Eigentlich war es ein Antrag des einzelnen Osnabrücker AfD-Ratsmitglieds, aber wegen grundsätzlicher Abneigung und „Brandmauern“ konnten die anderen Parteien, die sich in der Ratssitzung am Dienstag mehrfach selbst als „demokratisch“ bezeichneten, diesem nicht zustimmen und präsentierten einen zumindest strukturell überaus ähnlichen Änderungsantrag.
Vor dem Hintergrund einer aktuellen Stunde zum Thema “Hass, Hetze und Gewalt lassen wir nicht zu – gemeinsam für eine wehrhafte Demokratie” hatte das über die AfD-Liste in den Stadtrat gewählte Einzelmitglied Alexander Garder den Antrag gestellt, dass alle Ratsmitglieder sich gemeinsam der ‚Striesener Erklärung‚ anschließen, einem Aufruf gegen Gewalt, die nach dem Angriff auf den sozialdemokratischen Politiker Matthias Ecke im Dresdner Stadtteil Striesen veröffentlicht wurde.
Um dem Antrag des AfD-Ratsmitglieds zu ‚entgehen‘, hatten ‚die anderen‘ Fraktionen und Gruppierungen des Stadtrats einen Änderungsantrag „gegen Hass, Hetze und Gewalt“ eingereicht, der letztlich und wenig überraschend (Spoiler) auch angenommen wurde.
Strukturell auffallend dem AfD-Antrag ähnelnder Änderungsantrag
Obwohl in dem Änderungsantrag unter der Veröffentlichungsnummer VO/2024/3156-01 spektakulär der gesamte Antragstext des AfD-Mitglieds bis zum letzten Satzzeichen durchgestrichen war, ähnelte er bei näherem Hinsehen doch auffällig dem Ursprungsantrag. So wurde aus der Formulierung „Unsere wehrhafte Demokratie, das sind wir alle“ in der neuen Version „unsere Demokratie bleibt wehrhaft“. Eine Plagiatsanalyse mit dem LCS-Algorithmus ergab mit einer LCS-Differenz von 55,94%, dass fast die Hälfte des Textes zumindest strukturell übereinstimmt, auch wenn direkte Textübernahmen vermieden wurden.
Auch Fußball-Zitat wurde von der AfD übernommen
Nahezu identisch blieb in beiden Texten die Aussage „wir sind in den Farben getrennt, aber in dieser Sache vereint“, die im Änderungsantrag zu „in den Farben getrennt, für die Sache vereint“ wurde. Allerdings wanderte die plakative Aussage im Änderungsantrag ans Ende des Textes und bekam damit noch mehr Prominenz.
Ob sich die jeweiligen Antragsteller darüber bewusst waren, dass diese beliebte Fußballweisheit auch schon vom DFB herangezogen wurde um die Corona-Zwangsmaßnahmen zu rechtfertigen? Auch die Fußball-Fanszene verwendet diesen Spruch regelmäßig, um gegen Sicherheitskonzepte oder angebliche Polizeigewalt zu protestieren.
Oberbürgermeisterin und Ratsmitglied Mierke wurden konkret
Während die Begründung des AfD-Mitglieds für seinen ursprünglichen Antrag von allen Ratsmitgliedern schweigend verfolgt wurde und in den anschließenden Redebeiträgen eine inhaltliche Auseinandersetzung weitestgehend vermieden wurde, setzten sich lediglich Wulf-Siegmar Mierke (FDP/UWG-Gruppe) und Oberbürgermeisterin Katharina Pötter konkret mit der Antragsbegründung von Alexander Garder auseinander.
Dem UWG-Ratsmitglied Mierke war es nicht entgangen, dass Garder den Ratsmitgliedern eine Spaltung der Gesellschaft unterstellt hatte, weil diese „jede unpassende Meinung in die rechtsextreme Ecke“ schieben würde. „Solche Art von Kritik lasse ich mir nicht gefallen!“
Pötter: „Bodenlose Unverschämtheit“
Nach Mierke setzte die Oberbürgermeisterin die inhaltliche Kritik fort: „Das was sie hier eben getan haben, kann ich als Repräsentantin der Stadt nicht stehen lassen“. Sie forderte Alexander Garder auf seine Aussage „ist der Bürger unbequem, so ist er nicht gleich rechtsextrem“ zurückzunehmen, das sei eine „bodenlose Unverschämtheit“.
Zuvor hatte Dr. Thomas Thiele (FDP) noch ein Angebot an Garder gemacht: „Sie sind in allen demokratischen Parteien willkommen, bloß distanzieren sie sich von ihren Parteifreunden“.
Kommentar des Redakteurs
Mangels eigener Anträge des Osnabrücker AfD-Vertreters blieben solche Possen im Osnabrücker Stadtrat bislang aus. Aber was werden unsere Ratsmitglieder nur machen, sollte eine zukünftig vielleicht personell noch stärkere AfD einmal in einem Antrag feststellen, dass sich die Erde um die Sonne dreht oder 1+1 gleich 2 ist?
Immerhin vertritt die AfD – zumindest nach den Zahlen der Europawahlen von Sonntag – in einzelnen Osnabrücker Wahlbezirken bis zu jeden vierten Wähler.
Einzig die Oberbürgermeisterin und der im Stadtrat als streitbarer Freigeist bekannte Wulf-Siegmar Mierke setzten sich auch inhaltlich mit Alexander Garder auseinander und kritisierten völlig zurecht eine verbale Grenzüberschreitung. So geht Politik – alles andere ist linksgrüner Kindergarten!