
PCB ist die Abkürzung für „Prekariats-Citizen-Bonus“
Wer am PCB-Programm teilnimmt, kann Bonuspunkte sammeln, die es ermöglichen die PLUS-Bürgerschaft auch ganz ohne finanzielle Zuwendung an die Stadt zu erhalten. So gibt es besondere Boni, wenn man sich als einkommensschwächerer Mitbürger dazu schriftlich verpflichtet an verkaufsoffenen Sonntagen, in der Vorweihnachtszeit oder zur Maiwoche nicht in die Innenstadt zu kommen. Auch die Teilnahme an einem „Veggie-Day“ wird mit Bonuspunkten belohnt. Die Osnabrücker Tafel wird dazu extra an Donnerstagen nur noch vegetarische Lebensmittel ausgeben und den PCB-Bürgern den Erhalt bestätigen.
Kontrolliert wird die Teilnahme am PCB-Programm durch das OS-Team, das dafür eine „Task Force Prekariat“ gebildet hat, damit auch niemand mogelt und sich so die begehrte goldene Karte erschleicht. Besonders ausgebildete Mitarbeiter aus dem Jobcenter der Stadt Osnabrück unterstützen die Kontrolle im PCB-Programm.
Stadt nimmt Anträge und Geld ab sofort entgegen
Ab sofort – das Rathaus hat dazu extra am Samstag 1. April bis 22 Uhr geöffnet – kann die Gold-Mitgliedschaft für Osnabrücker PLUS-Bürger beantragt werden.
An diesem Wochenende nehmen die Mitarbeiter der Stadtverwaltung die Zahlung von einmalig 2.000 Euro in bar an, ab kommender Woche steht dann die bargeldlose Zahlung zur Verfügung.